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Hilferuf eines KölnersFlüchtlings-Retter von Seawatch irren auf dem Mittelmeer umher

Lesezeit 4 Minuten

Mit Schnellbooten fahren die ehrenamtlichen Helfer zu den Schlauchbooten, auf denen Flüchtlinge hoffen, über das Mittelmeer zu gelangen.

  1. Der Kölner Thomas Scheible hat 32 Flüchtlingen auf dem Mittelmeer das Leben gerettet. Seit 2016 ist er regelmäßig Teil der Sea-Watch-3-Besatzung, die Menschen in Not hilft.
  2. Aber seit Tagen kein Land ist bereit, das Schiff mit seinen Flüchtlingen aufzunehmen. Weihnachten musste das Team bereits auf der kalten See verbringen.
  3. Scheible appelliert auch an seine Heimatstadt Köln. OB Henriette Reker hatte sich bereit erklärt, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Doch geht das so einfach?

Köln – Weihnachten hatten sich die Seenotretter der „Sea-Watch 3“ wohl anders vorgestellt. Doch als die Besatzung vor sechs Tagen einen Notruf vor der libyschen Küste erhielt, waren sie sofort zur Stelle. Gerade rechtzeitig, denn ein Schlauchboot mit 32 Flüchtlingen drohte zu kentern. Der Motor war ausgefallen und die Bodenplatte drohte zu brechen, erläutert der Kölner Seenotretter Thomas Scheible, der sich derzeit an Bord der „Sea-Watch 3“ befindet.

Alltag für die Retter. Doch seitdem sich die Staaten der Europäischen Union aus der Seenotrettung mehr und mehr zurückgezogen haben, wird es immer schwerer für die ehrenamtlichen Helfer, einen Hafen zu finden, in dem sie die Flüchtlinge an Land bringen können. So auch im aktuellen Fall der „Sea-Watch 3“. Seit sechs Tagen irrt das Schiff auf dem Mittelmeer umher. Italien, Malta, Spanien die Niederlande und Deutschland hätten dem Boot einen Ankerplatz verweigert, Italien und Malta die Besatzung an die libysche Rettungsstelle verwiesen. Dort ginge aber niemand ans Telefon.

Eine belastende Situation für Retter und Gerettete. Zunächst habe man die Flüchtlinge gut mit warmem Tee, Essen und Kleidung versorgen können. Weihnachten hätten sie auf dem Achterdeck unter einer Zeltplane verbringen müssen. „Dort ist es kalt und die Wellen schlagen immer wieder über die Reling“, so Scheible. Als Weihnachtsessen gab es den täglichen Reis mit Bohnen, den Scheible, der als Schnellbootfahrer und Smutje an Bord ist, mit Hühnchen und Gemüse aufgepeppt hat.

Alles zum Thema Henriette Reker

Die „Sea-Watch 3“ kreuzt im Mittelmeer.

Scheible (45) ist seit 2016 regelmäßig auf der „Sea-Watch 3“ mit dabei. Der im Severinsviertel geborene Kölner hat sich schon früh politisch engagiert – etwa für die Initiative „Kein Mensch ist illegal“ oder für das Kirchenasyls der Lutherkirche des Südstadt-Pfarrers Hans Mörtter. „Als ich von Sea-Watch hörte, wusste ich sofort, da muss ich dabei sein.“ Denn Scheible ist nicht nur Koch und politisch engagiert, sondern auch begeisterter Schiffer. Seit 25 Jahren fährt er Boote auf dem Rhein und später auch auf deutschen und internationalen Binnen- und Seegewässern. Seit 2016 hat er ein Dutzend Missionen als Schnellbootfahrer der Sea-Watch begleitet.

Sea-Watch hat viele Tausend Menschen gerettet

Zum mangelhaften Einsatz der EU bei der Seenotrettung hat er eine klare Meinung: „Die EU nimmt in Kauf, dass an ihren Grenzen Menschen ersaufen.“ Die Arbeit, die die Staaten selbst erledigen sollten, werde auf Freiwillige abgeschoben. Sea-Watch hat seit seiner Gründung nach eigenen Angaben 35 000 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet. Die Berliner Organisation finanziert sich ausschließlich über Spenden. Für die 32 Menschen, die derzeit auf der „Sea-Watch 3“ festsitzen, ist derzeit noch keine Lösung in Sicht. Weil das Schiff unter niederländischer Flagge fahre, habe die Besatzung zunächst die niederländischen Behörden informiert. Die Niederlande befände sich offenbar in Verhandlung mit Ländern wie Malta. „32 Menschen aufzunehmen ist für Europa doch ein Klacks“, sagt Scheible. „Seit sechs Tagen wird uns ein sicherer Hafen jetzt schon verweigert“, ergänzt Einsatzleiter Philipp Hahn. „Europa muss jetzt Verantwortung übernehmen und Deutschland sollte mit gutem Beispiel vorangehen.“

Zufrieden ist Scheible mit dem offenen Brief, den mehrere Oberbürgermeister, darunter die Kölner OB Henriette Reker, im Jahr 2016 an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben hatten, in dem sie sich prinzipiell zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Flüchtlingen bereit erklärten. „Als gebürtiger Kölner bin ich stolz auf diese humanitäre Geste, welche unserer weltoffenen Stadt gut zu Gesicht steht.“ Er würde sich freuen, den Flüchtlingen den Kölner Dom zeigen zu können. Auf den aktuellen Fall wird die Erklärung von OB Reker wohl aber keine Auswirkung haben. Die Stadt könne sich nicht über geltendes Recht hinwegsetzen, sagte eine Stadtsprecherin.

Innenministerium will einige Flüchtlinge aufnehmen

Sea-Watch fordert nun Bundesregierung und Innenministerium auf, von Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes Gebrauch zu machen und für diejenigen Menschen, die vor Krieg, Folter und Tod in Libyen geflogen sind, eine menschenwürdige Lösung zu finden. Noch sei die Stimmung und Versorgungslage an Bord gut, sagt Scheible. Essen sei vorhanden, aber die Wasservorräte würden in einigen Tagen zu Neige gehen. Außerdem soll das Wetter in den kommenden Tagen schlechter werden.

Einem Bericht zufolge hat sich das deutsche Innenministerium mittlerweile dazu bereit erklärt, einige der Geretteten aufnehmen. „Wir würden uns auch in diesem Fall einer Aufnahme nicht verschließe, aber es müsste in einem europäischen Rahmen geschehen“, sagte ein Sprecher von Innenminister Seehofer „Focus Online“.

Als Bedingung müssten sich allerdings auch weitere EU-Länder dazu bereit erklären, Flüchtlinge aufzunehmen. Zuvor hatten sich neben der Bundesrepublik auch Italien, Malta und die Niederlande geweigert. Aktuell werde unter Leitung des Auswärtigen Amtes weiter verhandelt. (mit RND)