An der Stelle des heutigen Kölner Domforums stand einst das so genannte Schaebenhaus. Peter Gustav Schaeben verkaufte dort erfolgreich Duftwasser.
Serie Köln früher und heuteDas Schaebenhaus am Dom war bekannt für Duftwasser
Für Peter Gustav Schaeben laufen die Geschäfte Mitte des 19. Jahrhunderts wunderbar, obwohl es an Konkurrenz nicht mangelt. Für das Jahr 1822 sind in Köln allein 64 Hersteller von „Kölnisch Wasser“ bekannt. Die Nachahmer sind fleißig, seitdem Johann Maria Farina etwa 100 Jahre zuvor die ersten Duftwässerchen namens „Eau de Cologne“ produzierte. Doch Peter Gustav Schaeben, seines Zeichens „Kölnisch-Wasser- und Carmeliter-Melissen-Geist-Fabrikant“, hat als Geschäftsmann einen guten Riecher.
Sogar König Ludwig II. von Bayern soll die Produkte aus dem Hause „Maria Clementine Martin Klosterfrau“ geschätzt haben. Und so kann sich der Emporkömmling aus ärmlichen Verhältnissen 1861 gegenüber dem noch nicht fertiggestellten Kölner Dom ein ganz besonderes Domizil leisten – ein Prachtbauwerk in neogotischem Stil, das Schaeben zum Objekt geschickten Marketings macht.
Nonne legte Grundstein für Schaebens Wohlstand
Die Grundlagen für Schaebens Wohlstand hatte die ehemalige Nonne Maria Clementine Martin gelegt, die im Zuge der Säkularisation ihre klösterliche Heimat verloren hatte. 1826 gründete sie eine Fabrik für Kölnisch Wasser und Melissengeist, einem alkoholischen Destillat aus Arzneipflanzen. Den erst 14-jährigen Peter Gustav Schaeben stellte sie zunächst als ihren Gehilfen an, um ihn später zum Leiter ihrer Firma „M.C.M. Klosterfrau“ zu befördern und schließlich als Universalerben einzusetzen. Den Firmensitz im Haus Domhof 19 baute Schaeben konsequent aus und erwarb mehrere Nachbargrundstücke hinzu.
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Doch der Platz für die Produktion reichte irgendwann nicht mehr, woraufhin er den Wohn- und Geschäftssitz der Eigentümerfamilie auslagerte. Mit dem Grundstück „Domkloster 3“ ganz in der Nähe des Produktionsstandorts erwarb er eine der prominentesten Adressen der Stadt, direkt gegenüber dem Westportal des Kölner Doms gelegen. Den Auftrag, das Schaebenhaus als neuen Stammsitz der Firma Klosterfrau zu entwerfen, bekam Architekt Friedrich Schmidt, Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien und ehemaliger Werkmeister der Kölner Dombauhütte.
„Schaebenhaus“ wurde 1861 fertiggestellt
Schmidt entwarf eine dreigeschossige „hochherrschaftliche“ Stadtvilla im neugotischen Stil, mit klassizistisch strukturierter Fassade, aufwändig geziert durch gotisierende Fensterformen, Maßwerkbrüstungen, Erker, Giebel, Zinnen und durchgezogenem Balkon im ersten Stock. So, wie es das Kölner Bürgertum katholischer Prägung zu dieser Zeit besonders schätzte. Denn die Gotik war mit dem Weiterbau des Doms ab 1842 wieder schwerstens in Mode gekommen.
Laut Helmut Heckelmann, Mitautor des Buchs „Das Erbe der „Klosterfrau“ in Köln“, war Schaeben äußerst geschickt darin, Klosterfrau als Marke zu etablieren und weltweit bekannt zu machen: „Dazu setzte er schon sehr früh moderne Formen des Marketings ein und verstand es, seinen Produkten eine „Corporate Identity“ zu verleihen.“ Auch das 1861 fertiggestellte „Schaebenhaus“ war Teil seiner Vermarktungsstrategie. Die Preismedaillen, die seine Produkte bei den Londoner Weltausstellungen von 1851 und 1862 erhielten, schmückten nicht nur diverse Druckerzeugnisse, sondern auch die Balkonbrüstung der südlichen Hausfassade – gut sichtbar für Touristen und Pilger aus aller Welt. Die Inschriften „Eau de Cologne, double“ und „M.C.M. Klosterfrau“ waren derweil an der Nordseite zu lesen. Ab 1861 fungierte die imposante Stadtvilla auch als Firmenlogo. Dazu ließ es Schaeben als Warenzeichen eintragen.
Kölner „Schaebenhaus“ am Dom war Ziel vieler Touristen
Den Touristenströmen an der Dombaustelle wusste der Firmenpatriarch seine Duftwässerchen gekonnt zur Schau zu stellen. „Nach dem Umzug im November 1861 (…) luden Schaufenster im Erdgeschoss die flanierenden Kölner ebenso wie Pilger, die den Dom besuchten, dazu ein, den Verkaufsraum zu betreten. Wenn die Sonne schien, konnte das Verkaufspersonal die schweren Vorhänge herunterlassen und so Melissengeist und Kölnisch Wasser vor zu großer Hitze schützen“, heißt es in der Chronik „Haus Schaeben“.
Köln früher und heute – weitere Folgen
Mit einem beleuchteten Holzmodell des Doms wurden Besucher zudem über das „technische Meisterwerk“ informiert, das kurz vor seiner Vollendung stand. „Es ist staunenswerth, wie sich das verhältnismäßig kleine Gebäude neben der mächtigen Wirkung des Kölner Doms behauptet“, hieß es in einer Festschrift des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine über das Schaebenhaus.
Schaebens Ehefrau übernahm nach seinem Tod die Firma
Später stattete die Unternehmerfamilie ihr Anwesen mit elektrischem Licht und einem Aufzug aus, 1902 kam eine der ersten „Fernsprechverbindungen“ dazu. Als Peter Gustav Schaeben 1885 starb, übernahm seine Frau Anna Catharina die Firma, die sie zusammen mit ihren Söhnen als Teilhaber führte. Zur Freilegung des Doms wurden in dieser Zeit etliche Gebäude in unmittelbarer Umgebung abgerissen, auch Anna Catharina Schaeben verkaufte die Häuserzeile am Domhof und verlegte die Produktion an die Gereonsmühlengasse. Als das Gebäude am Domkloster 3a abgerissen wurde, lag die Nordfassade des Schaebenhauses – eine kahle Brandmauer – plötzlich frei. Das gefiel Dombaumeister Bernhard Hertel gar nicht.
1907 ließ er verlauten, „eine Veränderung an dem baulichen Zustande“ erscheine ihm „für die Wirkung des Dombildes von allergrößter Bedeutung“. In der Folge wurde die Nordfassade in Kopie der Ostfassade neugestaltet, obwohl die Gotik bereits aus der Zeit gefallen war. Elegante Geschäfte und Büros entstanden, die erste Etage wurde 1913 an den Kölner Kunstverein vermietet, in Schauräumen waren nun französische Impressionisten, aber auch Werke von Max Liebermann, Max Slevogt und Lovis Corinth zu bewundern.
Zu dieser Zeit hatte sich das Umfeld des Schaebenhauses grundlegend gewandelt. Nicht nur der Dom war 1880 fertiggeworden, auch der neue Hauptbahnhof wurde 1894 vollendet, der Rheinauhafen (1898), die neue Oper (1902), die Markthalle am Heumarkt (1904) und die Hohenzollernbrücke (1911). Die Einwohnerzahl Kölns stieg auf eine halbe Million. Doch das Schaebenhaus blieb sich treu.
Nach dem Ersten Weltkrieg stagnierte das Geschäft
Der Erste Weltkrieg bereitete dem Aufschwung im Hause Schaeben allerdings ein Ende. Das Geschäft stagnierte, Inflation und Spanische Grippe sorgten nach dem Krieg für ein wirtschaftlich schwieriges Umfeld, dazu kamen Fehlinvestitionen. 1920 wurde das Schaebenhaus am Domkloster an die „Commerz- und Diskonto-Bank“ verkauft, die komplette Firma schließlich 1933 an den Hauptgläubiger Wilhelm Doerenkamp, der die Firma wieder nach vorne brachte.
Das Schaebenhaus existiert nicht mehr, es wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und schließlich durch das heutige Domforum von Fritz Schaller ersetzt. Der spätere Architekt der Domplatte hatte das Nachkriegsgebäude 1953 zunächst für die Bank für Gemeinwirtschaft entworfen. „Das Grundstück ist aber unverändert geblieben“, sagt der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings. Auch das alkoholische Destillat namens Klosterfrau Melissengeist hat die Zeiten überstanden. Das Schaebenhaus lebt immerhin im weltbekannten Klosterfrau-Logo fort: Drei Nonnen schauen aus einem Fenster in gotischem Stil.