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Betrug mit Überstunden?Staatsanwaltschaft prüft mehr als 60 Fälle bei Stadt Köln

Lesezeit 4 Minuten
Stadtverwaltung

Das Kölner Rathaus am Alter Markt

  1. Im Zusammenhang mit möglicherweise falschen Überstunden-Abrechnungen in der Kölner Stadtverwaltung prüft die Staatsanwaltschaft mehr als 60 Fälle
  2. Der Verdacht: Beamte und Angestellte könnten durch pauschale Zusatzzahlungen Gehaltssprünge ohne formelle Beförderung erreicht haben
  3. Für Montag hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker die städtischen Spitzenbeamten zu einer Sondersitzung zu dem Thema eingeladen

Köln – Die Staatsanwaltschaft wird im Zusammenhang mit pauschal vergüteten Überstunden bei der Stadtverwaltung wohl mehr als 60 Fälle prüfen. Wie Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Freitag bestätigte, will die Ermittlungsbehörde Unterlagen auswerten, die sie vom städtischen Rechnungsprüfungsamt zur Bewertung bekommen hat. Die Juristen sollen feststellen, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt.

Stadtsprecher Alexander Vogel teilte dazu mit, in all diesen Fälle seien die vergüteten Überstunden tatsächlich auch geleistet worden. Zumindest bei zwei Bediensteten der Kulturverwaltung, soviel ist bekannt, war das mutmaßlich nicht der Fall. Nach Angaben des Presseamtes wurde den beiden über einen längeren Zeitraum insgesamt 665 Überstunden ausbezahlt, ohne dass diese geleistet worden sein sollen. Einer der beiden, ein leitender Beamter, soll die nächsthöhere Besoldungsstufe angestrebt haben.

Überstunden-Geld statt Beförderung in Köln

Weil eine Beförderung aus formalen Gründen jedoch nicht möglich gewesen sei, sei ihm angeboten worden, Monat für Monat pauschal Überstunden geltend zu machen. Auf diese Weise soll er den erwünschten Gehaltssprung dann auch ohne Beförderung erreicht haben. Wegen des Verdachts auf eine Straftat hat die städtische Innenrevision das Landeskriminalamt über die Vorgänge im Kulturdezernat informiert – so wie es das Innenministerium in einem Erlass zur „Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung“ vorschreibt.

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Handelt es sich also um zwei Einzelfälle oder etwa doch um ein seit langem bestehendes System der Mauschelei? Interne Dokumente, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen, werfen jedenfalls Fragen auf. Das pauschale Abrechnen von Überstunden war im Rathaus demnach mindestens bis 2018 gängige Praxis. In dem Jahr haben 59 Angestellte und Beamte aus insgesamt 22 Dienststellen Zahlungen erhalten, deren Gegenleistung sie nicht mit Anlass und Datum darlegen mussten. Das Dezernat der Oberbürgermeisterin findet sich ebenso auf der Liste wie das Dezernat des Stadtdirektors und unter anderem die Kämmerei. Insgesamt zahlte das Personalamt 2018 rund 363 000 Euro für Überstunden-Pauschalen aus. Ähnliche Summen sind in den Unterlagen der Verwaltung für die beiden vorausgegangenen Jahre aufgeführt. 2016 beispielsweise rechneten 69 Bedienstete pauschal Überstunden ab.

Exakte Summe an Überstunden im Kölner Rathaus

Aus den Papieren geht hervor, dass drei Beschäftigte (zwei Männer und eine Frau) aus drei Dezernaten im Jahr 2016 jeweils bis auf den Cent genau denselben Betrag für Überstunden überwiesen bekommen haben: 13094,20 Euro. Ein Zufall? Oder vielleicht der Differenzbetrag zur nächsthöheren Besoldungsstufe? Im darauf folgenden Jahr erhielten erneut zwei Männer und eine Frau aus denselben drei Dezernaten jeweils 13430,90 Euro, 2018 waren es je 13778,80 Euro – eine jährliche Steigerung also von 2,6 Prozent, was in etwa der jährlichen Tariferhöhung für den öffentlichen Dienst entspricht. Auch das nur ein Zufall?

Es gibt weitere Auffälligkeiten: So erhielt sowohl 2017 als auch 2018 ein Mitarbeiter aus dem Sozialdezernat jeweils 13683,60 Euro. Demnach müsste in beiden Jahren exakt dieselbe Summe an Überstunden angefallen sein. Im Dezernat für Allgemeine Verwaltung, das Stadtdirektor Stephan Keller untersteht, bekam eine Mitarbeiterin 2016 eine Überstundenpauschale von knapp 850 Euro, 2017 waren es 889 Euro und 2018 dann 950 Euro. Auch hier: Steigerungen, die einer Tariferhöhung ähneln.

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SMK-Brasack

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Ein Mitglied des Personalrates erhielt 2014 einem internen Protokoll zufolge rund 17.600 Euro. Zur Begründung heißt es: Es handele sich hierbei „um eine Überstundenpauschale, die weiterhin als Besitzstandswahrung aus der vorherigen Tätigkeit des Personalratsmitglieds“ gezahlt werde.

Ob all das strafrechtlich von Bedeutung ist oder nicht mehr als ein Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften, muss die Staatsanwaltschaft prüfen. Laut Stadtsprecher Vogel, Leiter des Presseamtes, fehlten zwar in etlichen Fällen die für Beamte erforderliche „vorherige formale Anordnung der Mehrarbeit“. Die Stunden wurden „jedoch geleistet und sind nachweisbar“, sagt er. Hätte die Dienststellen die Rechtslage korrekt verstanden, hätte sie die Überstunden „wohl auch richtig angeordnet“. Seit Juli 2019 gelte ohnehin eine neue Dienstanweisung zur Abrechnung von Überstunden.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat die städtischen Spitzenbeamten für den kommenden Montag dem Vernehmen nach zur einer Sondersitzung eingeladen. Das Thema: Die Überstundenpraxis der zurückliegenden Jahre sowie die richtige Vorgehensweise für die Zukunft