„Ohne Verstand“Stadt Köln will drastisch bei Kinderbetreuung und Sportvereinen kürzen
Köln – Weniger Geld für Sportvereine, Einschnitte für Volkshochschule und Rheinische Musikschule, Kürzungen bei der Flüchtlingshilfe und internationalen Austauschprojekten – rund 90 einzelne Leistungskürzungen sind mittlerweile bekannt geworden, die Stadtkämmerin Dörte Diemert und Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit ihrem Vorschlag zum Doppelhaushalt 2020/21 durchsetzen wollen.
Die Parteien werden seit Tagen von betroffenen freien Trägern mit Briefen, Bitten und Anrufen überschüttet: Stadtsportbund, die Lehrkräfte von Volkshochschule und Musikschule, freie Träger im Offenen Ganztag der Schulen und der Flüchtlingsrat protestieren. „Wenn die Kürzungen durchgesetzt werden, gibt’s richtig Stress“, sagt der Chef des Stadtsportbundes Peter Pfeifer. Andere wie das Comedia-Theater wissen noch gar nicht, dass sie auf der Kürzungsliste stehen.Über zwei Millionen Euro sollen 2021 beim Schülerverkehr für behinderte Kinder gespart werden – ein Posten, bei dem die Stadt schon jetzt wegen ihrer Zurückhaltung in der Kritik steht. 1,3 Millionen stehen als Kürzung beim Ausbau der Übermittagsbetreuung für Schulkinder im Finanzplan. Der Vorschlag sei ein „Skandal“, sagt der Fraktionschef der Linken, Jörg Detjen. Gekürzt werde „ohne Sinn und Verstand und ohne zu schauen, was man tut“.
Vorschläge offenbar wenig durchdacht
Mit einigen Kürzungsvorschlägen kündigt die Stadtspitze Vereinbarungen und Zusagen auf, einige laufen politischen Beschlüssen des Rates zuwider. Andere Vorschläge sorgen zusätzlich für Verwunderung, weil sie offenbar wenig durchdacht sind: So will die Verwaltung die Zuschüsse für Sportvereine kürzen, die im Auftrag der Stadt Fußballplätze und andere Sportstätten pflegen. Würden die Vereine diese Aufgabe abgeben, wären die Ausgaben für die Stadt ungefähr dreimal so hoch wie zur Zeit, so der Stadtsportbund.
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Die lange Liste der Kürzungsvorschläge hat kurz vor dem Abschluss der politischen Haushaltsplanberatungen im Rathaus mächtig für Wirbel gesorgt – zum einen deshalb, weil Diemert und Reker öffentlich gesagt hatten, dass es keine Kürzungen geben soll. Zum anderen, weil nahezu alle Maßnahmen im Bereich des neuen Schul-, Jugend- und Sportdezernenten Robert Voigtsberger platziert wurden.
Harald Rau wurde abgezogen
Als er sein Amt antrat, waren die verwaltungsinternen Haushaltsberatungen bereits abgeschlossen. Die Dezernatsleitung war einige Monate unbesetzt. Für solche Fälle gibt es einen Vertretungsplan, der vorsieht, dass Sozialdezernent Harald Rau die Geschäfte hätte führen müssen. Doch der ist nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ während der heißen Phase der Haushaltsaufstellung von der Oberbürgermeisterin abgezogen worden. Zuständig für den sensiblen Bereich wurden andere – unter anderem die für die Finanzen zuständige Kämmerin Diemert selbst. „Daraufhin fuhr der Rasenmäher durch alle freiwilligen Ausgaben in diesem Bereich“, sagt eine Verwaltungsmitarbeiterin.
Linke spricht von „Vertuschung“
Ob dieser von einem Computerprogramm gesteuert wurde oder ob hier tatsächlich Sachentscheidungen fielen, kann bislang keiner erklären. Wie kamen die Kürzungen in den Haushalt? Und warum wurden sie nicht ehrlich kommuniziert? Seit Freitag bleiben solche Anfragen an die Stadtspitze unbeantwortet. Kämmerin Diemert sieht sich massiver Kritik ausgesetzt. Die Linke spricht von „Vertuschung“ und „Täuschung“.
Auch im schwarz-grünen Ratsbündnis rätselt man über die Beweggründe der Verantwortlichen. Hinter den Kulissen fallen deutlichere Worte. Das sei „kein schönes Spiel“, sagte eine Vertreterin der Grünen in der Sitzung des Schulausschusses. Nun müsse die Politik „die Schwächen korrigieren“.
Im Rathaus zeichnete sich am Mittwoch ab, dass es zu einem Haushaltsbündnis von CDU, Grünen, FDP und Ratsgruppe Gut kommt. Die Parteien wollen am Donnerstag ihre Einigung vorstellen. Sie werden ohne großen Aufwand einen zweistelligen Millionenbetrag hin- und herbewegen können. Nach einer entsprechenden Anfrage der Linken hat Diemert am Mittwoch allen Ratsfraktionen mitgeteilt, dass die Umlage für den Landschaftsverband um rund 22 Millionen niedriger liegt als im Haushaltsentwurf angesetzt. Die Linke fordert, dass das Geld dafür genutzt wird, alle Kürzungen zurückzunehmen.