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Stadtrat entscheidet über Ost-West-AchseSPD wackelt – Tunnellösung vor dem Aus

Lesezeit 5 Minuten
Vollgestellte Kreuzung an der Nord-Süd-Fahrt

Alltag auf der Ost-West-Achse: Die Stadtbahn kommt nicht vorwärts. Die Kreuzung an der Nord-Süd-Fahrt ist zugestellt.

Zwei Tage vor der Ratssitzung, bei der über das Projekt entschieden werden soll, ist alles wieder offen.

Überraschende Wende, drei Tage vor der entscheidenden Sitzung des Stadtrats zum Ausbau der Ost-West-Achse am Donnerstag. Das von CDU, SPD und FDP favorisierte Paket einer großen Tunnellösung, die auch die Untertunnelung des Rheins zwischen Deutz und dem Heumarkt und ein Metrolinien-Konzept vorsieht, steht vor dem Aus.

Zusammen mit den Grünen könnte die SPD das Paket jetzt in zwei Teile aufschnüren, um die finanzielle Förderung des gesamten Projekts nicht zu gefährden. Verkehrsdezernent Ascan Egerer hatte gewarnt, bei einer Mehrheit für das Metrolinien-Konzept des Tunnelbündnisses müsse man mit der Planung von vorn beginnen. Zusätzlich hat das NRW-Verkehrsministerium daran erinnert, dass die Frist für das Einreichen der Planungsunterlagen für dringende Maßnahmen am 31. Juli ausläuft.

Wie geht es jetzt weiter?

Alles zum Thema Henriette Reker

Grüne und SPD haben für den Verkehrsausschuss, dessen Sitzung vom gestrigen Dienstag auf den kommenden Donnerstag, acht Uhr, verschoben wurde, zwei Änderungsanträge vorbereitet. Sie liegen unserer Zeitung vor. Danach soll die Strecke zwischen Heumarkt und Universitätsstraße oberirdisch für den Einsatz von 90 Meter langen Zügen mit dem geringstmöglichen Aufwand ausgebaut werden, damit bei späteren Erweiterungen keine großen Rückbauten nötig sind. Im Abschnitt zwischen Deutz über Neumarkt bis zum Zülpicher Platz soll mindestens eine Stadtbahnlinie fahren.

Das entspricht doch der oberirdischen Variante, die von der Stadtverwaltung erarbeitet wurde.

Das stimmt. Bis auf ein paar kleinere Änderungen. Die Haltestelle Heumarkt wird Richtung Elogiusplatz über die schon vorhandene U-Bahnstation verlegt, um bei einem späteren Tunnelausbau möglichst wenig verändern zu müssen. Die Haltestellen Moltkestraße und Rudolfplatz sollen ebenfalls mit Minimallösungen ertüchtigt werden. Die Haltestelle Universitätsstraße wird weiter geplant. Am Heumarkt sollen die Straßen so geführt werden, dass Bahnfahrer besser umsteigen können. Auf dem Neumarkt soll es keinen Autoverkehr mehr geben. Ab Rudolfplatz bis zum Aachener Weiher soll die Stadtbahn in beiden Richtungen über die Richard-Wagner-Straße fahren und die Aachener Straße zur Fahrradstraße werden, aber weiterhin für Anlieger und Lieferanten mit dem Auto erreichbar sein.

Warum sollte sich die SPD darauf einlassen?

Weil in einem zweiten Antrag die Idee eines Metrolinien-Netzes für Köln aufgegriffen wird, eine der Kernforderungen, die im Paket des Tunnelbündnisses enthalten sind. Über diesen Antrag soll der Stadtrat in der Sitzung am 3. April entscheiden. Diese Metrolinien sollen auf eigenen Trassen fahren und überall Vorfahrt haben – auch vor anderen Linien beim Einfädeln ins KVB-Netz. Dass diese Metrolinien in der Innenstadt durch einen Tunnel geführt werden können, wird nicht ausgeschlossen.

Was sagen die Grünen zum gemeinsamen Antragsentwurf?

„Sollte das Metrolinien-Konzept, das ich für gut halte, auf einen Tunnel hinauslaufen, der in der Innenstadt eine Verknüpfung zum Heumarkt hat und durchs Belgische Viertel verläuft, wird der einen anderen Weg nehmen als die oberirdische Variante der Ost-West-Achse“, sagt Fraktionsgeschäftsführer Lino Hammer. „Das wäre dann aber auch ein anderes Verkehrsmittel mit weniger Stopps, das einen echten Zeitgewinn bringt.“

Wo steht die SPD in den aktuellen Diskussionen?

Zwischen den Fronten. Da die Fraktion um ihren Vorsitzenden Christian Joisten eine Mischung aus oberirdischem Ausbau und einer Tunnellösung präferiert, versucht sie sich als Brückenbauer zwischen dem Tunnelbündnis und den Grünen mit ihrem oberirdischen Ausbauwunsch. Man stehe aber zu dem gemeinsamen Antrag mit CDU und FDP, der eine große Lösung samt Tunnel unter dem Rhein hindurch und Metronetz vorsieht, sagte Joisten am Dienstag.

Aus SPD-Kreisen ist allerdings auch zu hören, dass aktuell die Telefone heiß laufen. Es werde geredet, verhandelt, gestritten. Die Förderfähigkeit und eine breite Mehrheit stehen ganz weit oben auf der Wunschliste der Partei für den Ausbau der Ost-West-Achse. Daher werden auch weiterhin Gespräche mit den Grünen geführt. Der von der Verwaltung geplante Tunnel wird von den SPD-Ratsmitgliedern gern mal als „Stummel-Tünnelchen“ bezeichnet, er allein würde der SPD nicht reichen.

Christian Joisten sagt: „Wir sind weiterhin der Meinung, dass wir auf der Ost-West-Achse vier statt der aktuell zwei Gleise brauchen. Anders ist eine wirkliche Kapazitätserweiterung nicht machbar.“ Und vier Gleise seien nun mal nur mit einem Tunnel realisierbar. Da die Deutzer Brücke und der Heumarkt das Nadelöhr seien, müsse dieser Tunnel unter dem Rhein durchführen. Und natürlich müsse eine unterirdische Lösung auch unter der Inneren Kanalstraße hindurch verlaufen.

Protestkundgebung vom „Bündnis Verkehrswende Köln“ gegen die Tunnellösung Ost-West-Achse am 12. Dezember 2024 vor dem Rathaus.

Protestkundgebung vom „Bündnis Verkehrswende Köln“ gegen die Tunnellösung Ost-West-Achse am 12. Dezember 2024 vor dem Rathaus.

Dass am Donnerstag nun wirklich über den Ausbau der Ost-West-Achse abgestimmt wird, hält manch einer in der SPD für sehr unwahrscheinlich. Noch sind zu viele Details ungeklärt und mögliche Kompromisslinien nicht ausgereift. Mit einer Abstimmung erst in der nächsten Ratssitzung am 3. April würde das Zeitfenster für eine fristgerechte Beantragung der Fördermittel des Landes immer kleiner. Deshalb wird auch schon über eine mögliche Sondersitzung des Rates nach Karneval gemunkelt.

Wird es im Stadtrat am Donnerstag zur Abstimmung kommen?

„Wir können das nicht mehr vertagen. Uns läuft die Zeit davon“, sagt Hammer. „Der Förderantrag muss spätestens am 31. Juli gestellt werden. Man kann von der Verwaltung nicht erwarten, dass sie bis dahin weiter zweigleisig, also die oberirdische und die unterirdische Variante plant“, so Hammer. „Es wird schon jetzt ein Ritt auf der Rasierklinge, das alles bis dahin fertig zu kriegen. Wenn wir jetzt nicht entscheiden, ist der gesamte Ausbau der Linie 1 zwischen Bensberg und Weiden-West gefährdet.“

Wie sieht der Fahrplan für Donnerstag aus?

Der Verkehrsausschuss soll am Morgen über die Anträge von Grünen und SPD abstimmen, am Nachmittag muss dann der Stadtrat entscheiden. Beide Fraktionen kämen zusammen mit Volt, Linke, Klimafreunde und Gut sowie der Einzelmandatsträger Thor Zimmermann auf eine klare Mehrheit von 58 Stimmen.

Wie steht die Oberbürgermeisterin, die sich immer für den Tunnel ausgesprochen hat, zu diesem Vorschlag?

Nach Informationen unserer Zeitung hat Henriette Reker bei der Geschäftsführung des Zweckverbands go.Rheinland nachgefragt, ob die große Lösung des Tunnelbündnisses tatsächlich zu einer jahrelangen Verzögerung des gesamten Projekts führen könnte. go.Rheinland ist für die bedarfsgerechte Investitionsförderung des öffentlichen Personennahverkehrs verantwortlich.

Welche Rolle spielt bei diesem neuen Szenario die Tatsache, dass sowohl Tunnel-Befürworter als auch Tunnel-Gegner auf die Stimmen der AfD angewiesen sein könnten?

Für Grüne und SPD ist das ein entscheidendes Kriterium. CDU und FDP hingegen argumentieren, dass man gemeinsam mit den Sozialdemokraten auf eine relative Mehrheit komme. Fakt ist aber: Wenn alle 90 Ratsmitglieder und die Oberbürgermeisterin anwesend sind, könnte auch für die Befürworter der großen Tunnellösung der Fall eintreten, dass sie auf eine AfD-Stimme angewiesen sind.