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Trauerfeier in KölnMehrere Hundert Menschen nehmen Abschied von Gerhart Baum

Lesezeit 4 Minuten
Trauerfeier für den ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum in der ehemaligen Klosterkirche Heilig Kreuz in Köln.

Trauerfeier für den ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum in der ehemaligen Klosterkirche Heilig Kreuz in Köln.

Trauergäste aus Politik, Kultur und Kölner Stadtgesellschaft haben gemeinsam mit der Familie Gerhart Baums Abschied von dem FDP-Politiker genommen.

Zwei Rosen in den Kölner Farben, rot und weiß. Gerhart Baums Witwe Renate Liesmann-Baum und seine Tochter Julia legen die beiden Blumen zu Beginn der Trauerfeier für den ehemaligen Bundesinnenminister, großen Liberalen und engagierten Kölner auf den ansonsten schmucklosen hellbraunen Sarg. Große Kränze vom Bundesbundespräsidenten und vom Bundeskanzler daneben sind Ausdruck der Reverenz vonseiten des Staates für die Lebensleistung des FDP-Politikers, der am 15. Februar im Alter von 92 Jahren starb.

Zusammen mit Baums Angehörigen sind mehrere Hundert Trauergäste aus Politik, Kultur und Stadtgesellschaft gekommen, um Abschied zu nehmen. Unter ihnen sind die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne), der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei und Medienminister Nathanael Liminski (CDU), Kölns OB Henriette Reker, der gerade zurückgetretene FDP-Generalsekretär und frühere Bundesjustizminister Marco Buschmann, der Vorsitzende der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, Burgtheater-Intendant Stefan Bachmann und seine Frau, die Schauspielerin Melanie Kretschmann, der Schriftsteller Navid Kermani, „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer und Moderatorin Bettina Böttinger.

Gerhart Baums Witwe Renate Liesmann-Baum legt eine rote Rose auf den Sarg ihres Mannes.

Gerhart Baums Witwe Renate Liesmann-Baum legt eine rote Rose auf den Sarg ihres Mannes.

Die Gedenkrede hält die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, wie Baum selbst „liberales Urgestein“. Anschließend kommen in fünf Statements die Familie, Freunde und politische Wegbegleiter mit teils sehr persönlichen Erinnerungen an den Verstorbenen zu Wort.

Baums Leidenschaft als Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie; seine Liebe und der Einsatz für die Kultur als Elixier seines wie auch des gesellschaftlichen Lebens; seine unbändige Energie und seine Streitbarkeit in der Verteidigung von Menschenwürde und bürgerlichen Rechten – diese roten Fäden werden in allen Reminiszenzen zu einem starken Band der Hochachtung und der Bewunderung, der Dankbarkeit und der Versicherung, Baums Vermächtnis lebendig zu halten. „Er wünschte sich so sehr, dass der Strom der Geschichte in die richtige Richtung fließt“, sagt Leutheusser-Schnarrenberger zum Ende ihrer Ansprache und fährt fort: „Danke, lieber Gerhart, wir werden dich nicht enttäuschen.“

Für Smalltalk hatte Gerhart Baum keine Zeit. Dazu fand er die Welt zu interessant.
Gerhart Baums Neffe Peter Schantz

Baums Neffe Peter Schantz, der an der Seite seines Onkels in mehreren Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht für die Wahrung von Bürgerrechten stritt, schildert ihn als einen stets vor Motivationskraft, Ideen und Neugier sprühenden Geist. Mit „Peter, wie siehst du die Lage?“ habe er üblicherweise die Gespräche eröffnet – und mit „Was ist jetzt zu tun?“ beschlossen. Für Smalltalk hatte Baum keine Zeit. „Dazu fand er die Welt zu interessant.“

Der Komponist und Musiker Manos Tsangaris bringt Baums Besorgnis angesichts der Bedrohungen zum Ausdruck, die derzeit von der US-Führung unter Donald Trump ausgehen, aber auch von Extremisten und Feinden der Freiheit im eigenen Land. Buchstäblich bis in seine letzten Tage sann Baum auf Möglichkeiten und Formen der Gegenwehr. Mit dem Bild vom Jongleur, der behände viele Bälle gleichzeitig in der Luft hält, ruft auch Tsangaris Baums rastlos-vielgestaltiges Engagement auf. „Er hatte das Bedürfnis, sich nicht zu langweilen“, und: „Es musste immer schnell gehen.“

Meinungsverschiedenheiten mit seiner Partei schreckten ihn zwar nicht ab, aber sie schmerzten ihn sehr.
Nathanael Liminski (CDU), Chef der NRW-Staatskanzlei, über Gerhart Baum

Liminski beschreibt sich selbst im Rückblick als einen „Komplizen“ Baums bei parteiübergreifenden Projekten und Initiativen – wie der „Bosbach-Kommission“, mit deren Hilfe die frühere CDU/FDP-Regierung Nordrhein-Westfalens unter Ministerpräsident Armin Laschet zu einem ausbalancierten Verhältnis von Freiheit und Sicherheit gelangen wollte. Baum entschied sich gegen den Co-Vorsitz an der Seite des CDU-Innenpolitikers Wolfgang Bosbach und drehte lieber im Verborgenen an den Stellschrauben – orientiert an der Sache, so Liminski, und „schlau in der Umsetzung“. Ein „Husarenstück“ Baums sei die Durchsetzung von Stipendien für Kulturschaffende in der Zeit der Corona-Pandemie gewesen – gemäß einem Credo Baums: Kultur ist Freiheitsausübung. „Wenn ein Gerhard Baum sich für eine Sache starkmacht, dann bewegt sich auch etwas.“

Was Baum, der oftmals an seiner Partei litt, wohl zum Ergebnis der Bundestagswahl mit dem Ausscheiden der Liberalen aus dem Parlament gesagt hätte? Er hätte es, glaubt Liminski, „sehr bedauert, ich tue es auch“. Meinungsverschiedenheiten mit seiner Partei „schreckten ihn zwar nicht ab, aber sie schmerzten, sie beschäftigten ihn sehr“, sagt der CDU-Politiker über den FDP-Mann durch und durch.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (links), ehemalige Bundesjustizministerin, und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker in der Trauerfeier für den verstorbenen FDP-Politiker Gerhart Baum.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (links), ehemalige Bundesjustizministerin, und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker in der Trauerfeier für den verstorbenen FDP-Politiker Gerhart Baum.

Dass selbst in einer Trauerfeier, musikalisch virtuos umrahmt von Frank-Peter Zimmermann (Violine) und dem Vokalensemble der Kölner Dommusik unter Eberhard Metternich, die heiteren Momente nicht fehlen, hätte Baum bestimmt gefallen. Henriette Reker schildert, wie Baum ihr 2015 als Kandidatin für das OB-Amt in einem langen Gespräch am Esstisch auf den Zahn fühlte. „Ich kam mir vor im dritten Staatsexamen.“ Dann Baums Urteil: „Sie sind meine Kandidatin.“ Es sei ja nun auch keine andere in Sicht. Und mit den „Unzulänglichkeiten“ werde man halt leben müssen. Kommentar Reker: „Ich fühlte mich – ermutigt.“

Was sie seitdem an Baum als Ratgeber in verschiedenen schwierigen Situationen geschätzt habe, sei diese Art der Zugewandtheit „in vollkommener Aufrichtigkeit.“ Hörbar ergriffen schließt Reker: „Köln, unser Land und ich persönlich werden ohne Gerhart Baum auskommen müssen, aber nicht ohne sein Vermächtnis.“ Vor dem Sarg stehend, wirft Reker dem Verstorbenen eine Kusshand zu. Als letzten Gruß.