Nach einer Gesetzesreform 2020 sollten Universitäten ihre neuen Psychologie-Studiengänge anerkennen lassen. An der Uni Köln ist das bis heute nicht passiert – mit fatalen Konsequenzen für Studierende.
Uni stellte keinen AntragKölner Psychologie-Studenten werden an anderen Unis disqualifiziert
Anna Schneider (Name geändert) hatte einen genauen Plan. Nach dem Bachelor für Psychologie an der Universität Köln, den sie mit 1,5 bestanden hat, sollte nahtlos der neue Master zur Klinischen Psychologie und Psychotherapie draufgesattelt werden. Danach: Weiterbildung im Bereich Verhaltenstherapie. Arbeiten. Helfen. Geld verdienen. Bis dahin Plan. Dann der Traum: Vielleicht irgendwann eine eigene Praxis.
Aber nun steckt Schneider fest. Auch der Plan beginnt zu verschwimmen, sich zu einer Hoffnung zusammenzuschmelzen. Denn so reibungslos, wie sich die 27-Jährige das mit dem Wechsel zum Master vorgestellt hat, will das nun nicht gelingen. Bei 23 Universitäten in ganz Deutschland hat sie sich beworben, denn Schneider weiß: Der Andrang ist groß. Allein an der RWTH Aachen kommen laut Uni 800 Bewerberbungen auf 45 Studienplätze. Es hagelt Absagen. Dass die Universitäten Marburg, Freiburg, Chemnitz, Erlangen-Nürnberg und das Saarland Schneider nicht zum neuen Master zulassen wollen, hat aber nicht etwa den Grund, dass ihr NC nicht ausreichend gut wäre: Ihr Kölner Bachelor sei von den Gesundheitsbehörden berufsrechtlich gar nicht anerkannt. Zumindest noch nicht. Schneider wird disqualifiziert.
Hintergrund ist die Modernisierung des Psychologiestudiums. Künftig sollen Studierende mit Bestehen von Bachelor und Master in „Klinische Psychologie und Psychotherapie“ und einem anschließenden Staatsexamen die Approbation beantragen können und damit in der darauffolgenden Weiterbildung in Anlehnung an das Facharztgehalt bezahlt werden. Bislang musste man, um in einer Klinik oder als niedergelassener Therapeut arbeiten zu können, an den Hochschulabschluss noch eine Ausbildung an vorwiegend privaten Instituten dranhängen – die gänzlich unbezahlt war. Mit der Reformierung hatten manche auch die Hoffnung verknüpft, schneller dringend gebrauchte Therapeuten auf den Markt schicken zu können.
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Kölner Studentin wurde an zahlreichen Unis disqualifiziert
Schneider und ihre Studienkolleginnen und –kollegen befinden sich aber nun im Übergang zur neuen Studienordnung. Und die Zahnräder der alten Ordnung wollen nicht so recht in die der neuen passen. Es ruckelt und knirscht. „Die Uni Köln hat uns versichert, dass sich auch die Absolventen des alten Bachelors mit bestimmten Nachqualifizierungen und der dafür ausgestellten Bescheinigung über den voraussichtlichen Abschluss des Studiums und berufsrechtliche Anerkennung des Studiengangs überall in Deutschland für den neuen Master bewerben können“, sagt Schneider gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger.
Nun scheint sich das als Irrtum herauszustellen. Denn viele Universitäten, bei denen sich Schneider beworben hat, winken ab und verschicken Absagen an die Kölner Bewerber. Betroffen ist nicht nur Schneider, sondern ein ganzer Jahrgang von mehr als hundert Studierenden. Das in Köln angekreuzte Kriterium C ihrer mit dem Fakultätentag Psychologie entworfenen Bescheinigung besagt nämlich, dass der Bachelor trotz Nachqualifizierung noch nicht durch die zuständige Gesundheitsbehörde anerkannt ist. „Ich wurde disqualifiziert, weil dem Studiengang in Köln die berufsrechtliche Anerkennung fehlt“, sagt Schneider.
Uni Köln hat es bislang versäumt, Studiengang berufsrechtlich anerkennen zu lassen
Und in der Tat: Obwohl die neue Approbationsordnung mit der dazugehörigen Umstellung der Studiengänge vom Gesetzgeber schon seit dem Jahr 2020 gilt, hat die Uni Köln es laut zuständigem Gesundheitsministerium bislang versäumt, ihre Studiengänge berufsrechtlich entsprechend anerkennen zu lassen. Das Ministerium bestätigt auf Anfrage: „Alle Universitäten in NRW haben die Anerkennung bezüglich der Bachelor-Zugänge beantragt, bis auf Köln und Wuppertal.“ Lediglich in das Akkreditierungsverfahren des Studiengangs, das parallel zur berufsrechtlichen Anerkennung läuft, sei das Ministerium schon eingebunden. „Ein Antrag auf berufsrechtliche Anerkennung liegt uns aus Köln aber bislang noch nicht vor.“
Die Universität Marburg erklärt auf Anfrage dieser Zeitung die Ablehnung der Kölner Studenten wie folgt: „Die Landesbehörde von Hessen vertritt hier gemeinsam mit der Universität Marburg die Position, dass jede Universität die letzten drei Jahre genügend Zeit hatte, die neuen Studiengänge offiziell anzuerkennen durch ihre Landesbehörden, und deshalb provisorische Selbstbescheinigungen von Universitäten an Stellen, an denen eine offizielle Stellungnahme der Landesgesundheitsbehörde vorliegen müsste, nicht mehr berücksichtigt werden.“ Andere Universitäten in NRW wie Aachen und Bochum hätten die Prüfung frühzeitig veranlasst und seien bereits anerkannt, weshalb die Studierenden dieser Unis nicht betroffen seien. Auch alle betroffenen Bachelor-Studiengänge in Hessen sind nach Auskunft des Hessischen Landesamts für Gesundheit und Pflege berufsrechtlich anerkannt. „Warum es gerade an der Universität zu Köln zu dieser mehr als 3-jährigen Verzögerung in der Anerkennung kommt, ist uns nicht bekannt“, heißt es bei der Uni Marburg.
Die Kölner Universität schreibt auf Anfrage, sie habe in den vergangenen Wochen von etwa zwölf Studierenden erfahren, die von Zulassungsproblemen an anderen Unis berichteten. Die Humanwissenschaftliche Fakultät zeigt sich darüber „verwundert“, schließlich sei die berufsrechtliche Anerkennung lediglich „optional“. Die Landesbehörde könnte hierüber nämlich auch in einer Einzelprüfung entscheiden. Man habe den Studenten mit dem Zeugnis eine mit dem Fakultätentag Psychologie abgestimmte Bescheinigung ausgestellt, in der die Konformität mit den Vorgaben der Approbationsordnung bestätigt wird. Im vergangenen Jahr gab es mit der Bescheinigung „nach unserem Wissen keine Probleme bei der Zulassung zum Masterstudiengang“. Dass Nachteile für Studenten entstehen, sei „nicht absehbar“ gewesen. Der Fakultätentag bestätigt auf Anfrage eine Mustervorlage für die Universitäten erstellt zu haben, weist aber auch darauf hin, dass das Formular primär dem vereinfachten Informationsaustausch diene. Rechtlich bindend, so sagt auch das Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege sei es nicht.
Nun will die Uni Köln den Schaden begrenzen. Man nehme bereits Kontakt mit den ablehnenden Unis auf, um abzuhelfen. Die betroffenen Studierenden erhielten eine detailliertere Gegenüberstellung der Lehrinhalte mit den Vorgaben der Approbationsordnung, aus der hervorgeht, welche der geforderten Inhalte in welchem Umfang durch die jeweiligen Module abgedeckt sind. „Wir hoffen auf diese Weise eine Lösung zu finden, die unseren Absolvent*innen die Fortführung des gewünschten Studiums möglich macht“. Zudem wolle man rasch die erforderlichen Schritte zur Anerkennung des bisherigen Bachelors einleiten. Ein Antrag sei „noch im September“ geplant.
Verfahren zur Anerkennung ist aufwändig
Eine allzu schnelle Lösung sieht das Gesundheitsministerium allerdings nicht. „Das Verfahren ist leider relativ aufwändig. Die Universitäten müssen umfangreiche Unterlagen vorlegen, die das Ministerium sichten muss. Die Curricula und Prüfungsordnungen müssen mit den gesetzlichen Vorgaben abgeglichen werden. Manchmal werden nach einer ersten Prüfung noch Anpassungswünsche an die Universität zurückgemeldet, die dann noch erfüllt werden müsse. Das kann dauern“, sagt man beim Ministerium. Mit einem halben Jahr bis zur Anerkennung sei mindestens zu rechnen, allerdings kann die berufsrechtliche Anerkennung in NRW auch rückwirkend zum Start eines Studiengangs ausgesprochen werden.
Anna Schneider will so lange nicht warten. „Natürlich könnte ich erstmal als Werkstudentin arbeiten und mich nächstes Jahr nochmal bewerben. Aber das bedeutet ja auch finanzielle Einbußen, weil ich dann bis zum ersten richtigen Gehalt nochmal ein Jahr verliere.“ Sie hofft deshalb darauf, im Nachrückverfahren mit ihrem hohen NC bei der Uni Köln noch angenommen zu werden. Auch in Wuppertal rechnet sie sich Chancen aus, dort hat das Hauptverfahren zur Studienplatzvergabe noch gar nicht begonnen. Außerdem will sie sich rechtlich beraten lassen. „Wenn ich wegen der fehlenden Anerkennung gar keinen Studienplatz für klinische Psychologie bekomme, würde ich auch den Klageweg in Erwägung ziehen.“