Veedels-CheckDie „Schlafstadt“ Blumenberg wächst langsam zusammen
Lesezeit 3 Minuten
Köln – Wann immer Stefan Yeh in größerer Runde erzählt, dass er in Blumenberg wohnt, erntet er bei Kölnern aus anderen Stadtteilen ratlose Mienen. „Die meisten wissen gar nicht, dass es Blumenberg überhaupt gibt“, sagt Yeh, der sich als Schatzmeister in der Interessengemeinschaft Blumenberg engagiert. Neben der nördlichen Randlage dürfte dafür vor allem der augenfälligste Rekord des Quartiers verantwortlich sein: Blumenberg ist das jüngste Viertel der Stadt. Zwar wurde der Bau bereits 1963 geplant und beschlossen, doch erst 1986 rollten hier die ersten Bagger an.
Bettina Meibert wohnt seit 1991 in Blumenberg und kann sich noch gut an die wilde Pionierzeit erinnern. „In der Langenbergstraße standen schon ein paar Häuser, aber ansonsten haben wir hier über Kamillenfelder geblickt“, sagt sie. Sie gehörte damals zu einer städtisch geförderten Baugruppe mit zwölf Parteien, die einen recht hohen Anteil an Eigenleistung erbringen und entsprechend mit anpacken mussten. „Und dazu waren noch der Job und die Kinder unter einen Hut zu bringen. Ich glaube, ich habe niemals mehr so viel gearbeitet wie in diesem Jahr.“ Stolz ist sie nach wie vor darauf, den ersten Nagel in ihren Dachstuhl eingeschlagen zu haben.
Diese Zeiten sind nun schon lange vorbei, heute zeigt das von Ein- und Mehrfamilienhäusern geprägte Viertel das adrette Erscheinungsbild einer Siedlung, an der der Zahn der Zeit noch kaum Spuren hinterlassen hat. Charakteristisch, vor allem für die Mehrparteienhäuser um den zentralen Boulevard herum, der über dem S-Bahn-Tunnel verläuft, sind die roten Backsteinfassaden.
Weithin sichtbar ragt der Turm der 2003 erbauten Kirche St. Katharina von Siena über die Dächer hinaus; 2006 erhielt das Gotteshaus im Rahmen des Kölner Architekturpreises eine Anerkennung. In der den nördlichen Ortskern umgebenden Langenbergstraße findet sich auch eine weitere Rekordhalterin des Viertels – die älteste Ökosiedlung Kölns.
Multikulturell geprägt
Ähnlich wie das benachbarte Chorweiler ist Blumenberg heute ein multikulturell geprägtes Viertel: Über 60 Prozent der gut 6000 Einwohner haben einen Migrationshintergrund. Vera van Beveren schätzt die Vielgestaltigkeit des Veedels. „Nachdem ich meine Wohnung im Kölner Westen aufgegeben habe, bin hier hin gezogen, ich mag das“, sagt sie. Ungeachtet ihres Alters von 88 Jahren engagiert sich die ehemalige Journalistin als Pressesprecherin in der IG Blumenberg, die zu kulturellen Veranstaltungen und gemeinsamen Aktionen wie Radtouren einlädt, Kölle putzmunter initiiert, an einem jährlichen Nachbarschaftsfest teilnimmt und damit auch an den zarten Anfängen eines Wir-Gefühls arbeitet.
„Das gibt es hier noch nicht. Wir sind eben eine Schlafstadt, die Leute arbeiten und leben woanders“, stellt der IG-Vorsitzende Johannes Petrikowski unumwunden fest. Zwar gebe es einzelne Grüppchen, wie eine vietnamesische Community oder die Bewohner der Ökosiedlung, doch sei daraus noch kein Ganzes entstanden. „Wir schielen schon manchmal nach Fühlingen oder Worringen, die gewachsene Orte sind“, so Petrikowski.
Kein Ort der Begegnung
Für das Zusammenwachsen erschwerend kommt hinzu, dass es keinen Ort gibt, an dem sich die Bewohner begegnen könnten – kein Café und keine Kneipe. Im ehemals kinderreichsten Viertel, in dem viele inzwischen das Jugendalter erreicht haben, wird das zunehmend zum Problem – Vandalismus kommt relativ häufig vor. „Für Jugendliche gibt es hier das Blu4Ju, aber sonst nicht viel“, sagt Yeh, „deswegen hängen sie oft vor allem am Bahnhof rum.“
So rächt sich vielleicht auch die isolierte Lage des Stadtteils, denn lange Zeit war die S-Bahnlinie die einzige Verbindungsader zum Rest der Stadt. Inzwischen fährt jedoch eine Buslinie von hier bis Chorweiler, für die die IG vehement, aber auch gegen den Widerstand der KVB-Oberen, gekämpft hat.
Die Randlage hat aber auch ihr Gutes, finden die Blumenberger: Nirgendwo sei man so schnell im Grünen wie hier. „Wir haben den Worringer Bruch direkt vor der Haustür, oder auch das Wasserwerk und den Park“, meint Yeh. „Und trotzdem hat unser Viertel noch dieses urbane Flair.“