Vor 30 Jahren, an Weihnachten 1993, wurde Köln von einem Jahrhundertwasser heimgesucht, die Altstadt und weitere Anlieger-Stadtteile überschwemmt.
Vor 30 JahrenAls Köln im Weihnachtshochwasser versank
Den ganzen Dezember schon hatte es stark geregnet, der Rhein und seine Zuflüsse waren angeschwollen. Reinhard Vogt, damals Leiter der Hochwasserschutzzentrale, warnte die städtischen Ämter, aber nur zögerlich wurden die Spundwände, die einen Schutz bis zu zehn Meter boten, in der Altstadt aufgebaut. Doch die Welle war zu groß. Am Heiligen Abend vor 30 Jahren, dem 24. Dezember 1993, erreicht der Rhein einen Pegelstand von 10,63 Meter, das war so hoch wie seit 1926 nicht mehr. Die Altstadt und andere Stadtteile am Rhein wurden überschwemmt. Für Tausende Kölner wurden es ungemütliche Weihnachten.
Zum Beispiel für das Ehepaar Margit und Erwin Efting auf ihrem Hühnerhof im kleinen Weiler Kasselberg. Kasselberg wird bei Hochwasser stets zu einer Insel, umschlossen vom Rhein und den überfluteten Wiesen. Doch dass das Wasser ins Haus vordringt, das kam so gut wie nie vor. Diesmal aber war es soweit, Heizung und Strom fielen aus. „Wir haben damals im Bad Heiligabend gefeiert, weil da wenigstens noch ein kleiner Heizlüfter lief“, erinnert sich Erwin Efting. Auf die Badewanne wurde ein Brett gelegt und darauf Essen und kleine Geschenke drapiert.
Die Verbindung zum „Festland“ wurde mit kleinen Booten gehalten, die mit Menschen und Versorgungsgütern hin und her fuhren. Da es damals noch keine Handys gab, verständigte man sich mit den Bootsführern, indem man Morsezeichen mit Taschenlampen gab. „Da sah man in der Dunkelheit immer die Lichter aufblitzen. Heute unvorstellbar.“
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Mit einem solchen Boot kamen dann auch Weihnachtsgrüße von den Nachbarn: Blume und eine Flasche Sekt. „Das hat mich sehr gefreut, zu wissen, dass da Menschen an uns denken“, sagt Margit Efting, die aus dem Sauerland stammt und erst ihr zweites Weihnachten im neuen Haus im Kasselberg feierte.
Schaulustige belagerten die Kölner Altstadt
In der Altstadt hatten derweil die Gastronomen alle Hände voll zu tun, ihre Einrichtung in die oberen Etagen zu schaffen. In den schmalen Gassen waren Stege aufgebaut worden, man stieg aus dem Fenster, um auf sie zu gelangen. Allerdings kamen nach der bundesweiten Berichterstattung über das überflutete Köln immer mehr Schaulustige und versperrten den Weg auf den schmalen Stegen.
Wilhelm H. Wichert, damals noch nicht lange Chef des „Haxenhaus“ und hochwasserunverfahren, erinnert sich, dass er am 20. Dezember seinen Verpächter angerufen hatte, was denn da blühen würde. Der beruhigte noch: „Also, Jong. Dat es esu: Wenn dat Wasser über die Schutzwand schwappt, dann ist der Pegel üver de zehn Meter. Dann dauert et nur ein paar Minuten, bis das Wasser zuerst in den Keller und dann in et Restaurant kütt. Ever keine Angst, dat kütt nur bis an de Knie, nit höher.“
Wie konnte Köln so vom Hochwasser überrumpelt werden?
Doch als der Rhein von Stunde zu Stunde stieg, lieh sich Wichert vorsichtshalber ein Schlauchboot. Es gehörte der Tochter eines Bekannten und hatte ein Muster mit Blümchen und Entchen. Als das Wasser weiter stieg, kaufte Wichert ein großes Schlauchboot und taufte es „MS Rheingarten“. „Wir mussten uns ganz flach in unser Boot legen, um unter dem Rahmen der Tür zum Buttermarkt durchzukommen.“ Wichert behielt seinen Humor, seine Fahrten mit dem Schlauchboot durch sein Lokal wurden durch TV- und Presseberichterstattung legendär. „Die kleine Runde ging um den Kronleuchter, die große bis zur Treppe.“ Doch so richtig spaßig war es nicht. Es war bitterkalt und die Hochwasserbrühe zerstörte alles. Irgendwann sank das Wasser. Zurück blieben Tonnen von Müll. Und wochenlang musste alles wieder hergerichtet werden.
Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass Köln so überrumpelt wurde? Reinhard Vogt von der Hochwasserschutzzentrale ahnte die Katastrophe und berief Sitzungen mit allen Verantwortlichen der Stadt ein. „Bei manchen schien aber das Weihnachtsfest im Vordergrund zu stehen“, erinnerte er sich später in einer WDR-Dokumentation.
Auch der ehemalige Polizeichef Winrich Granitzka hatte den Eindruck, dass die Ämter den dringenden Warnungen von Vogt nur wenig Glauben schenkten. Vogt selbst drückte es so aus: „Die meisten glaubten: Der Vogt spinnt.“ Schließlich schickte er einen VW-Bulli mit Lautsprecher in die gefährdeten Straßen, und es wurden Warnplakate aufgehängt. Mehr war damals nicht möglich.
Das nächste große Hochwasser in Köln kam schon 1995
Es dauerte keine zwei Jahre, bis die Altstadt erneut überflutet wurde. Im Januar 1995 erreichte der Wasserstand die Marke von 10,69 Meter, also sechs Zentimeter mehr als 1993. Danach ging es endlich voran mit dem Hochwasserschutz. 1996 wurde im Rat parteiübergreifend ein Konzept beschlossen. 430 Millionen Euro sind seit der Flut vor 30 Jahren investiert worden. Köln gilt heute als wegweisend in Sachen Hochwasserschutz.
Wichtiger Bestandteil sind die insgesamt elf Kilometer lange mobilen Wände, die im Ernstfall auf Mauern und Fahrradwege am Ufer montiert werden. Es gibt regelmäßig Übungen, bei denen das geprobt wird. Es wurden Pumpanlagen gebaut, Deiche erhöht und Rückhalteflächen ausgewiesen, die nicht bebaut werden dürfen.
Der Normalwasserstand des Rheins bei Köln liegt bei 3,21 Meter. Die Hochwasserschutzwände in der Altstadt halten das Wasser bis zu 11,30 Meter. Über 11 Meter Kölner Pegel gab es seit über 250 Jahren nicht mehr. Dass Kasselberg bei Hochwasser eine Insel wird, ist allerdings nicht zu verhindern. Die kleine Häusergruppe ist bereits bei 8,50 Meter vom Wasser umschlossen und wird dann mit Unimogs versorgt. Wenn der Pegel weiter steigt, müssen wie vor 30 Jahren Boote von DLRG oder THW eingesetzt werden. Aber heute gibt es Handys, und der Strom ist auch gesichert.