Köln – Immer diese Agrippina. Vielleicht noch Edith Stein. Hilde Domin. Trude Herr. Wenn überhaupt. Und dann ganz lange Zeit nichts. Werden Kölner und Kölnerinnen nach berühmten Frauen der Stadtgeschichte gefragt, ist das Gespräch meist kurz. „Das hängt mit fehlendem Wissen und Erinnerung zusammen“, sagt Irene Franken.
Stadtgründerin Agrippina werde zudem den Ruf der brutalen Giftmischerin nicht los. „Dabei war sie nicht mehr oder weniger brutal als ihre männlichen Zeitgenossen ihrer Schicht. Bei den Männern wird das aber nicht so betont wie bei ihr als Frau.“
Die Historikerin und Stadtführerin nennt das den „Agrippina-Mythos“. Anlässlich des Weltfrauentages am kommenden Sonntag lenkt sie den Blick auf unpopuläre Kölnerinnen der Geschichte. Frauen, die kaum bekannt sind – aber für ihre Zeit Bemerkenswertes vollbracht haben.
Theologin Ina Gschlössl
Treffpunkt ist die Kartäuserkirche. Hier wirkte die erste von drei Frauen, an die Franken stellvertretend erinnern möchte: Ina Gschlössl (1898-1989) war Theologin, Vikarin in der Südstadt-Gemeinde und Vorkämpferin für die Zulassung von Frauen zum evangelischen Pfarramt.
„Sie kämpfte mit zwei Vereinigungen, zum Teil recht radikal für ihre Zeit, für das Recht, auch predigen zu dürfen und für Zugang zu allen Sakramenten.“ Leider erfolglos, so lange sie aktiv blieb. Pfarrerinnen wurde erst 1975 zugelassen. Da war die Nippeserin schon pensioniert. Zudem positionierte sie sich ganz früh gegen Rassismus. In ihrem Religionsunterricht kritisierte sie bereits 1933 Adolf Hitler so sehr, dass sie daraufhin vom damaligen Oberbürgermeister Günter Riesen vom Dienst suspendiert wurde und vier Jahre keine Arbeit mehr fand.
Forscherin Sibylle Mertens-Schaaffhausen
Mut bewies für Irene Franken auch Sibylle Mertens-Schaaffhausen (1797-1857). „Sie war für ihre Zeit eine unglaublich gebildete und autonom denkende Frau.“ Die als „Rheingräfin“ titulierte bürgerliche Frau war in einer arrangierten Ehe gefangen, lebte daneben aber eine Beziehung mit Adele Schopenhauer und erwarb im Selbststudium – Frauen war das Studieren noch nicht gestattet – große Kenntnisse der Antike, Archäologie und Stadtgeschichte.
Bei Grabungen in Italien entdeckte sie wichtige Funde aus der römischen Geschichte wie Teile eines Amazonen-Frieses. Indem sie als Stadtführerin Gelehrten und Wissenschaftlern den Dom zeigte, trieb sie dessen Weiterbau voran. Nur dank ihres diplomatischen Geschicks konnte Ferdinand Freiligrath den Rolandsbogen in Bonn retten. Dem Dichter wird dort auf einer Tafel dafür gedankt – sie mit keinem Wort erwähnt.
Mit ihren altertumskundlichen Sammlungen zog sie Fachleute aus ganz Europa an und wurde mit der Zeit selbst zu einer überaus gefragten Spezialistin. Als erste Frau wurde sie gebeten, im Deutschen Archäologischen Institut einen Vortrag zu halten. In der Numismatik galt sie ebenfalls als eine Koryphäe.
Frauenrechtlerin Else Falk
Else Falk (1874-1956) stand während der Weimarer Republik 1919 bis 1933 dem Stadtverband Kölner Frauenverein vor. In dieser Position gründete sie ein Haus für verarmte Rentnerinnen sowie einen Verein für „alkoholfreie Gast- und Erholungsstätten“. Damals gab es einen Alkoholzwang in Gaststätten, „was viel zur Gewalt gegen Frauen und Kinder beitrug“, erinnert Franken. Falk schaffte Kühlwagen an, die fortan Säfte und Milch zu Veranstaltungen und vor öffentliche Gebäude fuhren. So entstand etwa die erste und zentrale Mensa der Universität Köln zur Erfrischung („E-Raum“) in der Claudiusstraße.
Während des Ersten Weltkriegs ging Falk in die Politik. Sie trat der „Nationalen Frauengemeinschaft“ bei und organisierte die sogenannte Heimatfront, indem sie Nahrungsmittelbeschaffung und -verteilung koordinierte, Arbeitsstätten für verwundete Soldaten suchte, aber auch eine Blindenbibliothek für sie gründete.
1932 unterstützte sie als Jüdin eine Petition gegen Hitlers Wahl zum Reichskanzler. Die Müttervereine wurden schließlich arisiert. Falk emigrierte nach Brüssel, dann nach Südamerika. Für Irene Franken agierte sie damit vorbildlich. „Sie schloss als Linksliberale sachbezogene Bündnisse mit anderen Parteien.“ Ohnehin hätten Ratsfrauen damals „viel frauensolidarischer miteinander agiert“. Es schwingt dabei Bedauern in ihrem Ton mit.