Köln – Was ein Triell ist, weiß in Deutschland inzwischen fast jeder, Annalena Baerbocks Lebenslauf ist so bekannt wie Armin Laschets Kichern im Katastrophengebiet oder Olaf Scholzens ewiges Mönchslächeln. Janine Wissler ist weniger bekannt. „Wer ist denn das?“, fragt eine junge Frau, die spontan stehen bleibt und klatscht, als Wissler auf dem Chlodwigplatz nach einem bundesweiten Mietendeckel ruft und fordert, große Konzerne wie Amazon „endlich zur Kasse zu bitten“.
Janine Wissler ist Co-Vorsitzende der Partei Die Linke und am späten Dienstagnachmittag vor dem Severinstor nicht zu überhören. Weil sie nicht nur laut, sondern auch eindringlich und rhetorisch versiert spricht, füllt sich der Platz mit einigen Hundert Menschen, während sie zu einem Rundumschlag gegen die Schwarz-Rote-Bundesregierung und soziale Ungerechtigkeit ausholt.
Mindestlohn und Rentenerhöhung
Wissler prangert den Pflegenotstand an und den Umstand, dass „Krankenhäuser in Deutschland Renditeobjekte“ seien, sie fordert die Abschaffung von Leiharbeit, einen Mindestlohn von 13 Euro und höhere Renten, sie erinnert an marode Schulen, Alters- und Kinderarmut, sie kritisiert, dass die Bundesregierung noch bis vor kurzem Menschen nach Afghanistan abgeschoben habe. Sie will die Menschen mit jeder Kritik und jeder Forderung überzeugen, dass ihre Partei die wahre Partei für soziale Gerechtigkeit sei, die „für einen sozialen und ökologischen Umbau sofort“ stehe.
Köln ist so etwas wie eine Hochburg der Linken: Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren erreichte die Partei hier 11,5 Prozent, 50 Prozent mehr als bei der Wahl 2013. 63.324 Kölnerinnen und Kölner wählten 2017 Die Linke. Matthias W. Birkwald zog über die Landesliste in den Bundestag ein, über seinen Listenplatz 2 wird er das wieder tun – sofern die Linke, aktuell in Umfragen bei sechs Prozent, erneut in den Bundestag einzieht.
Bekanntheitsgrad gesteigert
In der Südstadt spricht Wissler nicht über jene Standpunkte, die dazu führen, dass Teile der SPD und der Grünen die Linke für nicht koalitionsfähig halten. Sie spart die Forderung nach einem Nato-Austritt aus, sie spricht auch nicht über ihre grundsätzlichen Zweifel am Kapitalismus.
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Lieber fordert sie „einen Politikwechsel“, den das Land „dringend nötig“ habe und erklärt kurz und bündig ihre Farbenlehre: Mit der FDP könnten SPD und Grüne weder ihre ehrgeizigen Klimaziele noch eine Mindestlohnerhöhung durchsetzen, sagt sie. Auch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer wäre mit der FDP nicht zu machen. „Das wäre doch Wählerbetrug mit Ansage!“
Bei vielen Menschen auf dem Chlodwigplatz, die wegen ihr gekommen sind, punktet Wissler mit ihrer Rede. Ein paar mehr Leute wissen in Köln jetzt auch, wer sie ist.