Köln – Um die Mittagszeit an einem normalen Wochentag sieht die Zülpicher Straße ganz friedlich aus. Geschäftsinhaber halten vor der Tür ein Schwätzchen, Passanten schauen sich die Auslagen in den Modelädchen an, Kundinnen sitzen beim Friseur. Doch wie ein Schleier liegt die Erinnerung an die Auswüchse an den Karnevalstagen über der Straße, die es sogar mit einem Foto bis in die „New York Times“ geschafft hatte. Wir haben die Ladenbesitzer an der Feiermeile gefragt, die auch massiv betroffen sind, wie es nun weitergehen soll. Genervt sind alle – doch die Antworten fallen differenziert aus.
Friseurin Stephanie Ilhan färbt gerade einer Kundin die Haare in ihrem kleinen Salon „Tinkhaar“. Auch sie muss an Karneval regelmäßig Urin aus ihrem Eingang entfernen, diesmal wurde auch ein Feuerlöscher im Flur entleert. „Aber dass ich über Karneval generell schließen muss, das wurde schon beim Unterzeichnen des Mitvertrags vor fünf Jahren besprochen. Ich wusste, was da kommt.“ Aber sie findet: „Die jungen Leute brauchen eine Feierstraße. Irgendwo müssen sie doch hin.“ Die Stadt sollte mehr Personal einsetzen und mehr Dixieklos aufstellen.
Tara Kamps, Inhaberin des Modeladens „Tausend fliegende Fische“, ist doppelt betroffen: Ihr Geschäft hat gleich zwei Hotspot-Eingänge – einen an der Roonstraße und einen an der Engelbertstraße. Unter ihren Türen läuft regelmäßig „die Pisse“ rein. Bei „normalem“ Karneval konnte sie noch donnerstags öffnen, das war diesmal nicht drin.
Am Samstag dann kamen ständig Leute in den Laden, die fragten, ob sie auf die Toilette gehen dürften. Nach Karneval habe es draußen tagelang nach Urin gestunken. „Warum macht das keiner sauber? Da wünscht man sich sogar, dass es regnet.“
Sie sagt aber auch: „Wohin sollen die Leute auch gehen, wenn hier keine Toiletten aufgestellt sind?“ Man dürfe das Viertel nicht so „krass volllaufen lassen“, sondern müsste mehr attraktive Ausweichspots anbieten, zum Beispiel am Aachener Weiher. „Da ist doch der große Biergarten, da könnte man eine coolen Dancefloor einrichten.“
Zülpicher Straße so voll wie nie
Die Filialleiterin der Eschen-Apotheke am Zülpicher Platz berichtet: „Dieses Jahr mussten wir zum ersten Mal an Karneval komplett schließen. Das ist natürlich schlecht für unser Geschäft.“ Direkt vor dem Schaufenster war die Eingangsschleuse – doch sie hat beobachtet, dass dort so gut wie nicht kontrolliert wurde. Gerade weil die Straße gesperrt war, die Bahnen nicht fuhren und es keinen Autoverkehr gab, waren diesmal besonders viele Menschen auf der Zülpicher. „Das war viel schlimmer als sonst. Die Sperrung war eine falsche Entscheidung der Stadt. Und wieso gerade hier? Das hat doch nichts mit Karneval zu tun.“
Ursula Kiel vom „Taschenbuchladen“ möchte eigentlich gar nichts mehr zu dem Thema sagen. „Das ist seit Jahren so und es wird immer schlimmer. Aber es tut sich nichts.“ Die Straße sei auch an einem normalen Wochenende oft der „Ballermann“. „Ich bin dann froh, wenn meine Scheibe noch heile ist.“ Samstagmorgens sei alles voller zerbrochener Flaschen. „Und je mehr drüber berichtet wird, desto mehr Neugierige kommen, um mitzumachen.“
Eva Unverdross sitzt vor ihrem Second-Hand-Modeladen „Entlarvt“ in der Sonne. Auch sie musste an Karneval zum ersten Mal Freitag und Samstag schließen, weil die Straße einfach zu voll war. Aber die Geschäftsfrau, die Karneval liebt und zwei Wochen vorher den ganzen Laden voll Kostüme hat, sagt auch: „Die da feiern, sind nette junge Leute, aber in der Masse wird es schwierig. Vielleicht muss man denen noch zeigen, wie man richtig schön feiert.“ Die Stadt sollte die Organisation in professionelle Hände geben und abwechselnd in verschiedenen Stadtteilen feiern lassen.
Zülpicher Straße wirkt verwahrlost
Respektlosigkeit und Zerstörungswahn – sie zeigt auf herausgerissene Fliesen im Nachbareingang – hängen ihrer Meinung nach auch mit dem ohnehin vernachlässigten Zustand der Straße zusammen. „Die Zülpicher verkommt optisch.“ Das Pflaster sei schmutzig, Löcher im Asphalt würden nicht beseitigt.
Eine häufige Nassreinigung würde zum Beispiel helfen. „Wenn man es schön macht, benehmen sich die Leute auch besser.“ Die Waffenverbots-Schilder findet sie kontraproduktiv. „Da kriegen die Leute Angst und das Viertel gerät in einen Ruf, den es nicht verdient.“