Am Vorabend der neuen Bund-Länder-Runde, in der über die Corona-Maßnahmen beraten wird, ging es auch bei „Anne Will“ in der ARD um die Omikron-Welle. Zu Gast waren Bundesjustizminister Marco Buschmann, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx , Intensivmediziner Uwe Janssens und „FAZ“- Journalistin Helene Bubrowski. „Mit welchem Plan geht Deutschland ins dritte Corona-Jahr?“, wollte die Moderatorin von ihnen wissen.
Angesichts derzeit rasant steigender Infektionszahlen wäre eine Lockerung der Corona-Beschränkungen zu früh. Darin waren sich Janssens, Buyx und Wüst einig. Auch wenn die Intensivstationen derzeit nicht überlastet seien, könne man die weitere Entwicklung nicht genau vorhersehen, so Wüst. Er sprach aber auch von einer „Exit-Strategie“. Unterstützung bekam er in diesem Punkt von Buschmann.
Während Teile der FDP inzwischen Maßnahmen erwarten, die Deutschland aus der Pandemie bringen, äußerte sich der Justizminister im ARD-Talk aber vorsichtiger als seine Parteikollegen: Wenn der Höhepunkt überschritten sei und die Zahlen auch in den Krankenhäusern zurückgingen, müssten die Maßnahmen gelockert werden, sagte er. „Das ist selbstverständlich.“
Journalistin Helene Bubrowski sprach davon, dass die Politik im dritten Jahr der Pandemie immer die selben Fehler mache. Es würden Versprechungen gemacht, die nicht haltbar gewesen seien. Die Ampel sei beispielsweise angetreten und habe die „epidemische Lage“ auslaufen lassen, faktisch sei dies aber nicht geschehen. Auch bei der Impflicht habe Olaf Scholz falsche Erwartungen geweckt.
Besonders kritisierte sie die Situation an den Schulen. Wenn von der Politik gesagt werde, man könne es nicht zulassen, dass die Pandemie einfach durchläuft und sich das Virus ungehindert verbreite, so sehe die Realität an den Schulen aber eben genauso aus. „Es rauscht einfach durch“, sagt Bubrowski und sprach damit vielen Eltern vermutlich aus der Seele. „Diese Kinder infizieren sich in hohem Maße und es gibt quasi gar keinen Schutz“, ärgerte sie sich. Es sei eine krasse Diskrepanz zwischen dem, was kommuniziert werde und dem, was tatsächlich passiere. Sie habe den Eindruck, dass die FDP bei diesen Themen in der Koalition den Ton angebe.
Gegenwind für Buschmann auch beim Thema Impfpflicht
NRW-Ministerpräsident Wüst sprach sich erneut für eine allgemeine Impfpflicht aus. Er meinte, die sei auch ein Zeichen an die Geimpften: „Es geht darum, auch mal den Geimpften und denen, die alles machen, zu zeigen: Wir lassen das nicht weiter zu, dass Menschen ihre individuelle Freiheit über die Freiheit der gesamten Gesellschaft stellen. Jetzt kümmern wir uns um die Ungeimpften.“
Helene Bubrowski sah es kritisch, dass die Ampel-Koalition bei diesem wichtigen Thema nicht einen eigenen Gesetzentwurf im Bundestag vorlegt. Geplant ist, dies im Parlament allein den Abgeordneten zu überlassen. Dies sei ein Einknicken vor der FDP, meinte sie.
Bei der bereits beschlossenen Impfpflicht fürs Pflegepersonal bekam Marco Buschmann heftigen Gegenwind von Mediziner Janssens. Er kritisierte das Prozedere, da die Impfpflicht ohne hinreichende Diskussion und im Schnellverfahren verabschiedet wurde. „Ich hab ab Mitte März Leute, die vielleicht nicht mehr kommen können. Was glauben Sie, wie die sich fühlen?“, empörte sich Janssens.
Vor allem das geimpfte Personal fühle sich jedoch nicht ernst genommen – so müssten die Mitarbeitenden doch meistens ungeimpfte Patienten versorgen. Mit dem Finger werde aber auf die Pflegerinnen und Pfleger gezeigt. (cme, mit dpa)