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Art Cologne gegen Viktor OrbánWarum die Messe das Kollektiv Queer Budapest zeigt

Lesezeit 3 Minuten

Anna Ádáms Fight Club für Frauen

Köln – In der deutschen Kunstwelt haben Boxkämpfe durchaus Tradition. 1972 stieg Joseph Beuys mit Abraham David Christian für „direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ in den Ring, ein Jahrzehnt später prügelte sich Documenta-Leiter Jan Hoet, um vor Publikum für sein Ausstellungskonzept zu werben. Wenn jetzt Daniel Hug auf der Art Cologne einen Boxring installieren lässt, weiß er, dass ihm dies die nötige Aufmerksamkeit für ein ernstes Thema verschafft.

Was in Ungarn passiert, ist ein Schock, sagt Daniel Hug

Alarmiert durch die Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán hat Hug das kuratorische Kollektiv Queer Budapest auf die Kölner Kunstmesse eingeladen. 2020 wurde dieses von Zsuzsanna Zsuro und Thomas Roughan gegründet, um der repressiven ungarischen Haltung gegen Homosexuelle und andere Angehörige der LGBTQ-Gemeinschaft etwas entgegenzusetzen. Zielt Orbáns Gesetzgebung darauf, das Leben der LGBTQ-Gemeinschaft unsichtbar zu machen, geht es Queer Budapest um das genaue Gegenteil.

Auf der Art Cologne wird die ungarische Künstlerin Anna Ádám in den Boxring steigen, um ihre „Schule des Ungehorsams“ vorzuführen – eine Mischung aus Kunstperformance und Fight Club für Frauen, deren Absolventinnen sich sowohl in Protestformen wie auch in Selbstverteidigung schulen. Ádám gibt ihre Kurse gemeinsam mit Johanna Szőke, das weibliche Publikum ist eingeladen, aktiv teilzunehmen. „Zuerst war wegen der Corona-Auflagen nur ein kleines Projekt geplant“, so Daniel Hug, ein Statement am Stand in der Halle 11.2, Heimat der zeitgenössischen Kunstgalerien. Dank der Mithilfe von Sponsoren wuchs das Projekt heran und bildet jetzt eine Hauptattraktion des Rahmenprogramms.

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Für den Art-Cologne-Chef ist die Einladung von Queer Budapest sowohl ein politisches wie ein persönliches Anliegen. „Ich hatte höhere Erwartungen an das Land meines Großvaters“, so Hug. „Vor dem Zweiten Weltkrieg war Ungarn immer sehr utopisch.“ Was dort jetzt geschehe, empfinde er als anti-europäisch. „Das war ein Schock und dagegen will ich protestieren.“

Im liberalen Köln rennt man mit künstlerischen Protestformen gegen Viktor Orbán selbstredend offene Türen ein. Aber die Art Cologne ist eben auch eine international beachtete Plattform und für Queer Budapest eine Bühne, um Bilder und Botschaften nach Hause zu senden. Außerhalb des Boxrings sind zudem kleine Ausstellungen zu sehen, mit ungarischen Künstlern wie Ádám Csábi, Barnabás Gelléri und dem Duo Borsos/Lőrinc, die sich mit Fragen sexueller Identität beschäftigen.

Andererseits ist die Art Cologne vor allem eine Messe, und so darf die Boxperformance die Geschäfte nicht über die Maßen stören. Anders als vom Kollektiv zunächst geplant, wird der Boxring tagsüber nicht mit lauter Technomusik beschallt. Das geht erst jeweils 15 Minuten vor Messeschluss, wenn etwa Rebeka Petra Kiss fragt „Who is the Boss?“ – ein Rausschmeißer mit Botschaft.

Art Cologne, Koelnmesse, bis 21. November