Köln – Meine Erwartung ist keine Erwartung“, sagt Thomas Zander, kurz bevor es zwölf schlägt und die 54. Art Cologne offiziell, wenn auch zunächst nur für die Vorhut der VIP-Gäste eröffnet wird. Auf der kürzlich beendeten Fotomesse in Paris, erzählt der Kölner Galerist, habe er vor lauter Menschen seine Bilder nicht mehr gesehen. Damit rechnet er in Köln nun nicht, obwohl er eben gar nicht weiß, womit er rechnen soll, nachdem die Art Cologne nach dreimaliger Absage wieder Besuch empfängt.
Wiegt die Lust auf Kunst schwerer als die Angst vor Corona?
Tatsächlich geht es dieses Jahr auf der wichtigsten deutschen Kunstmesse weniger um die Fragen, welches die neusten Trends auf dem Kunstmarkt sind und welcher Sammler sich plötzlich für welchen jungen, noch gänzlich unbekannten Künstler interessiert. Es geht stattdessen vor allem darum, ob das Publikum wieder kommt, ob die Lust auf Kunst schwerer wiegt als die Sorge davor, sich anzustecken oder auch nur Wimmelbilder wie zum bundesweit bestaunten kölschen Karnevalsauftakt zu produzieren.
Er werde sicher „kein Getümmel“ geben, hatte Art-Cologne-Chef Daniel Hug vor der Eröffnung prophezeit, schon weil man das etwas verkleinerte Teilnehmerfeld deutlich luftiger auf die Messehallen verteilt habe. An den Ständen gilt daher nicht einmal Maskenpflicht, sofern sich die Sicherheitsabstände einhalten lassen. Von dieser Möglichkeit macht aber um High Noon niemand Gebrauch, zumal sich die Gänge erstaunlich schnell füllen – beinahe wie in normalen Zeiten.
Eine Stunde nach Eröffnung scheinen dann tatsächlich alle da zu sein: die Sammler, Berater, professionellen Marktbeobachter und die Museumsdirektoren. Yilmaz Dziewior vom Kölner Museum Ludwig sieht sich am Stand der Berliner Galerie neugerriemschneider um, die zum ersten Mal auf der Art Cologne ist, obwohl sie kölsche Wurzeln hat und nun museumswürdige Werke von Ai Weiwei, Olafur Eliasson und Tomas Saraceno zeigt.
Dziewiors Vorvorgänger Kasper König, der auf der Messe seinen leicht durchgeknallten Abreißkalender präsentiert, tummelt sich derweil in der überlaufenden Koje seines Sohns Johann König. Der zeigt in Köln nicht nur ein Sortiment internationaler Kunststars, sondern hat auch seine Corona-Idee Misa hierher exportiert. Die Abkürzung steht für Messe in Sankt Agnes, eine Verkaufsausstellung mit Gästen in Königs Berliner Galerie, einem entweihten Kirchenbau. Ganz so altehrwürdig sind die Räume des Kölner Ablegers allerdings nicht (die Lagerhalle des Kölner Auktionshauses Van Ham in Wesseling), was vielleicht ein Grund dafür ist, dass Daniel Hug die kleine Gegenveranstaltung „sehr willkommen“ nennt. Außerdem waren derlei Satellitenmessen für die Art Cologne schon immer eine Bestätigung der eigenen Bedeutung.
Die Art Cologne ist kleiner und regionaler geworden
Ist dies also die erhoffte Rückkehr zur Normalität? Beinahe scheint es so, auch wenn die Messe nicht nur kleiner, sondern auch regionaler geworden ist. Die Abwesenheit internationaler Großgalerien wie David Zwirner und Hauser & Wirth hat die angereisten Händler aber offenbar nicht entmutigt, eher im Gegenteil. Karsten Greve zeigt einen Querschnitt durch seinen Bestand an modernen Klassikern, mit einem schwarz leuchtenden Gemälde von Pierre Soulages, Keramiken von Lucio Fontana und drei großartigen Papierarbeiten von Cy Twombly aus den 1970er Jahren.
Bei Thaddaeus Ropac hängt ein gespenstisch schöner Baselitz (weiße Körperschemen auf schwarzem Grund), Von Vertes zeigt kleine Arbeiten von Yayoi Kusama und Roy Lichtenstein, während Henze & Ketterer mit einer üppigen Ernst-Ludwig-Kirchner-Schau auftrumpfen.
So geht es weiter: mit Pop Art bei Klaus Benden, Penck, Lüpertz und Baselitz bei Michael Werner oder Isa Genzken bei Daniel Buchholz. Offenbar setzen die Händler in diesem Corona-Jahr mehr als ohnehin auf ihre „sicheren“ Bauchladenangebote, Stände zu einzelnen Themen oder Künstlern sind jedenfalls die Ausnahme.
Die prominenten Art-Cologne-Novizen neugerriemschneider wagen in dieser Hinsicht schon ziemlich viel. Bei ihnen geht es um „Natur und Spiritualität“, etwa mit einer Skulptur, die Ai Weiwei nach dem Vorbild abgestorbener Wurzeln von Amazonasbäumen gießen ließ, aquarellisiertem Treibholz von Olafur Elliason, einem hängenden Glasfruchtkörper von Tomas Saraceno und „exotische“ Totemfiguren von Pawel Althamer – so wird das Wagnis durch große Namen abgesichert.Gemälde als Objekt
Art Cologne und Cologne Fine Art & Design finden parallel statt
Einige „Statements“ setzen auch Thomas Zander und Anke Schmidt auf ihrem gemeinsamen Messestand. Sie zeigen Gemälde, die etwas von Objekten haben (und umgekehrt), etwa Steffen Lenks Farbbergmassive auf himmelblauer Leinwand, Fabian Marcaccios Gitterstrukturen aus dem 3D-Drucker oder einen Grauen Spiegel von Gerhard Richter. Mit Werken von Robert Indiana und Richard Avedon reißt Zander zudem das Thema Homosexualität an und mit einem amorphen, von Allana Clarke aus Kleber aus dem Afrokosmetik-Shop gebildeten Objekt das Thema Schwarze Identität. „Wir machen hier keinen typischen Messestand“, so Zander, „eher eine klassische Galerieausstellung.“ So, hofft er, locken sie die Messebesucher auch wieder zurück in die Galerien.
So geschäftig sich die Art Cologne anlässt, so geruhsam geht es anfangs auf der kleinen Schwestermesse Cologne Fine Art & Design (Cofa) zu. Dass beide Messen jetzt wegen Corona gleichzeitig stattfinden, sieht Daniel Hug als „einzigartige Konstellation“, denn man könne jetzt Kunst von heute bis in die Antike sehen. Dazu müssten die Art-Cologne-Besucher auf dem Heimweg allerdings kurz „falsch“ abbiegen – am Mittwochnachmittag war die an Antiquitäten, alter Kunst oder Design interessierte Kundschaft noch weitgehend unter sich.
Dabei kann sich das Angebot hier wieder durchaus sehen lassen, seien es afrikanische Artefakte bei Simonis oder antike Büsten bei Cahn. Allerdings sind die Grenzen zur Art Cologne weiterhin nicht allzu scharf definiert. Auf der Cofa gibt es etliche Händler, die moderne Kunst oder klassische Moderne zeigen und sich bei flauem Geschäft vielleicht bald fragen, ob sie richtig abgebogen sind?