Die Kölner Domschatzkammer zeigt vor allem Symbole männlicher Macht und Herrlichkeit. Jetzt setzt eine Ausstellung mit Werken von Käthe Kollwitz einen ganz anderen Akzent.
Ausstellung in der DomschatzkammerMit Käthe Kollwitz kommt der Feminismus in den Kölner Dom
Bekanntlich ist die katholische Kirche eine Weltgemeinschaft, in der eine Hälfte der Mitglieder nichts zu sagen hat. Aber wie in allen Machtsystemen fanden die Unterdrückten auch im Katholizismus ein Ventil für ihren Glauben, am prominentesten in der Marienverehrung, die dann gerne als gefühlig, kitschig oder eben „weibisch“ denunziert wurde. Auf dieses Erbe stößt man auch in den Tiefen der Kölner Domschatzkammer, die zwar einige Abbilder der Muttergottes enthält, aber vor allem Symbole männlicher Macht und Herrlichkeit ausstellt.
Der Frauenanteil in der Kölner Domschatzkammer ist ein völlig anderer
Man muss Leonie Becks, die Leiterin der Domschatzkammer, nun nicht gleich für eine Lutheranerin halten, weil sie ihren kleinen Sonderausstellungsbereich für zehn Werke der Künstlerin Käthe Kollwitz öffnete. Aber der Frauenanteil in der Domschatzkammer dürfte sich dadurch spürbar verändert, vielleicht sogar verdoppelt haben. Zu den feingliedrigen biblischen Marien gesellen sich dort bis in den September hinein bäuerliche Mütter und stämmige Arbeiterfrauen, die Kollwitz auf unnachahmliche Weise um ihre Kinder trauern oder kämpfen lässt.
Möglich wird diese Begegnung durch die aktuelle Schließung des renovierungsbedürftigen Käthe-Kollwitz-Museums in Köln. Für die Dauer der Bauarbeiten suchte Katharina Koselleck, Direktorin des Hauses, Partner, um ihre Sammlung weiterhin zeigen zu können, und fand sie außer im Museum Ludwig und (ab Herbst) dem Wallraf-Richartz-Museum auch in der Domschatzkammer. Die Auswahl der Werke überließ Koselleck deren Leiterin, freilich nicht ohne Bauchschmerzen. Bei Becks geht Kollwitz, die überzeugte Sozialistin, beinahe als christliche Künstlerin durch – um Verwechslungen zu vermeiden, warnt der Saaltext, die gezeigten Werke seien keinesfalls „als Illustrationen religiöser Inhalte zu verstehen“. Vielmehr greife Kollwitz christliche Bildtraditionen auf, um sie in einen weltlichen Zusammenhang zu versetzen.
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Käthe Kollwitz verweltlichte christliche Bildtraditionen
Man kann verstehen, warum Becks dankend darauf verzichtete, den ihr vorgeschlagenen „Bauernkriegs“-Zyklus auszustellen – Männer hat sie in ihrem Gewölbe schließlich schon genug. Stattdessen wählte sie Grafiken, Zeichnungen und Plastiken aus, die sich am Bilderschatz der Marienverehrung bedienen: bei der trauernden Muttergottes mit dem toten Jesus, bei der Schutzmantelmadonna oder bei den Andachtsbildern zum Gebet gefalteter Hände. Das einzige Werk ohne Frau als Hauptfigur ist ein gezeichneter „aufschwebender Tod mit Jüngling“, in dem Becks die elegische Haltung einer Kreuzabnahme erkennt.
Eine Re-Christianisierung der Kollwitz ist das freilich nicht, man sollte eher, wie der Saaltext, von einer Verweltlichung religiöser Traditionen sprechen. Ihre Mütter nehmen keine Gläubigen unter den schützenden Mantel, sie raffen all ihre Kraft zusammen, um die eigenen Kinder vor Tod, Krieg und Krankheit zu bewahren. Gottgegeben ist dieses Leid in keinem Fall, sondern von irdischen Mächten gebracht und von Menschen erlitten. Wenn Kollwitz eine Pietá zeichnet, fehlt dem geradezu greifbaren Schmerz darauf jede Heilsgewissheit.
Die kleine Ausstellung umfasst die maßgeblichen Techniken der vielfach hochbegabten Kollwitz und einen Zeitraum von beinahe 40 Jahren. Es ist eine einseitige, aber auch kluge Auswahl, die das unerhörte menschliche Leid, von dem die meisten Domschätze erstaunlich wenig wissen, in die Mitte der Sammlung bringt. Der Trost, den Käthe Kollwitz auf ihren Bildern spendet, ist größer als jede Religion. Er stammt aus dem krallenförmigen Gefühl, dass eine moderne Künstlerin die Erfahrungen von Trauer, Tod und Leiden so genau verstanden hat wie niemand sonst.
„Begegnungen – Käthe Kollwitz zu Gast in der Domschatzkammer“, Domkloster 4, Köln, Mo.-So. 10-18 Uhr, bis 10. September