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Sagenhafte ReichtümerWarum in der Domschatzkammer auch mit Wein gehandelt wurde

Lesezeit 6 Minuten

Die „Heiltumskammer“

  1. Zur Jubiläums-Folge Nummer 100 ihrer Kolumne „Auf den Punkt” stellt die Ex-Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner einen Ort vor, der ihr ganz besonders lieb ist.
  2. Dabei begibt sie sich in die Domschatzkammer und auf Entdeckungstour von 2000 Jahren Kölner Geschichte.
  3. In ihr sollen einst sagenhafte Schätze gelagert worden sein. Und auch einige Fässer Wein.

Köln – In dieser Folge meiner Kolumne, der hundertsten, stelle ich Ihnen einen Ort vor, der mir besonders lieb ist und irgendwie auch gut zu einem solchen Jubiläum passt: die Domschatzkammer.

Zu Beginn aber möchte ich mich bei Ihnen für das große Interesse bedanken, mit dem Sie Monat für Monat meine Beiträge nun schon im achten Jahr begleiten. Wenn es nach mir geht und Sie mir und dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ treubleiben, sage ich gern: Fortsetzung folgt!

Beim Wort „Schatzkammer“ mögen manche Leute ja zu allererst an Dagobert Ducks Geldspeicher und das Baden in Goldtalern denken. So was können Sie in der Domschatzkammer direkt vergessen, obwohl das Gebäude die gleiche würfelförmige Grundstruktur hat wie das in Entenhausen und ähnlich gut gesichert ist. Denn hier werden die kostbarsten liturgischen Geräte aus dem Besitz des Domkapitels und der Kölner Erzbischöfe aufbewahrt sowie der Reliquienbestand, der im Mittelalter als mindestens so wertvoll galt war wie Gold und Edelsteine.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Auch Dreikönigsschrein gehört zum Domschatz

Im Prinzip gehört natürlich auch der Dreikönigenschrein zum Domschatz, aber der steht aus gutem Grund, wie seit Jahrhunderten für alle Besucher sichtbar, im Hochchor. Der verschwenderische Einsatz teuerster Materialien folgt der Vorstellung, dass für Gott und für den Dienst am Altar das Kostbarste gerade gut genug ist. Der als „Erfinder der Gotik“ geltende französische Abt Suger von St. Denis (1081 bis 1151) sagt: In der Pracht der Ausstattung wird für die Gläubigen die Pracht des Himmelreichs anschaulich.

Die liturgischen Gewänder

Suger lag im Dauerzank mit Bernhard von Clairvaux (1090 bis 1153), der sich am Armutsgebot Jesu für seine Jünger orientierte und alles ganz schlicht haben wollte. Am Glanz des Domschatzes können Sie unschwer erkennen, für welches der beiden Konzepte man sich in Köln entschieden hat. Zumal die edlen Stücke nicht nur Gott, dem Herrn, wohlgefällig sein sollten. Auch seine kirchlichen Diener schmückten sie ganz ungemein.

Feier der 100. Folge mit 100 Lesern

Es mache sie „sehr glücklich, zu sehen, dass sich so viele Menschen für den Dom und seine Schätze interessieren“, sagte Barbara Schock-Werner am Beginn einer Sonderführung in der Domschatzkammer.

Für den „Ortstermin“ mit KStA-Chefkorrespondent Joachim Frank zur Aufzeichnung der 100. Folge von „Auf den Punkt“ hatten sich fast 400 Leserinnen und Leser beworben. 100 von ihnen wurden ausgelost, doch die Dombaumeisterin a.D. will zwei weitere Führungen anbieten für jene, die diesmal kein Glück hatten.

Neben einem Glas Sekt zum Jubiläum gab Schock-Werner die Informationen zum Besten, die nun in ihrer Kolumne für alle nachzulesen sind. „Wir freuen uns besonders, einmal mitzuerleben, wie die Kolumnen entstehen. Die sind immer so toll erzählt“, lobten Doris und Georg Kracht aus Erftstadt.Von Nadine Keuthen

Viele Teile sind verloren gegangen

Von den ältesten Stücken aus der Zeit von Erzbischof Bruno (925 bis 965) berichtet dessen Biograf in der „Vita Brunonis“: Es sind der legendäre Bischofsstab des Apostels Petrus und einige Glieder der Kette, mit denen Petrus in seiner römischen Haft gefesselt war. Viele Teile aus dem Domschatz sind zwar im Lauf der Jahrhunderte verloren gegangen. Trotzdem handelt es sich immer noch um eine sehr beachtliche Sammlung. Besonders spektakuläre Exponate werde ich Ihnen demnächst in meiner Artikel-Serie „Geheimnis Dom“ vorstellen.

Der „Bronzewürfel“ mit Baustelle am Eingang

Mit der Schatzkammer selbst hat es eine ganz eigene Bewandtnis. Sie können hier 2000 Jahre Kölner Geschichte auf kleinstem Raum erleben. Die Vorgängerbauten des heutigen Doms lagen am Stadtrand auf der Innenseite der antiken Stadtmauer und benutzten diese baulich mit. Im ersten und zweiten Untergeschoss der Domschatzkammer ist die sorgfältig behauene Grauwacke aus der Römerzeit bestens erhalten. Sie können Sie leicht vom mittelalterlichen Dom-Fundament mit seinem typischen Basalt-Tuffstein-Wechsel unterscheiden.

Auch der Hochchor, der früheste Bauteil des gotischen Doms, befand sich noch „intra muros“. Nicht aber der neue Kapitelsaal (heute die Sakramentskapelle) auf der Nordseite. Da der Graben vor der römischen Stadtmauer natürlich deutlich tiefer lag, brauchte man ein gigantisches Fundament, um den Kapitelsaal auf ein Niveau mit der Kirche zu bringen.

Privater Weinhandel im Dom

Sparsam, wie man war, errichtete man vor 1280 dieses Fundament als Hohlkörper mit eigenem Gewölbe. Zwei Säulen aus dem Vorgänger-Dom wurden in der Mitte als zusätzliche Stützen verwendet. Im 16. Jahrhundert ließ das Domkapitel ein Zwischengewölbe einziehen und nutzte den so entstehenden zweigeschossigen Raum als Lager für Wein von den kapitelseigenen Weinbergen an der Ahr, aber auch am Kölner Stadtrand. Ein schwunghafter privater Weinhandel wurde hier bis zum Bau der Domplatte mit der davor liegenden Trankgasse Jahren weiter betrieben.

Nach Fertigstellung der Domplatte vor fast 50 Jahren begannen sich die beiden Säulen in der Mitte des Fundamentbaus zu senken. Das war nun wirklich eine hoch riskante Situation für den Dom. Um einen Einsturz zu verhindern, mussten die Stützen unterfangen und neu fundiert werden. Bei der Einweihung der Domschatzkammer im Jahr 2000 zeigte ein Ingenieur der Firma Züblin auf die Öffnungen rund um die Säulen und sagte zu mir: „Das sind die Löcher, wo wir die Millionen versenkt haben.“

1995 Beschluss zur Schatzkammer

Im Zuge der Sicherungsarbeiten kam die Idee auf, den ganzen fast 700 Jahre alten Zweckbau zur Schatzkammer des Doms umzugestalten. Seinen Beschluss aus dem Jahr 1995 hat das Domkapitel später zwar manches Mal bereut, weil der Bau länger dauerte und natürlich viel, viel teurer wurde als geplant. Aber vom Ergebnis waren die geistlichen Herren dann doch sehr angetan und sind es bis heute. Auch nach 20 Jahren gilt die Domschatzkammer mit Fug und Recht noch immer als eines der schönsten geistlichen Museen in Deutschland.

Bei der Entscheidung über den Ausbau der unterirdisch gelegenen Räume war klar, dass die neue Bestimmung auch oberirdisch sichtbar werden sollte. Deshalb entwarf der damalige Architekt der Dombauverwaltung, mein Stellvertreter Bernd Billecke (1952 bis 2012), die „Heiltumskammer“ für die Reliquien im Domschatz.

Anfangs gab es ein Riesengezänk und einen großen Medienhype um den „an den Dom geklatschten, hässlichen Betonwürfel“. Als dann aber die von Anfang eingeplante Verkleidung mit Bronzeplatten – auch sehr teuer, nebenbei bemerkt – vollendet war, schimpfte plötzlich niemand mehr.

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Die vergoldete Stele als Wegweiser 

Die vergoldete Stele als Wegweiser für die Besucher wurde schnell zu einer Attraktion für jene Zeitgenossen, die immer alles bekritzeln und verkratzen müssen. Irgendwann haben sich Direktorin Leonie Becks und die Dombauhütte gesagt: „Na gut, das ist dann jetzt eben unser Opferstück, an dem sich die Leute austoben sollen, wenn sie dafür die Außenwand der Schatzkammer selbst mit ihren Schmierereien verschonen.“ Und siehe da: Tatsächlich ist die metallene Haut weitgehend frei von Schäden geblieben. So lässt die Dombauhütte die Stele halt alle paar Jahre neu vergolden, und jeder Idiot, der es nötig hat, kann sich darauf verewigen.

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Aufgezeichnet von Joachim Frank