Max Ernst MuseumMirós „Welt der Monster“-Ausstellung verzaubert Brühl

Das Max Ernst Museum in Brühl zeigt die späten süßen „Monster“ des großen Surrealisten Joan Miró.
Copyright: Successió Miró/ VG Bild-Kunst
Köln – „Ich möchte die Malerei ermorden“, gab Joan Miró 1927 bekannt, „ich möchte alles zerstören, was es in der Malerei gibt, denn es gibt wenig, was ich mehr verachte als die Malerei.“ Gut gebrüllt, Maler, dachten sich darauf vermutlich die Kollegen, denn mal ordentlich auf den Putz zu hauen, gehörte im Paris der 20er Jahre halt irgendwie zum Avantgarde-Dasein dazu.
Allerdings dürften einige dann doch etwas überrascht gewesen sein, als Mirós gedungene Mörder tatsächlich anrückten: flatterhafte Wesen mit Glupschaugen, die im Fruchtwasser einer bunten Fantasiewelt schwammen.

Copyright: Successió Miró/ VG Bild-Kunst
Selbst mit gefletschten Zähnen konnte der spanische Maler Joan Miró (1893–1983) nicht anders, als atemberaubend schöne und entwaffnend fröhliche Formen und Figuren schaffen. Manche nennen es einen Fluch, der Miró zum Liebling von Postkarten- und Kalenderproduzenten machte, aber noch heute kann man die tödliche Wirkung von Mirós Fabeltieren nicht übersehen: Der Maler vereinfachte die gegenständliche Welt der alten Malerei so lange, bis er auf etwas stieß, was man die surreale Urform nennen kann. Mit dieser ging er dann toben im Kinderzimmer der Fantasie.
Mirós liebstes Material: Bronze
Auch die „Welt der Monster“, die jetzt im Max Ernst Museum Brühl lauert, kann (und soll) das altbekannte Miró-Bild nicht korrigieren. Es sei denn, man wollte in seinen späten, in den 60er und 70er Jahren entstandenen Skulpturen, die Vollendung eines lange gehegten Mordplans sehen.
In seinen letzten Lebensjahren wurde Bronze zu Mirós liebstem Material, und er träumte davon, dass die von ihm aus allerlei Fundstücken modellierten „Monster“ im Atelier ein Eigenleben führen. Aber auch als Bildhauer konnte er letztlich nicht aus seiner Haut: Monströs sind seine Figuren nun wirklich nicht; selbst wenn sie eine grimmige Miene aufsetzen, weiß man, dass sie eigentlich nur spielen wollen.
Zu Joan Miró und zur Ausstellung
Joan Miró (1893-1983) können sich alle einigen: Kunsthistoriker, Kinder und Kalenderproduzenten. Mit seinen verspielten Fabelwesen bezaubert Miró bis heute die Welt, ohne dass er die Errungenschaften der modernen Malerei dabei jemals ans Niedliche oder gar an den Kitsch verraten hätte. Im Max Ernst Museum Brühl sind jetzt 40 Bronzen zu sehen, mit denen Miró seine Fantasien in die dritte Dimension katapultierte. In den 60er und 70er Jahren entstanden, gehören sie zu einem Teil seines Werks, in dem – im Guten wie im Schlechten – noch Entdeckungen zu machen sind.
„Miró – Welt der Monster“,
Max Ernst Museum, Comesstr. 42/ Max-Ernst-Allee 1, Brühl, Di.–So. 11–18 Uhr, 3. September 2017 bis 28 Januar 2018.
Der Katalog zur Ausstellung kostet 39,90 Euro. Mit Hilfe einer App lassen sich die im Katalog abgebildeten Skulpturen auf Tablets und Mobiltelefonen als dreidimensionale Objekte betrachten.
Bei seinen Skulpturen griff Miró auf klassische surrealistische Formprinzipien zurück: die Collage und das gefundene Objekt. Jeden Morgen soll der weltberühmte Maler im Meer schwimmen gegangen sein, um anschließend den Strand nach angespültem Treibgut abzusuchen. Auch von Spaziergängen kehrte Miró oft schwer bepackt mit Scherben, Ästen, verlorenem Spielzeug oder schlichtem Müll zurück.
Stets wusste er sich gut von der freundlichen Achtlosigkeit von Mensch und Natur versorgt und begann dann im Atelier, seine Fundstücke miteinander zu Figuren zu kombinieren. Und wie in der Malerei ging er auch als Bildhauer den Weg der radikalen Vereinfachung: Seine Figuren haben meistens Hand und Fuß, aber sonst kaum etwas.
Miró schuf beinahe nur Menschen, Männer und Frauen, und reduzierte sie auf das für ihn Wesentliche. Eine gebogene Eisenstange bildet den Körper, auf dem ein niedlicher Schrumpfkopf mit zwei Brüsten balanciert; zu beiden Seiten flattern Stummelflügel, die Enden der Eisenstange stecken in schweren Erdklumpen: fertig ist die Frau.

Das Max Ernst Museum in Brühl zeigt die späten süßen „Monster“ des großen Surrealisten Joan Miró.
Copyright: Successió Miró/ VG Bild-Kunst
Das männliche Gegenstück ist etwas gröber gebaut und steht auf zwei stämmigen Beinen fest auf dem Boden; das Geschlecht ist ein am unteren Ende eines Fassreifens angebrachter Wasserhahn. Würde der Wasserauslass nach oben zeigen, wäre die Ausstellung erst frei ab 18 Jahren.
Für Achim Sommer, Direktor des Max Ernst Museums, ist die Miró’sche Collagetechnik freier und abenteuerlustiger als die seines „Arbeitgebers“, dem Brühler Surrealisten Max Ernst. Und tatsächlich scheint der spanische Künstler kein Ding zu kennen, das sich nicht in einen menschlichen Körperteil verwandeln ließe: Warum soll eine Brezel keinen Kopf darstellen können, solange er auf dem oberen Ende eines bauchigen Totempfahls steckt?
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Eine Mistgabel gibt zweifelsohne eine prima Zackenfrisur ab, ein Schildkrötenpanzer eine passable Vagina und ein naturalistischer Fuß einen erstaunlich wohlgeformten Unterleib. Ähnlich bezaubernd sind Mirós Vögel, die stets aus nicht mehr als einem mondsichelförmigen Flügelschlag bestehen.
Die Brühler Ausstellung speist sich zur Gänze aus Leihgaben der französischen Fondation Maeght, einer privaten, vom Pariser Kunsthändler Aimé Maeght und seiner Frau Marguerite ins Leben gerufenen Stiftung, die bei Nizza ein Museum betreibt. Auf dem Gelände der Fondation hat Miró 1964 eine Monumentalplastik installiert, die Erstabgüsse seines bildhauerischen Spätwerks wurden in der Regel von Aimé Maeght finanziert und gelangten später in die Stiftung.
67 Werke zu sehen
Alle 40 in Brühl gezeigten Bronzen sind noch zu Mirós Lebzeiten entstanden, begleitet werden sie von späten, etwas flüchtig wirkenden Gemälden, Papierarbeiten und einem kuschelig-zotteligen Wandteppich mit den üppigen Maßen 270 mal 480 Zentimeter. Insgesamt sind im Max Ernst Museum 67 Werke zu sehen.
Auch nach dem Besuch der Brühler „Monster“-Schau muss man die Lobreden auf den weltberühmten Maler Joan Miró nicht durch Lobreden auf den Bildhauer ersetzen – das hat schon bei Pablo Picasso nicht recht geklappt. Aber die Bronzen runden das Bild ab, zumindest dort, wo es Miró dabei beließ, seine Abgüsse mit chemischen Stoffen eine grünliche Patina zu verleihen. Dagegen sind die bunt bemalten, ihres Ausdrucks durch die Farben weitgehend beraubten Skulpturen ein Schock, gerade, weil sie die Malerei in die dritte Dimension erweitern sollen. Man fragt sich, wie Miró bloß übersehen konnte, dass seine Bemalung die surreale Poesie der Figuren schlichtweg übertüncht – und liest auf einem Wandtext, Alberto Giacometti habe ihm dazu geraten. Ein Schelm, wer dem Schweizer Bildhauer hier böse Absichten unterstellt.
Mit seinen bunt gefärbten Hampelmännchen und -frauen ist Miró in jenem Kitsch angekommen, den er sonst so spielerisch sicher zu umgehen wusste. Am besten hilft gegen diese Erfahrung ein Blick auf das vielleicht einzige Monströse, das Joan Miró je geschaffen hat: Ein Kopf, der, bei aller Niedlichkeit, einem Fleischwolf zum Verwechseln ähnlich sieht.