Seit vier Jahren wird der Deutsche Jazzpreis vergeben. Am Donnerstagabend (18.4.) zum ersten Mal in Köln.
Deutscher Jazzpreis im E-WerkDiese Virtuosen aus Köln gehören zu den Gewinnern
Gegen Ende des zweieinhalbstündigen Festaktes wurde es still im ausverkauften Konzertsaal des E-Werks, zumindest fast still. Während im Foyer die ausgelassene Feierlaune bereits deutlich überschäumte, setzte sich der 80-jährige Jazzpianist Kenny Barron an den Flügel und bedankte sich mit einem kleinen, aber feinen Solo-Auftritt für die Auszeichnung als „Künstler des Jahres International“.
Drei Stücke perlten mit sanfter Eleganz und lässiger Selbstverständlichkeit durch den Saal, in dem das Publikum andächtig lauschte und jeden verlockenden Moment auszukosten schien. Ein Wiegenlied, eine verspielte Hommage an Thelonious Monk, eine stimmungsreiche Ballade des Bassisten Charlie Haden aus dem gemeinsamen Duo-Projekt „Night and the City“: Für eine Viertelstunde atmete man beim Deutschen Jazzpreis große US-amerikanische Jazz-Tradition, der selbst die aufgeregt-grellen Farben des Bühnendekors nichts anhaben konnten.
Wobei dieser ästhetische Gegensatz nicht störte, im Gegenteil: Der im vierten Jahr seiner noch jungen Existenz erstmals in Köln verliehene Deutsche Jazzpreis präsentierte geräuschvoll, nicht aber lärmend, sachkompetent, nicht aber akademisch die überreiche Palette an Klang- und Stilfarben, die die Jazzkunst hierzulande zu bieten hat. Indem man sich respektvoll und zugleich selbstbewusst vor Kenny Barron verbeugte, glückte der Spagat zwischen wirkungsmächtiger Tradition und vitaler, facetten- und stilreicher Moderne im Jazz.
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In 22 Kategorien wurde der Deutsche Jazzpreis im Kölner E-Werk verliehen
So war es konsequent, dass ein Sonderpreis der Jury an das Creative Music Studio (CMS) ging, das vor 50 Jahren von Ornette Coleman, Karl Berger und Ingrid Sertso als Studienzentrum für zeitgenössische, kreative Musik gegründet wurde. Der in Heidelberg geborene Vibrafonist und Pianist Karl Berger starb vor einem Jahr, nun bedankte sich seine in München geborene Witwe Ingrid Sertso für die Würdigung und Wertschätzung in einer Grußbotschaft aus dem fernen Woodstock.
In 22 Kategorien wurde am Donnerstagabend der Deutsche Jazzpreis für außergewöhnliche, künstlerische und innovative Leistungen im Jazz verliehen. Einiges hatte sich gegenüber den Vorjahren geändert, auch beim Zeremoniell. Dabei war es ein deutlicher Zugewinn, dass jeweils ein Mitglied der Jury vor der Bekanntgabe des Preises eine persönliche Würdigung aussprach. Ins Zeremoniell eingewebt wurden attraktive Live-Auftritte des Omer Klein Trios sowie von Angelika Niescier und Alexander Hawkins, eine weitere Grußbotschaft kam von Claudia Roth, die als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien gemeinsam mit der Initiative Musik die Preisverleihung offiziell realisiert.
Enthusiastisch lobte sie die Leistungen der Jazzszene und beschwor zugleich staatstragend ihre Relevanz, wirke sie doch vorbildlich divers, kooperativ und demokratisch, gerade auch in beunruhigenden Zeiten. Was Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker in ihrer Live-Ansprache gerne bestätigte, dafür aber weit persönlichere Worte fand. Jazz und Köln verbinde die Lust an der Improvisation – und: Jazz sei schlicht menschlich.
Von den in Köln ansässigen Nominierten wurden Saxofonistin Angelika Niescier (Holzblasinstrumente) und Posaunist Janning Trumann (Blechblasinstrumente) mit dem Deutschen Jazzpreis geehrt. Unter Kölner Beteiligung entstand das Konzertprogramm „A Kind of … Choral Music“ mit Kompositionen von Florian Ross, Theresia Philipp und Andreas Theobald. Virtuos werden hier die Klangwelten von Jazz, Klassik und zeitgenössischer Musik mit großem Chor verwoben, wofür der MDR Rundfunkchor sowie die Leipziger Jazztage den Preis in der Kategorie Rundfunkproduktion des Jahres erhielten.
Mit Kira Linn, Fabian Dudek und Hans Lüdemann waren in der Kategorie Komposition/Arrangement des Jahres gleich drei herausragende musikalische Werke aus Köln im Rennen – und mussten sich am Ende Monika Roscher geschlagen geben, deren Komposition „8 Prinzessinnen“ zweifellos zu den herausragendsten musikalischen Leistungen der jüngsten Zeit zählt. Zu finden ist sie auf dem überragenden Album „Witchy Activities and the Maple Death“ von Monika Roscher und ihrer Bigband, einer Klangfantasie voller Finessen und Energien, das unbedingt die Auszeichnung als Album des Jahres verdient hätte, sich aber überraschend „Awake“ von Mirna Bogdanović beugen musste.
Als Debüt-Album des Jahres wurde das kunstvoll virtuose Modern-Jazz-Album „Opening“ des Trompeters Jakob Bänsch ausgezeichnet, international gingen die Preise an „The Omnichord Real Book“ von Meshell Ndegeocello und „The Living Collection“ von Lesley Mok. Hier gilt, wie für alle Entscheidungen: Der Deutsche Jazzpreis fungiert trefflich auch als Hörempfehlung für jene, die sich einen validen Eindruck nationaler wie internationaler Jazz-Highlights machen wollen.
Für den glanzvollen Schlusspunkt hatte man sich eine besondere Ehrung aufgehoben: Unter Standing Ovations betrat die 86-jährige Free-Jazz-Ikone Alexander von Schlippenbach die Bühne und wurde sowohl in der Kategorie Piano/Tasteninstrumente als auch für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Damit flammte jene große Tradition des „freien“ Jazz als epochaler Gegenentwurf zur amerikanischen geprägten Jazz-Tradition auf. Wer am Mythos des Politischen im Free Jazz festhalten mag, findet diesen in Alexander von Schlippenbach bestens verkörpert; wer die Ehrung als tiefe Verbeugung vor einem zeitlebens rigoros kompromisslosen „Tastenarbeiter“ versteht, wird sich ebenso bestätigt sehen.
Schön, dass von Schlippenbach im Rahmen der kommenden Cologne Jazzweek live zu erleben sein wird – ebenso wie die weiteren Jazzpreis-Preisträger und -Nominierten Frank Gratkowski, Immanuel Wilkins, Jakob Bänsch und Lesley Mok.
Alle Preisträgerinnen und Preisträger finden Sie hier