Düsseldorf – Früher war es leicht, ein journalistisches Produkt zu erkennen. Wer eine Zeitung oder Zeitschrift in den Händen hielt, wusste in den allermeisten Fällen: Da waren professionelle Journalisten am Werk. In Zeiten des Internets ist das anders. Ein privater Blog oder ein Nachrichtenportal, das jemand in seiner Freizeit betreibt, ist ebenso wie die Angebote der Presse nur einen Klick entfernt.
Doch während professionelle journalistische Angebote dem Pressekodex unterliegen, der festlegt, dass veröffentlichte Informationen „mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben“ sind, gab es für viele andere Seiten, die regelmäßig Nachrichten oder politische Informationen enthalten, keine klaren Regeln.
Neuer Medienstaatsvertrag enthält wichtige Änderung
Das hat sich geändert. Nach Paragraf 19 des neuen Medienstaatsvertrags obliegt den Medienanstalten seit November 2020 die Aufsicht über die Einhaltung der journalistisch-redaktionellen Sorgfaltspflichten durch so genannten Telemedienanbieter.
Nun haben sich vier Medienanstalten – in Nordrhein-Westfalen, Berlin/Brandenburg, Hamburg/Schleswig-Holstein und im Saarland – zusammengetan, um gegen solche Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht vorzugehen, wie eine Sprecherin der Landesanstalt für Medien NRW am Montag dieser Zeitung bestätigte.
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Elf Angebote wurden mit einem Hinweisschreiben auf Verstöße aufmerksam gemacht. Sie haben nun bis zum 1. März Zeit, auf das Schreiben zu reagieren. Sollten sie die angemahnten Beiträge nicht korrigieren, können die Medienanstalten sie auffordern, die Inhalte zu löschen.
Auch Flinkfeed wurde angeschrieben
Die vollständige Liste der angeschriebenen Seiten nennen die Medienanstalten nicht. In NRW erhielt aber unter anderem die Seite Flinkfeed ein Schreiben, wie die Medienanstalt auf Anfrage bestätigte. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Köln und verbreitet in Listen ähnlich wie Buzzfeed Inhalte wie „12 Merkmale, die die Antifa mit Terrororganisationen gemeinsam hat“ oder „Diese 10 Dinge unterscheiden deutsche Kriegsflüchtlinge von heutigen Asylforderern!“ NRW-Innenminister Herbert Reul sagte 2020 im Landtag über die Vorgänger-Seite Fritzfeed, das Angebot ordne sich in die Medienstrategie der Neuen Rechten ein.
Konkret gemahnt wurde nun unter anderem der Artikel „»Es hat alles nur noch schlimmer gemacht!« – Unter diesen Problemen leiden Transsexuelle!“, bei dem laut Medienanstalt keine Quellen für Tatsachenbehauptungen genannt werden.
Flinkfeed teilte auf Anfrage mit, man sei für Hinweise auf mögliche Form- oder Sachfehler dankbar: „Die wenigen von der zuständigen Landesanstalt genannten Fälle werden wir sorgfältig prüfen und eventuell fehlende Quellenangaben nachliefern.“
Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg mahnte unter anderem Verstöße bei KenFM an. Ken Jebsen, Betreiber der Seite, machte zuletzt damit Schlagzeilen, dass Youtube seinen Kanal wegen Verstößen gegen Covid-19-Richtlinien sperrte.
"Fahrlässiger Umgang mit Verantwortung"
„Was sich als journalistisches Angebot präsentiert, muss auch journalistische Standards erfüllen – alles andere ist jedenfalls ein fahrlässiger Umgang mit Verantwortung und in einigen Fällen sicher auch klare Täuschungsabsicht“, sagte Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, dieser Zeitung. Das Vorgehen gegen diese Verstöße sei ein erster Schritt, sich gegen Desinformation zu stellen.
„Das wird nicht ausreichen, aber irgendwo müssen wir anfangen“, so Schmid. „Die Gefahr der Desinformation liegt doch darin, dass Sie das Herzstück einer Demokratie – das Recht auf freie Meinungsäußerung – nutzt und gleichzeitig gegen dieses arbeitet. Wir operieren sozusagen am offenen Herzen der Demokratie und müssen dabei immer darauf achten, dass wir nicht das beschädigen, was wir schützen wollen“, betonte der Jurist.