Kriege, Krisen und eine Regierung mit wenig Rückhalt: Das Jahr 2023 bot viele Punkte zur Sorge. „Hart aber fair“ sucht dabei nach Hoffnung.
„Hart aber fair“ über Krisen und Kriege„Es geht nicht um Troisdorf oder Deutschland, es geht um die Ukraine“
Dezember, es ist die Zeit der Jahresrückblicke. Und auch „Hart aber fair“ schaut in der letzten Sendung in 2023 auf die vergangenen zwölf Monate. Mit einem besorgten Blick. Unter dem Titel „2023 – ein Jahr, das uns das Fürchten lehrt“ suchte Moderator Louis Klamroth mit seinen Gästen nach Anhaltspunkten, die den Menschen zwischen all den Krisen Hoffnung geben können. Doch: Gibt es diese?
Die Gäste bei „Hart aber fair“
- Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Mitglied im Vorstand der Bundestagsfraktion
- Carlo Masala, Sicherheitsexperte, Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr, Autor „Bedingt abwehrbereit“
- Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister und Rechtsanwalt
- Katrin Eigendorf, Kriegsberichterstatterin, internationale Sonderkorrespondentin des ZDF
- Markus Feldenkirchen, Autor und Journalist, Redakteur im Hauptstadtbüro des Spiegel
Moderator Louis Klamroth steigt mit dem wohl traurigsten Tiefpunkt des Jahres in die Sendung ein: dem Angriff der palästinensische Terrororganisation Hamas auf Israel. Und Bildern, die um die Welt gingen. „Das wollten sie so, das war so geplant“, schätzt Gerhart Baum ein. Und es gebe noch Bilder, die „viel schlimmer“ seien, aber noch nicht alle gesehen hätte, sagt Kriegsberichterstatterin Katrin Eigendorf. „Traumatisierend“ sei das. „Die Männer von der Hamas sind keine Kämpfer oder Krieger. Das sind Terroristen“, sagt Markus Feldenkirchen.
Die Situation um Israel und Palästina ist so komplex wie kaum eine andere. Aus historischer Sicht vervielfachen sich die Ebenen dieser Krise. Ein Punkt, der der Runde wichtig ist: die humanitären Bedingungen im Gazastreifen. Als „verheerend“ bezeichnet Feldenkirchen diese, stützt sich dabei auf Berichte von Kolleginnen und Kollegen. „Das ist mit die schlimmste humanitäre Situation, die man sich vorstellen kann.“
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Terrorangriff hier, verheerende Lage dort: Und wo ist die Lösung?
Die Frage: Ist die Verhältnismäßigkeit der Angriffe des israelischen Militärs noch gewahrt? Je länger der Einsatz dauere, desto eher könne er an Verhältnismäßigkeit verlieren, findet Feldenkirchen. Eigendorf sieht die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt. Internationales Recht werde gebrochen, indem zum Beispiel der Zugang zu sauberem Trinkwasser erschwert wird.
Doch wie kann dieser Krieg enden? Die Hamas aus den palästinensischen Gebieten zu entfernen, sei ein realistisches Ziel, schätzt Sicherheitsexperte Carlo Masala ein. Und danach? Israel präsentiere kein Szenario, betont Eigendorf. Auch Carlo Masala sagt, es gebe bislang keine Lösung, von irgendeiner Seite. Aus Sicht von Gerhart Baum müsse Israels Ministerpräsident Netanjahu „weg“, dieser habe sich „allen Friedensverhandlungen verweigert.“
Damit ist die Situation in Israel und in Palästina nochmal im Schnelldurchlauf aufgerollt. Die Hoffnung, die „Hart aber fair“ im Sendungstrailer versprochen hatte, ergibt sich aus der Diskussion aber nicht.
Angriff auf die Ukraine: Unterstützung darf nicht nachlassen
Und, „ich kann es uns nicht ersparen“, leitet Klamroth ein, dieser Krieg ist nicht der einzige. Auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine schwelt weiterhin. Und auch hier wird der Hoffnung direkt der Stecker gezogen. Ein Frieden, der werde so schnell nicht kommen, sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Und jetzt? „Wichtig ist, dass wir weiter darüber reden.“
Feldenkirchen beobachtet, dass das jedoch nachlässt. „Leider“, sagt er und spricht von „Ermüdungserscheinungen. Und genau darauf setzt Putin. Denn der wird nicht verhandeln.“ Sobald die Unterstützung nachlasse, werde er „die Ukraine plattmachen.“
Die Runde teilt Befürchtungen, dass die Wehrhaftigkeit der Ukrainerinnen und Ukrainer nachlassen könne. Erste Anzeichen dafür beobachten Eigendorf und Feldenkirchen. Baum hält dagegen, er glaube das nicht. Mit eigenen Beobachtungen oder denen von Kolleginnen und Kollegen kann er das aber nicht untermauern. Dadurch hat seine durchaus mit emotionalen Spitzen gespickte Rede etwas weniger Rückhalt.
Strack-Zimmermann kritisiert Troisdorf
Militärisch gibt Masala keine gute Prognose für die Ukraine ab, was das kommende Jahr angeht: Statt der Gegenoffensive baue die Ukraine aktuell Verteidigungsstellungen. Aus seiner Sicht sei auch die europäische, die deutsche Unterstützung Schuld. Oder vielmehr: die fehlende Unterstützung. „Wir sind nicht in der Lage, die Ukraine militärisch langfristig zu unterstützen. Wir haben nicht die industrielle Basis.“ Die Hauptlieferanten für beide Seiten seien aktuell Nord- (Russland) und Südkorea (Ukraine). „Wir haben die Produktion nicht hochgefahren, Europa bekommt es nicht hin.“ Statt des Ziels, eine Million Schuss zu produzieren, seien nur 300.000 produziert worden.
„Wie verteidigen wir uns denn dann selbst?“, wirft Baum etwas erschrocken ein. Strack-Zimmermann antwortet: „Die Frage vertiefen wir besser nicht, wir wollen ja fröhlich ins neue Jahr gehen.“ Etwas nervöse Lacher im Publikum, dann führt Strack-Zimmermann aus.
Und dreht den Scheinwerfer auch nach Troisdorf. Dort wolle eine Munitionsfirma ihre Kapazitäten verdoppeln, der Bürgermeister aber lieber Häuser für das „Wohnen im Grünen“ bauen. Aus Sicht der FDP-Politikerin die falsche Entscheidung: „Es geht nicht um Troisdorf oder Deutschland, es geht um die Ukraine.“ Strack-Zimmermanns Meinung: Die Rüstungsindustrie müsse mehr gefördert werden, um im Zweifelsfall schneller und einfacher Kapazitäten erweitern zu können. Zumindest in der Runde widerspricht niemand.
Ampel-Regierung: „Zu viel Ego in den Kürzungsverhandlungen“
Dann geht es aber statt der Ukraine doch noch um Deutschland, wenn auch nicht um Troisdorf. Denn auch hierzulande gibt es Krisen, in der Politik. Natürlich niemals vergleichbar mit den zuvor diskutierten. Doch natürlich treibt auch das die Menschen um: der gescheiterte Haushaltsplan der Bundesregierung. Der Übergang von Kriegen zu diesem Thema ist nicht wirklich gelungen, ist aber auch kaum zu meistern.
Long story short: Für die Corona-Krise bewilligte Mittel wurden für Klimaprojekte eingeplant. Die Union klagte, das Bundesverfassungsgericht erklärte den Bundeshaushalt für so nicht umsetzbar. Würden diese Projekte nun wegfallen, „dann ist das, was diese Koalition zusammengehalten hat, weg.“ Das Problem aus seiner Sicht: Alle Parteien der Ampel würden zu „viel Ego mit in die Kürzungsverhandlungen“ nehmen.
Gerhart Baum schlägt in dieselbe Kerbe. Auch er fordert von SPD, Grünen und FDP, schneller aufeinander zuzugehen als, wie aktuell, im Schneckentempo. „Es gibt so viele Krisen auf der Welt“, in den knapp 60 Minuten zuvor wurde genügend darüber gesprochen. „Und wir sind nicht in der Lage, unseren Haushalt zu beschließen? Unbegreiflich!“
Unnötige Diskussion über Gendersternchen? „Das macht die Opposition“
Immerhin: Über Gendersternchen, das Wort wird eingeworfen, verhake sich die Ampelregierung nicht, wie Feldenkirchen klarstellt. „Das macht die Opposition.“ Von der Hamas bis zu Gendersternchen: Die Sendung hat einen weiten Bogen an schlimmen und zu heiß gekochten Krisen des Jahres genommen.
Und was macht jetzt Hoffnung? Die Antwort müssen Zuschauerinnen und Zuschauer bei einer Umfrage in der Fußgängerzone übernehmen. „Erfolg im Job“, „die eigenen Kinder“, „Sport“, oder „das Mitmenschliche“ sind Aussagen, die fallen. Also doch noch ein kleiner Lichtblick vor der Weihnachtspause, in die sich „Hart aber fair“ mit dieser Sendung verabschiedet.