- Trump und die Mullahs: Hat die Vernunft noch eine Chance?, lautete die Ausgangsfrage bei „Hart aber fair“.
- Zu Gast waren Norbert Röttgen (CDU), Golineh Atai (WDR-Journalistin), Jürgen Trittin (Bündnis '90/Die Grünen), Christian Hacke (Professor für Politikwissenschaften) und Melinda Crane (US-amerikanische Journalistin)
Köln – Trump und die Mullahs: Hat die Vernunft noch eine Chance lautete das Thema von Frank Plasbergs Diskussionsrunde. Und als hätte sich der WDR-Moderator für das neue Jahr selbst Besserung in die Hand versprochen, bot er den Zuschauern zur Irankrise am Montagabend ein einigermaßen diverses und viel weiblicheres Podium an, als das in der Vergangenheit oft bei ihm der Fall war.
So war 2019 nur jeder dritte Gast von Plasberg weiblich, wie der Journalist Fabian Goldmann @goldi auf Twitter in einem lesenswerten Thread darstellt. Der Moderator belegte damit unter den vier analysierten Talkrunden der Öffentlich-Rechtlichen den letzten Platz.
Am Montag hatte Plasberg immerhin zwei weibliche Kolleginnen ins Studio eingeladen: Die aus dem Iran stammende ARD-Korrespondentin Golineh Atai; und Melinda Crane, die aus den USA stammende, politische Chefkorrespondentin von Deutsche Welle TV. An ihrer Seite diskutierten die beiden Außenpolitiker von CDU und Grünen, Norbert Röttgen und Jürgen Trittin, mit. Als dritten alten weißen Mann hatte Plasberg noch den emeritierten Bonner Politologen Christian Hacke ins Studio eingeladen. Hacke ist sicher ein extrem beschlagener Experte auch für die US-Außenpolitik, aber eine spannendere Diskutantin wäre etwa die streitbare Kölner Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur gewesen.
Das Ziel des Abends
„Besser verstehen, warum die Sache so brisant ist“ – so fasst Plasberg zu Beginn der Sendung sein Ziel für den Montagabend zusammen.
Der Weg dahin
Plasberg beginnt nicht beim Beginn der aktuellen Krise – dem von US-Präsident Donald Trump befohlenen tödlichen Attentat auf den Chef der Al-Kuds-Brigaden Soleimani –, sondern mit dem versehentlichen Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine durch die iranischen Revolutionsgarden. Golineh Atai sieht „sehr viel Wut“ in der iranischen Bevölkerung darüber, dass das Mullah-Regime nach anfänglichem Abstreiten zugegeben hat, dass der Abschuss ein Versehen war. Melinda Crane kritisiert Trump deutlich dafür, dass er die Proteste in Teheran via Twitter sogar in der Landessprache Farsi unterstützt hat. „Das ist kontraproduktiv.“
Hacke erzählt Unfug, als er sagt, dass das Problem im Nahen Osten und nur dort immer sei, dass politische Konflikte immer gleich auch religiös aufgeladen seien. Das ist der typisch eurozentristische Blick auf die Welt, der verkennt, dass Religion überall auf der Welt in politischen Konflikten eine große Rolle spielt – nur nicht in Europa.
Die wichtigste Frage des Abends
„Warum gibt es eigentlich keine eindeutige Antwort der Europäer?“, stellt Golineh Atai schon früh am Abend. Aber Plasberg will sich sein Konzept nicht aus der Hand nehmen lassen, unterbricht sie, und kommt auf das Attentat auf General Soleimani per Einspielfilmchen zu sprechen. Die Moderatoren-Grätsche gegen die Kollegin ist ein Jammer – weil am Ende ein bisschen wenig Zeit bleibt, die tatsächliche und die mögliche Rolle Europas in der Region wirklich einmal vertieft in den Blick zu nehmen.
Aber sei’s drum. Trittin macht mit Blick auf das Attentat klar: „Diese Form der automatisierten Hightech-Lynchjustiz können wir nicht akzeptieren.“ Dieser Bruch des Völkerrechts sei nicht in Ordnung, befindet der Grüne und bekommt dafür mit den stärksten Applaus des Abends. Röttgen versucht sich mit einer differenzierteren Antwort. „Wenn einer der wandelnde Organisator des Terrors in der ganzen Region ist, ist das dann nicht zu rechtfertigen, ihn umzubringen?“ Der CDU-Mann findet: Ja.
Plasberg spricht Crane als Amerikanerin an. Sie ist ganz klar: „Ich bin eher bei Herrn Trittin in dieser Frage. Wenn das stärkste Land der Welt sich nicht an das internationale Völkerrecht hält, unterminieren wir das Recht als etwas, was das ganze System stabilisiert. Wir haben in dem Moment das Gesetz des Dschungels.“
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Hacke stimmt aus politikwissenschaftlicher Sicht Crane und Trittin zu. „Das ist ein Offenbarungseid, dass man politisch am Ende ist, ein Zivilsationsbruch.“ Das Schlimme sei auch, dass ein solches Attentat auch die Iraner, die dem Mullah-Regime skeptisch bis ablehnend gegenüber stehen, mit dem Nationalen in Verbindung bringe. Auch Atai stimmt dem zu, weil es die Werte, für die USA stünden, delegitimiere. „Man hätte diesen Mann samt des gesamten Regimes vor einen internationalen Gerichtshof stellen müssen.“
Röttgen widerspricht. „Ein rechtstaatliches Verfahren gibt es nicht. Das ist reine Illusion.“ Unter Obama habe es auch schon gezielte Tötungen von Terroristen gegeben.
Hacke weist darauf hin, wer die Region in Unruhe gebracht hat. „Die letzten 20 Jahre amerikanischen Einsatzes haben die Region nicht stabilisiert, sondern destabilisiert.“ Hacke plädiert dafür, dass die westlichen Truppen aus dem Irak sich zurückziehen. „Wir sind Teil des Problems im Nahen und Mittleren Osten. Und wir Europäer haben da versagt.“
Wer steht nach dem Attentat besser da?
Ein Erfolg für Trump? Crane: „Das ist ein Erfolg in seinen Augen. In den Augen seiner Wähler nicht unbedingt.“ Sie verweist auf eine Umfrage, derzufolge die Amerikaner mehrheitlich die Aktion verurteilen. 60 Prozent der Amerikaner sagen demzufolge: „Die vielen Kriege der letzten 20 Jahre haben nichts gebracht.“ Sie sieht nicht, wie Trump sein Versprechen einhalten kann, die amerikanischen Truppen aus allen Ländern zurückzuziehen, „die uns hassen, wie er selbst 2016 gesagt hat.
Das Iran-Atomabkommen – ist es noch möglich, den Iran vom Bau einer Bombe abzuhalten?
Röttgen nennt den Ausstieg der USA aus dem Abkommen einen schweren Fehler. Es sei ein Widerspruch, das Abkommen aufzukündigen und gleichzeitig die Truppen aus der Region abziehen zu wollen.
Hacke hielt das Abkommen von Anfang an für gescheitert und bekommt dafür heftigen Widerspruch von Röttgen und Trittin. Trittin verweist darauf, dass die Internationale Atomenergiebehörde bis heute keinen Verstoß der iranischen Seite gegen die Atomauflagen festgestellt haben. Wenn der Iran eine Atombombe besäße, dann würde das Gleiche im Übrigen bald auch für Saudi-Arabien und eventuell Ägypten gelten.
Eindeutig überwiegt in der Runde die Auffassung, dass das Atomabkommen den Iran davon abgehalten habe, die Atombombe zu entwickeln.
Und was kann, was soll Europa?
Am Ende geht es dann um die Frage, die Atai früher aufgeworfen hatte: Welche Wirkung, welche Macht hat Europa in diesem Konflikt? Hacke: „Wir erleben ein neues Zeitalter brutaler Großmachtpolitik. Die europäische Diplomatie erscheint da machtlos.“ Speziell Deutschland sei keine Macht, die hard power und soft power miteinander kombinieren könne. „Wir werden eingesandwicht von den USA und Russland.“
Atai verweist auf die schwierige Lage Oppositioneller im Iran: „Die Unzufriedenen mit dem Regime sehen die Machtlosigkeit Europas. Sie wünschen sich eine konsequente Menschenrechtspolitik, die den Iraner klar macht: „Wir sehen euch und eure Interessen.“
Röttgen sieht den Zeitpunkt gekommen, dass Europa endlich mal eine gemeinsame Haltung in einer wichtigen außenpolitischen Frage entwickelt: „Wir sind aufgefordert, uns zu definieren, wie wir uns sehen.“ Und Hacke watscht ihn ab: „Aber das sagen wir seit Jahrzehnten.“
Am Ende hat dieser Abend bei Plasberg zwar – erwartbar – keine neuen Erkenntnisse gebracht. Aber er hat einige Schlaglichter auf die komplexe Lage im Iran und um den Iran herum geworfen, die auch für Zuschauer, die sich nicht täglich mit dem Irankonflikt beschäftigen, eine Bereicherung waren. Was bleibt? Mehr oder weniger große Verunsicherung bei allen Diskutanten, ob der Irankonflikt gebannt ist oder ein bewaffneter Konflikt nur für den Moment verschoben.