Köln – Regierungschefs und Monarchen aus aller Welt haben am Montag Queen Elizabeth II. die letzte Ehre erwiesen. Mit dabei: Geschätzte 4 Milliarden Menschen, die die Beisetzung live am Bildschirm verfolgt haben. Frank Plasberg nahm den Ausnahmezustand zum Anlass und fragte in der „Hart aber fair"-Sendung „Warum immer noch der Kult um die Königshäuser?" Mitdiskutiert haben:
- Mareile Höppner
- Katarina Barley
- Sascha Lobo
- Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny,
- James Hawes
Moderator Frank Plasberg leitete die Diskussionsfrage, ob nicht zu viel Aufhebens um den Tod der Queen gemacht wird, mit dem gewohnt satirischen Titel des Postillons „Britin, 96, gestorben" ein. Autor Sascha Lobo ging das noch nicht weit genug. Ein Staatsbegräbnis weltweit zu zelebrieren hieße auch, das Begräbnis eines Menschen zu feiern, der ein kolonialistisches und menschenfeindliches System repräsentiert habe. Für das Verhalten ihrer Vorfahren, die Lobo als „furchtbare Massenmörder" bezeichnete, habe sich die Queen zu Lebzeiten nie entschuldigt. Den Kult kann er nicht nachvollziehen: „Ich mag nicht, dass man sich der Monarchie so unkritisch nähert.“
Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny ergriff jedoch Partei für die verstorbene Königin „Die Queen hat dem Land Leben gegeben. Das lässt sich bei keinem Politiker finden und auch nicht erwarten." Und sie sei nunmal in ihren politischen Möglichkeiten beschränkt und dem Parlament unterworfen. ARD-Adelsexpertin Mareile Höppner sah beim Staatsbegräbnis „ein großes Wir-Gefühl“. Plasberg wollte daraufhin den Unterschied zu einer Soap wissen. „Es ist mehr dahinter“, war sich Höppner sicher.
„Hart aber fair“: „Sie wissen noch nicht, dass sie verarscht worden sind“
Die Vizepräsidentin im Europäischen Parlament, Katarina Barley, kam schnell auf den Fokus der Sendung zu sprechen, wenn auch etwas beschönigend formuliert: Im Vereinigten Königreich sei einiges im Umbruch. Da wären zum Beispiel die Folgen des Brexit, die sich eklatant auf die Wirtschaftsleistung des Landes auswirken und einen immensen Personalmangel im Inselstaat verursachen. Der britische Autor James Hawes bezeichnete Großbritannien als „Patienten, der sich endlich die Wahrheit ansehen muss. Sie wissen gerade noch nicht, dass sie verarscht worden sind.“ Er empörte sich, dass man in Großbritannien als Brexit-Gegner gar als staatsfeindlich gelte. Doch nicht nur, dass viele Briten keinen Zahnarzt mehr hätten, die „Financial Times" ging sogar so weit zu behaupten, dass Großbritannien das Land mit den meisten Einkommensungleichheiten in Europa sei.
Doch damit war noch nicht genug: Schottland will bekanntlich seit Jahren das Vereinigte Königreich verlassen und plant im Oktober 2023 ein erneutes Referendum. Dass Schottland wirklich unabhängig wird, zweifelte Katarina Barley entschieden an, gab aber eine emotionale Anekdote zum Besten. „Please leave the lights on", habe ein schottischer Abgeordneter nach dem Brexit bei der Verabschiedung aus dem EU-Parlament gesagt. Das klingt ganz danach, als habe Schottland sich bereits entschieden.
Sascha Lobo: Politische Entscheidungen statt Gespräche über Tampons
Auch der frischgebackene König wurde intensiv beleuchtet. Charles, der nicht mal 24 Stunden nach dem Tod seiner Mutter wegen eines ausgelaufenen Füllers außer Fassung geriet, wird von den Gästen überwiegend als menschlich interpretiert. Adelsexpertin Mareile Höppner sprach über die Szene in dem gezeigten Clip von „Szenen einer Ehe." James Hawes gab zu bedenken, dass grade Selbstbeherrschung neben Charakterzügen wie Anmut und Bescheidenheit als eine typisch britische Eigenschaft angesehen wird. Eigenschaften, die die Queen ohne Zweifel besessen hat. Ob Charles diese trotz der Füller-Szene auch erfüllt, blieb unbeantwortet im Raum stehen. Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny merkte an, dass grade den Monarchen immer mangelnde Menschlichkeit vorgeworfen werde. „Aber wenn sie dann menscheln, dann ist es auch wieder nicht gut."
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Von alten Skandalen Charles' wie dem berüchtigten belauschten Telefonat mit Camilla möchte Sascha Lobo nichts mehr hören. Er sprach von einer falschen Gewichtung, dass Charles an Sympathie wegen Nichtigkeiten wie intimen Gesprächen über Tampons verloren habe und andererseits die hochgelobte Queen in 70 Jahren zu keiner Entschuldigung über Taten wie die Sklaverei imstande war. Hier bliebe die Empörung größtenteils aus.
Hart aber fair: „Überlegenheit sieht nur von unten wie Arroganz aus"
Charles Umgang mit seinem Personal wurde ebenfalls Thema. Seine Handbewegungen in Richtung seiner Mitarbeiter werteten Lobo und Katarina Barley als Arroganz. „Überlegenheit sieht nur von unten wie Arroganz aus", warf Frank Plasberg daraufhin provokativ ein Zitat seiner Tochter aus England ein, woraufhin James Hawes einen Exkurs zur Tradition der Selbstdarstellung der englischen Oberklasse gab.
Die Monarchen sind Vorbilder für viele Briten. Brauchen auch die Deutschen ein Idol? Ja, fanden viele Befragten der Straße-Umfrage, denn „Einheit ist sehr wichtig“, und es brauche Vorbilder, die Menschen zusammenbringen. Vor allem drei Personen wurden genannt: Schwedens Klimaaktivistin Greta Thunberg, die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Eine Monarchie in Deutschland konnten sich aber weder die Studiogäste noch die Befragten so wirklich vorstellen. „Lächerlich" fand eine Frau. Auch wenn die Zeiten schwierig sind: Monarchie bleibt nach wie vor britisch assoziiert.
Andere royale Problem-Themen wie der Skandal um Prinz Andrew oder die Abkehr von Harry und Meghan vom britischen Königshaus wurden wohl bewusst ausgeklammert. Genug zu diskutieren gab es auch so. Dies geschah jedoch in vergleichsweise ruhigen Tönen. Die sonst oft so hitzige Talkshow erinnerte zeitweise mehr an eine gemütliche Plauderrunde. Das Schlusswort hatte James Hawes, der die Briten zum Beginn einer neuen Ära ermutigte: „Sie sollten diesen großen Tag als Abschiedstag sehen. Ein anständiger und bescheidener Platz in der Welt ist nichts Schlechtes."