Köln – Corona, natürlich. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt inzwischen bundesweit über 450 und Flugzeuge der Bundeswehr fliegen Intensivpatienten quer durch das Land dorthin, wo es noch freie Intensivbetten gibt, und die von Virologen als „besorgniserregend“ eingestufte Omikron-Variante ist inzwischen in Deutschland angekommen.
In der dritten Woche hintereinander befasste sich „Hart aber fair“ mit der Pandemie und schlug diesmal den Bogen zur Ampel, die demnächst die Regierungsgeschäfte übernehmen soll: „Neue Regierung, altes Problem“, war der Titel der Sendung, und Frank Plasberg stellte die Themen des Abends vor: Impfpflicht für alle? Lockdown nur für Ungeimpfte? Werden die Schulen wirklich offenbleiben?
Das waren die Gäste bei „Hart aber fair“
Bettina Stark-Watzinger (FDP), die künftige Bildungsministerin, will „alles tun“, um die vierte Welle zu brechen und die Schulen offenzuhalten; beim Thema Impfpflicht bleibt sie FDP-gemäß eher vage.
Norbert Röttgen, CDU-Präsidiumsmitglied, wirft der Ampel noch vor Beginn der Amtsgeschäfte „Zaudern und Zögern“ vor und fordert schnelles, überparteiliches Handeln. Er plädiert stark für eine allgemeine Impfpflicht und für den Kölner SPD-Mann Karl Lauterbach als künftigen Gesundheitsminister.
Martin Stürmer, Virologe aus Frankfurt, fordert umgehend strenge Einschränkungen der öffentlichen und privaten Kontakte – auch wegen noch unbekannten Gefahren durch die neue Variante Omikron.
Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, fordert die Länder auf, Kontaktbeschränkungen durchzusetzen und zeigt erneut „null Verständnis“ für voll besetzte Fußballstadien.
Bernd Ullrich, stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, bescheinigt der künftigen Ampel-Regierung dieselbe Angst vor unpopulären Entscheidungen wie sie schon bei Angela Merkel geherrscht habe – mit verheerenden Folgen angesichts der Pandemie.
Röttgen räumt Fehler der alten Regierung ein
Die Eröffnungsfrage, was die neue Regierung jetzt tun müsse, stellte CDU-Mann Norbert Röttgen vor das Problem, all das zu fordern, was die alte Regierung hatte liegen lassen. Immerhin: „Wir waren zu spät“, räumte er ein, als er von Olaf Scholz schnelles und überparteiliches Handeln forderte: „Die neue Regierung muss schneller sein als die alte.“
Katrin Göring Eckardt forderte ein „großes gemeinsames Zeichen“ aller demokratischen Parteien und dann zügige Entscheidungen: Kontakte reduzieren, Impfungen für so viel Menschen wie möglich und nicht mehr solche Fußballspiele wie das 50.000-Zuschauer-Spektakel bei der Partie des 1. FC Köln gegen Mönchengladbach,
Bernd Ullrich von der „Zeit“ forderte Mut der Regierenden: „Man kann in einer Pandemie nicht perfekt reagieren“, sagte er, aber statt immer zu spät und zu wenig zu handeln, sei es an der Zeit, lieber mal zu früh und zu viel zu tun.
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Die künftige Ministerin Bettina Stark-Watzinger betonte, die Politik müsse die Menschen zum Impfen motivieren – Impfen sei der Weg aus der Krise. Es sei unmöglich, dass die Wartezeit auf eine Booster-Impfung in Hessen aktuell drei Monate betrage. Martin Stürmer, Virologe aus Frankfurt, kritisierte scharf das Pandemie-Management auch der Länder in Deutschland: In vielen Ländern seien noch Lockerungen der Schutzmaßnahmen eingeleitet worden, als gleich nebenan die Zahlen schon wieder hochschnellten. Da gehe es auch um die Signalwirkung solcher Maßnahmen.
Katrin Göring-Eckardt zeigte sich erfreut beim Thema Booster-Impfung: „Das ist doch ein gutes Zeichen, dass so viele Leute sich boostern lassen wollen“, sagte sie und forderte als klares Zeichen die Einführung von 2G überall und flächendeckend in Deutschland. Auch Bettina Stark-Watzinger (FDP) fordert „klare Kommunikation, weniger Verunsicherung.“ Es gelte zudem abzuwägen zwischen der persönlichen Freiheit, sich nicht impfen zu lassen und dem Schutz der vulnerablen Gruppen und jenen, die sie pflegen.
Leopoldina fordert Einschränkungen auch für Geimpfte
Die Leopoldina, die Nationale Akademie der Wissenschaften, hatte sich am Wochenende nachdrücklich zu Wort gemeldet und umgehend deutliche Kontaktreduzierungen gefordert – auch für Geimpfte bis zu einer belastbaren Anzahl von Booster-Impfungen. Die Einschränkungen sollten gelten für Bars, Clubs, Gastronomie, aber auch für Privaträume. Und zwar so schnell wie möglich.
Diese klare Forderung der Wissenschaft brachte die Politiker etwas ins Wanken. Katrin Göring-Eckardt verwies darauf, dass den Geimpften versprochen worden sei, dass für sie die gröbsten Einschränkungen vorbei seien. „Ja,“, meinte sie, „Clubs, Bars, Gastronomie“ könnte man jetzt schon schließen. Aber es gelte, für die Gruppe der Geimpften – „die alles mitgemacht und sich solidarisch gezeigt haben“ – positive Aussichten zu erhalten. Das sei äußerst schwierig – auch mit Blick auf die Virus-Variante Omikron. Einen generellen Lockdown lehnte die Grünen-Politikerin ab – aus der Isolierung von Krankenhäusern, Pflege- und Altenheime habe man gelernt, das dürfe sich nicht wiederholen.
Norbert Röttgen betonte die absolute Dringlichkeit schnellen Handelns: „Es geht um Leben und Tod“. Der Virologe Martin Stürmer pflichtete ihm bei. Bei der Omikron-Variante handele es sich in Deutschland „noch um Einzelfälle“ – nach wie vor mache die Delta-Variante so gut wie 100 Prozent aller aktuellen Infektionen aus. Aber: „Wenn wir Kontakte nicht reduzieren“, sagte er, „bleibt es nicht bei Einzelfällen.“ Man wisse derzeit nicht, wie sich Omikron auf das Immunsystem auswirke und ob die Wirkung der Impfstoffe beeinträchtig werde – daher gelte es, sehr schnell zu handeln. Impfen sei weiterhin wichtig, es dauere aber zu lange bis zu einer ausreichend hohe Quote.
Ullrich will eine Impfpflicht – Kritik an FDP
Eine Bemerkung des Journalisten Bernd Ullrich leitete über zum Thema Impfpflicht. Ulrich sagte, dass sich bislang zwei Drittel bis drei Viertel der Deutschen vernünftig und solidarisch verhalten hätten. Mit Blick auf die Gruppe der Ungeimpften forderte er: „Freiheit muss beschneidbar sein, wo sie die Freiheit der anderen einschränkt“, sagte Ullrich, „die wichtigste Regel in der Demokratie ist die Mehrheitsregel.“
Der FDP warf er vor, in der schlimmsten Pandemie-Situation keine klare Haltung zu finden – eine mögliche Abstimmung über eine Impfpflicht wolle die Partei womöglich freigeben, um eine fraktionsübergreifend eine Mehrheit zu ermöglichen. Das sei ein verheerendes Zeichen, meinte er, und stehe für eine philosophische Verwirrung .
Die künftige Ministerin Bettina Stark-Watzinger widersprach ein bisschen: Es gelte, die Pandemie zu bekämpfen „mit allen Mitteln“, die verfassungsrechtlich möglich sind. Eine allgemeine Impfpflicht helfe nicht mehr gegen die vierte Welle. Man müsse diskutieren, und drüber nachdenken – bis dahin setze sie (und ihre Partei) auf Kontakteinschränkungen und Booster-Impfungen.
Auch Röttgen fordert allgemeine Impfpflicht
Die Grüne Katrin Göring Eckardt plädierte klar für eine allgemeine Impfpflicht; „Ja“, sagte sie, „in zwei Stufen.“ Als erstes müsste das Personal in Einrichtungen für besonders Empfindliche geimpft werden – Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Schulen und Kitas. In einem zweiten Schritt solle eine allgemeine Impfpflicht kommen. „Das ist kein hoher Eingriff“, sagte sie, „Impfpflicht ist nicht gleichbedeutend mit Impfzwang.“ Sie sei aber geeignet, die Mehrheit der Bevölkerung zu befreien aus der „Geiselhaft von Lockdown zu Lockdown.“ Geht es nach den Grünen, soll das recht schnell gehen – Anfang nächstes Jahres.
Norbert Röttgen wünschte sich, dass Angela Merkel und Olaf Scholz bei der Bund-Länder-Konferenz in Berlin sich gemeinsam und deutlich für eine allgemeine Impfpflicht aussprechen – „wir müssen jetzt handeln“, sagte er.
Alle sind für Lauterbach als Minister
Größere Einigkeit bestand in der Runde lediglich bei der Frage, wer denn im Kabinett Scholz das Gesundheitsministerium übernehmen solle. Wie bei einer Castingshow äußersten sich am Ende alle für den Kölner SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach – „Kompetenz und Vertrauen“, attestierte CDU-Mann Röttgen ihm, zudem „Persönlichkeit und Autorität.“
Katrin Göring Eckardt meinte, Lauterbach sei „politisch und fachlich ein Riesenpfund“, Bettina Stark-Watzinger (FDP) sagte: „Herr Lauterbach hat sich immer sehr klar und prägnant ausgedrückt; ich schätze ihn sehr. Sehr mutiger Mann!“ Und der Virologe Martin Stürmer ergänzte: „Was ich an ihm schätze, ist, dass wir oft einer Meinung sind“, meinte er, Lauterbach habe viel Weitsicht bewiesen und viele Menschen vor einer Infektion bewahrt. Mit anderen Worten: Lauterbach wäre „Eine sehr gute Wahl.“
Bernd Ullrich verwies allerdings auf ein mögliches „Defizit“ des Karl Lauterbach – er ist ein Mann. Und es habe den Anschein, als wolle Olaf Scholz den Posten mit einer Frau besetzen.