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Plasberg bei „Hart aber fair“Spahns Ankündigung zu Astrazeneca war wie „Nackenschlag“

Lesezeit 6 Minuten
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Karl Lauterbach (l.) und Frank Plasberg

Köln – „Wahlen in Zeiten von Corona: Wem vertrauen die Bürger?“ Über diese Frage wollte Frank Plasberg am Montag bei „Hart aber Fair“ unter anderem mit dem CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und Kevin Kühnert, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, diskutieren.

Eigentlich. Bis die Bundesregierung am Nachmittag einer aktuellen Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) folgend Corona-Impfungen mit dem Impfstoff Astrazeneca nun auch in Deutschland vorsorglich aussetzte. Nicht nur die Eilmeldungen und Seitenplanungen in den Redaktionen landauf landab überschlugen sich daraufhin, auch bei „Hart aber Fair“ wurde kurzerhand umgeplant: „Stopp für Astrazeneca: Impfplan gescheitert?“ lautete die neue Frage verbunden mit dem Versprechen: „Ihre Zuschauerfragen, beantwortet von Experten und Politikern“.

„Hart aber fair“: Die Diskussionsrunde

Von den ursprünglich geladenen Gästen darf nur der Chefredakteur der „Welt“, Robin Alexander, in der Runde verbleiben. „Es war wie ein Nackenschlag“, beschreibt Plasberg die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Uns allen ist die Tragweite dieser Entscheidung bewusst“, hatte Spahn dabei gesagt. Aber es sei eine fachliche Entscheidung, keine politische. Eine Entscheidung von politischer Tragweite sei es dennoch, stellt Alexander fest. Und mehr als das: „Eine fatale Entscheidung“. Das Vorgehen hinterlasse bei den Menschen das Gefühl: „Die wissen selber nicht Bescheid“.

Alles zum Thema Hart aber fair

Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte sich schon am Nachmittag kritisch über die Entscheidung der Bundesregierung geäußert und den Impfstopp für das Vakzin von Astrazeneca als „großen Fehler“ bezeichnet. Allerdings stellt er auch fest, dass es „überwältigend wahrscheinlich“ sei, dass die Thrombosebildung auf den Impfstoff zurückzuführen sei. Dennoch plädiert er bei der Größenordnung der Vorkommnisse der Komplikationen dafür, die Impfungen bei paralleler gründlicher Untersuchungen fortzuführen. Die Entscheidung schaffe nur große Verunsicherung und Misstrauen in einer Situation, in der es auf jede Impfung ankomme. „Ich rechne damit, dass die Prüfung eine Woche dauern wird“, dann sei er sich sicher, dass weiter geimpft werden könne.

„Die klare Botschaft ist hier: Es ist ein kleines Risiko“

Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar dagegen hält den Impfstopp mit dem Vakzin von Astrazeneca für richtig: „Die klare Botschaft ist hier: Es ist ein kleines Risiko“, aber da es sich um eine Impfung handele, sei es wichtig den Menschen zu vermitteln, das selbst das kleinste Risiko gewissenhaft geprüft werde.

Auch Andreas Gassen, der Vorstandsvorsitzende der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hält das Vorgehen der Bundesregierung für richtig: „Ich bin nicht so umfassend informiert wie Herr Lauterbach, der das alles ja offenbar schon weiß. Doch wahrscheinlich wird am Ende herauskommen, dass es eine Komplikation im Zusammenhang mit dem Impfstoff ist, aber ob es den Impfstoff an sich betrifft oder nur eine bestimmte Charge wissen wir jetzt noch nicht.“ Dennoch sei der Impfstopp ein Rückschritt und werde zu einer deutlichen Verlangsamung des Impfprogramms führen. „Astrazeneca macht ein gutes Viertel der anvisierten Impfstofflieferungen für das zweite Quartal aus“, stellt Gassen klar.

Schwindendes Vertrauen der Bevölkerung in die Corona-Politik von Bund und Ländern

Der Journalist Robin Alexander ist sich weniger sicher als Lauterbach und Gassen, dass die Impfungen mit Astrazeneca ab der nächsten Woche fortgesetzten würden. „Nochmal prüfen aber weiterimpfen“ sei Spahns Rhetorik noch am Freitag gewesen, das habe sich übers Wochenende völlig gedreht, es müsse also etwas passiert sein. „Es sind neue Fälle dazu gekommen“, sagt Alexander und fragt Lauterbach, ob er als Gesundheitsminister sich genauso äußern würde und die Impfungen parallel zu den Prüfungen fortsetzen würde. „Ja, ganz klar“ sagt Lauterbach. Die Politik folge meist dem Rat der Wissenschaft, in Ausnahmefällen jedoch könne sie sich darüber hinwegsetzen. „Ich hätte hier den Ausnahmefall gesehen“, konstatiert der Gesundheitsexperte.

Der Wissenschaftsjournalist Yogeshwar sieht das anders: „Ich sehe es als ein Stück Klarheit für den Bürger zu sagen: Wir gucken genau hin.“ Auch wenn 350.000 Impfungen pro Woche ohne dem Vakzin von Astrazeneca ausfallen werden, glaube er „langfristig ist das der richtige Schritt, denn langfristig brauchen wir Vertrauen“. Gassen setzt dem entgegen, dass die Leute mittlerweile mürbe durch den langen Lockdown seien, die Entscheidung sei nun bloß ein weiterer Schlag ins Kontor.

Impfgegner und Verschwörungstheoretiker dürften jubeln

Auch Plasberg befürchtet, die Impfgegner seien seit dem Nachmittag schon dabei, die Korken knallen zu lassen und fühlten sich in ihrer Ablehnung bestätigt. Für Gassen ist Transparenz das beste Mittel gegen Verschwörungstheoretiker und Impfgegner. Schon vorher habe die langsame Impfkampagne, aber auch der nicht-enden wollende Lockdown, das Scheitern der Corona-Warn-App und weitere Versäumnisse seitens der Bundesregierung in der Corona-Pandemie eine Skepsis bei den Menschen hervorgerufen, ob Deutschland noch gut regiert werde: „Politisch ist ein Grundvertrauen erschüttert worden“, befürchtet daher auch Alexander.

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Wie um dem etwas entgegenzusetzen kündigt da die gesamte Runde an, sich dennoch mit dem Vakzin impfen zu lassen. Yogeshwar beschwichtigt: „Wir reden über minimale Risiken“. Als Arzt hat Gassen sich sogar bereits mit dem Impfstoff von Astrazeneca impfen lassen und habe ihn unproblematisch vertragen. „Ich habe damals keine Bedenken gehabt und habe auch nach wie vor keine Bedenken“. Der Impfstoff helfe und schütze vor schweren Covid-19-Verläufen „und dass ist es auch am Ende, worauf es bei einem Impfstoff ankommt. Das ist mittlerweile schon ein psychologisches Problem, was wir mit Corona haben.“

Lauterbach: Wegfall von Astrazeneca wäre „eine Katastrophe“

Daher appelliert Gassen, auf weitere Strategien zu setzen als weiterhin nur auf Lockdowns und Impfungen, „das ist wie ein Hocker, der nur auf zwei Beinen steht.“ Gerade weil sich die Impfkampagne durch den Wegfall von Astrazeneca weiter verlangsamen dürfte. Davor warnt auch Lauterbach: Würde das Vakzin dauerhaft ausfallen sei das „eine Katastrophe“. Man habe dann zu wenig Impfstoff in den Impfzentren und in den Praxen, denn der Impfstoff von Moderna lasse sich nur schlecht in Arztpraxen lagern.

Yogehwar sieht das positiver: „Wenn man sich die Impfrate ansieht, ist sie dabei zu steigen“. Zudem kämen weitere Impfstoffe hinzu, wie beispielsweise das Vakzin von Johnson & Johnson. Lauterbach merkt jedoch an, dass der Impfstoff erst einen Monat später als angekündigt in Europa ankommen werde, vermutlich erst im Mai. Dennoch komme der Großteil der Vakzine im zweiten Quartal von Biontech, beruhigt Gassen.

Am Ende ist die Verunsicherung über den Impfstopp von Astrazeneca groß und nicht nur in den immer wieder eingeworfenen Zuschauerfragen spürbar. Während die Runde bemüht ist, zu beruhigen und die Entscheidung des Bundesgesundheitsministers einzuordnen, stößt sie allzu oft auf Unklarheiten und Unwägbarkeiten. Am Ende der Sendung ist man sich dennoch einig, dass es gut gewesen sei, den ursprünglichen Sendeplan kurzfristig umzuwerfen. Die Menschen seien verunsichert und bräuchten dringend Antworten. Wie so oft seit Beginn der Corona-Krise kommen diese jedoch allenfalls in der Form von Vermutungen daher.