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„Hart aber fair“Politiker zerren Sendung fast in das totale Chaos

Lesezeit 4 Minuten
haf 130922

Die Talk-Runde am 12. September bei „hart aber fair“.

Köln – Den Kamillentee, den Frank Plasberg dem Milchbuben und dem Milchmädchen am Ende seiner Diskussionsrunde zur Beruhigung der Gemüter in Aussicht stellte, hatte er selbst wohl am dringendsten nötig. Der 65-Jährige, seit 2001 Moderator von „hart aber fair“, musste sein ganzes Können aufbieten, um für ein wenig Ordnung zu sorgen. Mit körperlicher Präsenz dicht am Tisch seiner Gäste, mit Witz, mit Vehemenz, manchmal auch mit schlichter Ablenkung schritt er immer wieder ein, wenn das Gespräch in Beschimpfungen und Schuldzuweisungen zu ersticken drohte.

Das Thema der Sendung war eines, das aktuell vielerorts diskutiert wird: „Zu teures Gas, zu wenig Strom: Muss die Atomkraft doch länger laufen?“ Er wolle versuchen, „ein Fünkchen Hoffnung herauszukitzeln“, sagte Plasberg zu Beginn. Und das gemeinsam mit:

  1. Tarek Al-Wazir (B‘90/Grüne), Hessischer Wirtschaftsminister
  2. Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Verbraucher-Ratgebers „Finanztip“
  3. Caterina Künne, Inhaberin einer Bäckerei mit mehreren Verkaufsstellen in Hannover
  4. Gitta Connemann (CDU), Bundestagsabgeordnete, Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT)
  5. Prof. Dr. Stefan Kooths, Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel)

Doch vor allem die beiden Politiker, Al-Wazir aus dem Lager des Regierungsbündnisses und Connemann für die Opposition, sahen ihre Aufgabe eindeutig weniger im Hoffnungen machen und mehr darin, das gegnerische Lager für unzurechnungsfähig zu erklären.

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Der Höhepunkt ihres Streits: Er bezeichnete ihre Ausführungen als „Milchbubenrechnung“. Sie entgegnete: „Allenfalls eine Milchmädchenrechnung, da müssen sie schon das richtige Geschlecht annehmen.“

„Hart aber fair“: Bäckerin beklagt sich wegen steigender Energiekosten

Mittendrin erntete Caterina Künne, Inhaberin einer Bäckerei, deren Energiekosten 2023 massiv steigen sollen, Applaus mit dem Einwurf: „Schaffen sie das bis Januar?“ Es war nicht die Zankerei gemeint, obwohl das sehr passend gewesen wäre.

Die Frage galt Al-Wazir, der gerade ausgeführt hatte, dass man dem Gaspreis nun mal nicht wie dem Strompreis mit einem Kostendeckel beikommen könne, da es auf dem Gasmarkt keine Übergewinne zur Gegenfinanzierung gebe. Beim Gas heiße das Übel Putin „und dass wir uns abhängig gemacht haben von fossilen Energien“. Da helfe jetzt nur eine Beschleunigung der Energiewende.

An dieser Stelle fragte Bäckereibesitzerin Künne nach dem Zeitrahmen. Ihr steht die Schließung ihres Betriebs unmittelbar bevor. Sie weiß nicht, ob sie für Januar noch Mehl bestellen soll. Sie weiß nur: Wenn sie 2023 die Energiepreise zahlen muss, die ihr aktuell von möglichen Lieferanten angeboten werden, müsste sie ein Brot für acht Euro verkaufen. „Das wäre das Todesurteil für meinen Betrieb“, sagte Künne.

„Hart aber fair“: Grüne und CDU streiten sich um AKW-Laufzeiten

Die Antwort der Politiker: Connemann will die drei letzten in Betrieb verbliebenen Atomkraftwerke, die Ende des Jahres abgeschaltet werden sollen, noch für einige Jahre weiterlaufen lassen. Al-Wazir hielt dagegen: „Wir können mit Atomkraft den Gaspreis nicht retten.“ Der Journalist Hermann-Josef Tenhagen sprang ihm zur Seite: „Im Moment laufen die Meiler doch, und trotzdem sind die Preise so hoch.“ Connemann wiederum antwortete: „Es scheint die Ideologie an dieser Stelle die Vernunft beiseite geräumt zu haben.“

So wenig erhellend ging das hin und her. Wäre das Thema nicht so existenziell für viele, viele Menschen im Land, hätte man das vielleicht lustig finden können.

Dann war da noch Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel). Er lieferte Zahlen zum unguten Gefühl, das uns alle umtreibt: „Wir mussten die Konjunkturprognosen drastisch herabsetzen, wir sehen bei der Wirtschaftsleistung, die wir hier in diesem Land erbringen, einen Rückgang von 0,7 Prozent.“ Das klinge nach nicht mehr als einer kleinen Delle. Bedeute in eine Zahl gegossen aber: „Für dieses und das kommende Jahr haben wir die erwartete Wirtschaftsleistung um über 130 Milliarden Euro zurückgenommen. Das ist das, um das wir alle miteinander ärmer geworden sind.“

„Hart aber fair“: Frank Plasberg bringt Ruhe in chaotische Sendung

Bäckerei-Inhaberin Caterina Künne nahm am Ende zumindest dies mit: „Dass scheinbar alle verstanden haben, dass wir Hilfe brauchen.“ Tenhagen, Chefredakteur von „Finanztip“, sprang ihr bei: „Es muss eine Lösung her, oder man beschließt, dass man die Hälfte der Branche nicht mehr haben will.“

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Und Kooths mahnte, dass es nicht nur jene Branchen treffen dürfte, die direkt von hohen Energiepreisen betroffen sind. Sondern auch andere – einfach auf Grund des Kaufkraftverlustes in der Bevölkerung. Wer ein Brot für acht Euro kaufen muss, der verzichtet eben auf die Flasche Wein oder die neuen Schuhe.

Viel Hoffnung steckte nicht drin in dieser Ausgabe von „Hart aber fair“. Dafür ein wenig Wehmut, dass Plasberg Ende des Jahres aufhören wird. Sein Einsatz im Auge des Gezänks war wieder einmal bemerkenswert. Seinen Kamillentee hat er sich redlich verdient. (sro)