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„Hart aber fair“Putin dachte, dass er „in der Ukraine mit Blumen begrüßt wird“

Lesezeit 4 Minuten
Thumann haf

Michael Thumann von der „Zeit“ 

Köln – Im Zentrum der aktuellen Diskussion über den mittlerweile mehr als zwei Monate andauernden Angriffskrieg Russlands steht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Frage nach möglichen Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Bundesregierung hat dem vom Krieg gebeutelten Land eine Militärhilfe in Höhe von 1,4 Milliarden Euro zugesichert, die Lieferung von schweren Waffen wird aber weiterhin kategorisch ausgeschlossen. So fragte am Montagabend Moderator Frank Plasberg seine Gäste bei „Hart aber fair“: „Die Ukraine kämpft, Deutschland zögert: Lähmt uns die Angst vor Putin?“

Über das Thema diskutierten folgende Gäste:

  1. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Bundestagsabgeordnete, Mitglied im Bundesvorstand
  2. Michael Thumann, Außenpolitischer Korrespondent der Zeit, Leiter des Moskauer Zeit Büros
  3. Jan van Aken, Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Fragen der Sicherheits- und Friedenspolitik, von 2009 bis 2017 Außenpolitiker der Linksfraktion im Bundestag
  4. Yevgenia Belorusets, Ukrainische Fotografin, Künstlerin und Schriftstellerin, erlebte den Krieg in ihrer Heimatstadt Kiew
  5. Egon Ramms, ehemaliger NATO-General

Zu Beginn der Sendung lenkt Moderator Frank Plasberg den Blick seiner Gäste auf ein Foto von Wladimir Putin, der am orthodoxen Osterfest eine Kerze angezündet hat. Die Kerze stehe für Frieden, Putin für Angst und Schrecken. Dieses Bild findet Plasberg schwer zu verarbeiten. In einem Eingangsstatement bittet er seine Gäste, zu erläutern, wie sie sich vorstellen können, dass der Krieg zu Ende gehen könnte.

Alles zum Thema Hart aber fair

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Wladimir Putin, Präsident von Russland, besucht den orthodoxen Ostergottesdienst am 24. April.

Egon Ramms: Die Ukraine kann sich verteidigen

Der ehemalige Nato-General Egon Ramms erwartet, dass die Ukraine sich erfolgreich verteidigen kann. Er hatte ursprünglich befürchtet, „dass die russischen Soldaten durchmarschieren“, diese Sorge habe sich aber durch das Kriegsgeschehen nicht bewahrheitet. Er gehe davon aus, Gebiete im Osten und im Süden könnten durch die Ukraine gehalten und zurückerobert werden.

Ein Friedensabkommen sieht die ukrainische Künstlerin Yevgenia Belorusets nicht als ein realistisches Ende des Krieges an, viel mehr würde alleinig ein Ende der militärischen Auseinandersetzung einen Schlussstrich ziehen, da der „Aggressor Russland“ keinen Frieden zulasse.

Michael Thumann: „Putin dachte, dass er in der Ukraine mit Blumen begrüßt wird.“

Zeit-Korrespondent Michael Thumann erklärt, Putin dachte, dass er „in der Ukraine mit Blumen begrüßt wird.“ Dieser Erwartung hat sich für Putin nicht bewahrheitet. Er werde aber dennoch erst aufhören, wenn er ein in Russland vorzeigbares Ergebnis habe, das er zu seinem Zwecke instrumentalisieren könne, so Thumann.

Jan van Aken von der Rosa-Luxemburg-Stiftung plädiert für eine friedliche Lösung des Konfliktes über Friedensverhandlungen, die man über Druckmittel wie wirtschaftliche Sanktionierung erreichen könne. Dem widerspricht Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Für sie sei ein militärischer Sieg die einzige Lösung, da Putin „keine Regeln kenne“. Dies zeige sich in seiner Kriegsführung, da Frauen vergewaltigt würden und Fluchtkorridore verriegelt werden.

In diesen Eingangsstatements zeichnet sich bereits ein Bild ab, das den restlichen Verlauf von „Hart aber fair“ zusammenfasst. Zwischen van Aken und Strack-Zimmermann kommt es mehrmals zu heftigen Meinungsverschiedenheiten. Van Aken bemängelt: „Wir waren doch mal ein Land, das außerhalb des Militärischen denken konnte“.

Strack-Zimmermann: „Die Naivität soll aufhören“

Strack-Zimmermann stimmt ihm zu, dass wirtschaftliche Sanktionen ein wichtiges Mittel gegen Putin seien, kritisiert aber, dass diese „Naivität aufhören soll“. Damit meint sie, dass man an einem Punkt angekommen sei, an dem Putin mache, was er möchte. „Putin versteht nur die klare Sprache der Waffen“, deshalb solle man schwere Waffen wie zum Beispiel Panzer an die Ukraine liefern und über militärische Möglichkeiten nachdenken. Sie bemängelt, van Aken würde "alles durcheinanderbringen".

Zeit-Korrespondent Thumann zeigt sich versöhnlich zwischen den beiden Fronten. Es gebe kein entweder oder zwischen Sanktionen und militärischen Überlegungen, denn „wir brauchen beides“. Bis auf van Aken stimmen alle Gäste an diesem Abend zu, dass auch schwere Waffen an die Ukraine geliefert werden sollen. Die Zurückhaltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stößt auf wenig Verständnis. Ampel-Koalitionspartnerin Strack-Zimmermann sieht aber keinen Bruch oder Streit in der Koalition.

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Diskutiert wird auch die Verweigerung einer Einladung in die Ukraine für den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Yevgenia Belorusets, selbst aus Kiew stammend, sieht in der Reaktion Selenskyjs eine emotionale Antwort, denn „es war so ein Moment, in dem Worte fehlten“.

Man versuche, in dem Albtraum, in dem man lebe, nicht wahnsinnig zu werden. Das sei aber seit der Krim-Krise 2014 für Ukrainer und Ukrainerinnen zunehmend schwer, so die Künsterlin. Die Ausladung Steinmeiers sei aber keine „ewige Absage“ und sie zeigt sich optimistisch, dass die Ukraine auch in Zukunft bereit zum Dialog mit Deutschland sei.