AboAbonnieren

Hart erarbeiteter GlücksfallWas die Offene Jazzhaus-Schule Köln so besonders macht

Lesezeit 3 Minuten

Rainer Linke übergibt die Jazzhaus-Schule nach vier Jahrzehnten an Josha Oetz (r.).

  1. Die Offene Jazzhaus-Schule Köln feiert ihr 40-jähriges Bestehen.
  2. Ein Porträt über die sehr besondere Institution, ihre Entstehung und Geschichte.

Köln – Noch drei mittelalterliche Stadttorburgen sind in Köln erhalten. Eher beiläufig nehmen die meisten sie als schmuckes Element im Stadtbild wahr, ohne zu fragen, was sich in ihrem Inneren abspielt. Dabei beherbergt die Eigelsteintorburg eine wahre Preziose der Kultur- und Bildungsarbeit in Köln: Seit 25 Jahren residiert hier die Offene Jazzhaus-Schule, die als Freies Zentrum für Improvisierte und Populäre Musik geradezu visionär Musik, Bildung, Pädagogik, gesellschaftliche Beteiligung und kritisch-kreatives Engagement zusammenführt.

Ihre Geschichte begann freilich noch weit früher, nämlich vor 40 Jahren, als Rainer Linke, Joachim Ullrich, Raimund Kroboth und andere Musiker aus dem Umfeld der Initiative Kölner Jazzhaus ihr innovatives Bildungskonzept ins Leben riefen. Gleichwohl war für Rainer Linke, bis heute Leiter der Schule, der Einzug in die Eigelsteintorburg eine Zäsur. Vorausgegangen waren lange Verhandlungen mit der Stadt, immer wieder kam es zu Protestaktionen vor dem damaligen Domizil im Bayenturm.

Dort begann 1980 die musikpädagogische Arbeit, entstanden aus dem Zeitgeist der alternativen Bewegungen, befeuert durch den Kulturkampf der Initiative Kölner Jazzhaus, bei dem es auch um die Vermittlung von Musikinhalten ging. So wurde der Bayenturm zum Anziehungspunkt für Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichsten sozialen Milieus, hier wurde kritisches Denken befördert, entstand ein Sensus für soziale Fragen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Heute verzeichnet die Jazzhaus-Schule mehr als 5000 Teilnehmer, 200 Dozenten, zwölf Mitarbeiter, arbeitet mit diversen Kooperationspartnern, Stiftungen und Mitstreitern in Politik und Verwaltung von Stadt und Land. Von Beginn an war das Wort „Jazz“ im Namen der Schule betont weit gefasst. So wie Jazz für ein grenzen- und formenüberschreitendes Musikverständnis mit Schwerpunkt Improvisation steht, so fußt auch das Bildungskonzept der Offenen Jazz haus Schule darauf, ihrer pädagogischen Arbeit möglichst viele Musikspielarten zugrunde zu legen.

Die Liste der Dozentinnen und Dozenten liest sich wie ein Who’s Who des Kölner Jazz, wobei Namen wie Theresia Philipp, Reza Askari, Lucas Leidinger, Tamara Lukasheva, Norbert Scholly, Elisabeth Coudoux, Roger Hanschel, André Nendza, Ulla Oster, Philip Zoubek oder Maik Krahl für ein offenes, „durchlässiges“ Denken und Musizieren stehen. Entsprechend hat sich die Jazzschule längst auch für Rock und Pop, Weltmusik, HipHop, Techno und elektronische Musik oder auch die Neuen Musik geöffnet.

Zwar hat die Schule in der Eigelsteintorburg ihr Zentrum, tätig aber ist sie an vielen Orten und Einrichtungen in der Stadt. „Die Struktur lässt sich mit vier Säulen beschreiben“, erläutert Linke. „Die Jazzhaus-Musikschule mit Kursangeboten für musikalische Laien, die Jazzhaus-Akademie mit den Bereichen Weiterbildung, Konzeptentwicklung und Veröffentlichung für Multiplikatoren, die Jazzhaus-Soziokultur unter dem Anspruch von Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder und Jugendliche, unabhängig von der sozio-ökonomischen Situation ihrer Familien; schließlich sind wir als Jazzhaus-Bildungspartner Partner in der regionalen Bildungslandschaft für Kitas, Schulen, Jugendeinrichtungen und Hochschulen.“

Beachtliche Projekte

Gerade in der kulturellen Schulentwicklung entstanden beachtliche Projekte wie MuproMandi an der Grundschule Manderscheider Platz, das Musik-Tanz-Projekt „KlangKörper“ an der Grundschule Kunterbunt in Bocklemünd und vieles mehr. Setzt man dies ins Verhältnis zu den „großen“ Jazz-Konzerten und verbindet beides mit den Möglichkeiten musikalischer Ausbildung in der Stadt, dann offenbart sich eine wahrlich beglückende Situation, an der die Offene Jazzhaus-Schule einen essenziellen Anteil hat.

Mit dem Jubiläum steht ein Personalwechsel an: Rainer Linke, der die Schule vier Jahrzehnte lang führte übergibt sie an seinen bisherigen Stellvertreter Joscha Oetz. Zurzeit finanziert sich die Schule zu zwei Dritteln aus Teilnehmerentgelten und zu einem Drittel aus Fördermitteln, erstmalig werden im städtischen Doppelhaushalt 2020/21 nun Mittel zur Förderung von Dozentenhonoraren und anteilig für Stellen der Jazzhaus-Musikschule bereitgestellt. Womit immer noch keine Planungssicherheit besteht, sodass sich Linke ein langfristiges Mandat der öffentlichen Hand für alle vier Säulen seiner kulturellen Bildungsarbeit wünscht.

Der Jubiläumsfestakt „40 Jahre Offene Jazzhaus-Schule Köln“ findet am 19. Juni im „Green Room“ des Stadtgartens in Anwesenheit von Oberbürgermeisterin Henriette Reker statt.