- Am Pfingstmontag gibt Grebe sein „Münchhausenkonzert“ in der Kölner Philharmonie.
- Im Interview spricht der Musiker und Autor über Trump, Aluhüte, Schlaganfälle und Corona.
Köln – Herr Grebe, am Montagabend spielen Sie in der Kölner Philharmonie endlich Ihr „Münchhausenkonzert“, das erst wegen Corona und dann noch mal wegen Ihrer Erkrankung verschoben werden musste. Aber das Thema – Lügen oder wie es heute heißt „alternative Fakten“ – hat inzwischen nichts von seiner Aktualität verloren ...Rainald Grebe: Als ich das Programm geschrieben habe, war Donald Trump noch an der Macht, und ich hatte Instagram für mich entdeckt. Das spielt also alles mit da rein. Und in jedem Mietshaus einer großen Stadt gibt es doch heute mindestens einen, der den Alu-Hut aufhat. Fake News und Verschwörungstheorien – diese ganzen Zeit-Phänomene kann man ja mit der alten „Münchhausen“-Geschichte verbinden.
Lügen und Propaganda gab es immer schon
Ist das denn tatsächlich ein Zeit-Phänomen? Oder fällt es heute nur stärker auf – auch durch die sozialen Medien?
Lügen, Propaganda – natürlich gab es das immer schon. Aber dieses ungefilterte Veröffentlichen gerade in den sozialen Medien und dieses Bearbeiten von Bildern, das hat eine neue Qualität. Genauso wie Herr Trump mit seinen alternativen Fakten. Dass da jemand so klar lügt oder besser: Bullshit erzählt. Das ist eine neue Stufe – völlig jenseits von Begriffen wie „Wahrheit“ oder „Lüge“.
Wobei Sie als Künstler ja auch gerne mit der Wahrheit spielen, oder?
Ja, aber da sehe ich mich mit meinem Metier durchaus in Konkurrenz. Die Kunst hatte früher die Aufgabe, der vernünftigen Welt die Fantasie entgegenzusetzen. Aber von einer vernünftigen Welt entfernen wir uns immer weiter. Während der Corona-Zeit haben selbst einige Wissenschaftler Bullshit geredet. Da ist den Künstlern der feste Boden der Realität entzogen worden, von dem man sich abheben kann.
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Ende 2021 ist Ihre Autobiografie „Rheinland Grapefruit“ erschienen – oder besser „Autofiktion“? Wie sieht es da mit der Wahrheit aus?
Ich wollte keine Autobiografie schreiben im klassischen Sinne – so dieses authentische: „Ich sag’ jetzt alles“. Sondern das sollte schon Literatur sein, fantastische Literatur. Aber letztlich hat die Realität dann doch zugeschlagen, ich wollte eigentlich noch viel mehr erfinden. Nur war es immer besser, wenn ich das, was tatsächlich war, aufgeschrieben habe.
In dem Buch schreiben Sie auch über Ihre seltene Autoimmunerkrankung, in deren Folge Sie seit 2017 mehrere Schlaganfälle hatten. Wie hat das Ihre Arbeit verändert?
Ich komme immer wieder zurück in mein altes Leben – zurück zur Bühne, dem Applaus, dem Jubeln. Ich möchte in den Bühneneingang reingehen, mich umziehen ... Alles, was ich schon so lange kenne. Weil das ja eigentlich schön ist, ein Geschenk. Zum Beispiel jetzt in der Kölner Philharmonie zu spielen. Und trotzdem fühle ich mich auch gefangen in diesem alten Leben.
Ich habe mein Privatleben nie verschwiegen
Wie meinen Sie das?
Es wäre ja auch möglich, sich rauszuziehen, ein neues Leben aufzubauen. Um meinen Körper zu schützen. Und das traue ich mich nicht. Mir fehlt die Freiheit zu sagen, ich mache jetzt in Sri Lanka einen Ayurveda-Kurs und bleibe da mal ein halbes Jahr oder so was. Aber das geht mir schon im Kopf rum.
War es für Sie immer klar, dass Sie Ihre Krankheit auch öffentlich machen?
Ich habe mein Privatleben nie verschwiegen. Und es war eher ein Zufall, dass ein Verlag mich vor meinem 50. Geburtstag anfragte, ob ich nicht meine Autobiografie schreiben will. Ich hab’ denen erst mal einen Vogel gezeigt. Ich quatsche keine Tonbänder voll, wie man das so von Prominenten kennt. Aber dann kam die Krankheit und die Corona-Zeit – und so hat sich das eigentlich ergeben. Es war klar: Ich kann jetzt gerade nicht mehr weiterarbeiten oder weiterleben wie vorher. Die Zukunft ist völlig unklar – und das ist eine gute literarische Vorlage.
Zur Person
Rainald Grebe wurde 1971 in Köln geboren und wuchs in Frechen auf. Er studierte Puppenspiel an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Berlin und war Dramaturg, Schauspieler und Regisseur am Theaterhaus in Jena. Danach arbeitete er frei für Theater, als Kabarettist, Songschreiber und trat regelmäßig auch in Comedy-Sendungen auf. Sein Lied „Brandenburg“ kennt (nicht nur) jeder Brandenburger und Berliner.
Am Pfingstmontag, 20 Uhr, spielt Grebe sein „Münchhausenkonzert“ in der Kölner Philharmonie. Karten kosten zwischen 15 und 37 Euro.
Wie geht man mit so einem ernsten Thema wie Ihrer Krankheit um, wenn die Öffentlichkeit Spaß und Unterhaltung erwartet? Haben Sie da eine Form gefunden?
Die Form ist ja dieses Buch, zum Beispiel. Das auch gar nicht nur lustig ist. Und jetzt bei dem Münchhausen-Konzert, steht kein Patient auf der Bühne, da spielt meine Verfassung gar keine Rolle.
Kunst gilt in unserer Gesellschaft nicht als „systemrelevant“ – das ist eine Lehre aus der Corona-Zeit.
Tatsächlich habe ich den Eindruck, dass die Kunst und die Künstler ins Hintertreffen geraten sind – auch, weil wir während der Hochzeit der Corona-Pandemie lange nicht spielen durften und weil die ganzen Leute von der Technik jetzt in anderen Berufen arbeiten. Es kommen weniger Leute, weil die vielleicht zu Hause bleiben und Netflix gucken oder einfach nur auf dem Sofa sitzen. Der Stellenwert hat sich verschoben und ja – das macht auch etwas mit mir.