Mainz/Köln – Kaum im Hauptprogramm angekommen, schon ist die Krawatte weg. Jan Böhmermann nannte dafür aber am Freitagabend bei der Premiere des „ZDF Magazin Royale“ einen guten Grund: Die Krawatte war vor dem Start des Teil-Lockdowns nochmal feiern und musste deshalb in Quarantäne. Ansonsten spielte die Corona-Pandemie in seinem ersten Auftritt nach rund einem Jahr Fernsehabstinenz nur eine Nebenrolle. Präsent war sie natürlich dennoch, saß der 39-Jährige doch in einem fast leeren Studio, nur ein paar Mitarbeiter waren anwesend. Bezugnehmend auf das andere „ZDF Magazin“, die Sendung, die Gerhard Löwenthal ab Ende der 60er Jahre für fast 20 Jahre moderierte, versprach Böhmermann „unabhängig, entschieden und furchtlos“ aufzuklären.
Worum es ihm in dieser ersten Ausgabe ging, stand schon vorher fest: Zum einen um die gefährliche Parallelwelt Telegram, das „digitale Mordor“. In dem Messenger-Dienst verbreiten Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker – was ja oft dasselbe ist – gefährlichen Unfug. Unkontrolliert und ohne rechtliche Konsequenzen erreichen sie so Hundertausende.
Böhmermann legt Social-Media für Telegram-Kanal auf Eis
Um darauf aufmerksam zu machen, hatte Böhmermann vor rund einer Woche seine anderen Social-Media-Kanäle vorübergehend auf Eis gelegt und mit viel Aufwand in seinem rasch wachsenden Telegram-Channel sinnfreien und inhaltsleeren Unfug verbreitet. In Ansprache und Gestaltung waren seine Nachrichten kaum von denen „echter“ Telegram-Größen wie Xavier Naidoo zu unterscheiden. Nur dass Böhmermann bei seiner „Arschbombe rein in die alternative Wirklichkeit“ keine „antisemitischen Märchen“ wie der namentlich nicht genannte „Mannheimer Mainstream-Kuschelpoper“ verbreitete.
Die wahre Verschwörung, dass es gar keine Verschwörung gibt, war dann auch Hauptthema eines knapp 20-minütigen Stücks, das ab 18 Uhr auch schon bei Telegram – wo sonst? – zu sehen gewesen war. Böhmermann nahm sich die Superreichen wie Bill Gates (aber eben aus anderen Motiven als Naidoo und Co.) und Jeff Bezos und deutsche Milliardäre wie die Klattens, Quandts oder Lidl- und Kaufland-Gründer Dieter Schwarz, den reichsten Deutschen, vor. Die verdienten auch während der Pandemie kräftig Geld, zahlten nicht oder kaum Steuern und nutzten ihren Einfluss auf die Politik, um ihre Interessen durchzudrücken.
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So zitierte Böhmermann aus einem Artikel, in dem zu lesen war, dass die BMW-Erben sich dieses Jahr 760 Millionen Dividende bewilligten, während 30.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit waren. Und auch dass Jeff Bezos‘ Riesenkonzern Amazon 2017 und 2018 nicht einen Cent Einkommenssteuer in den USA zahlte, ist zwar nicht neu, aber es in so komprimierter Aufarbeitung zu sehen, war durchaus erhellend.
Die reichsten Familien
„Die ungleiche Verteilung von Geld und Gütern ist neben dem Klimawandel das größte Problem der Gegenwart“ sagte Böhmermann und nahm sogleich allen Wind aus den Segeln, die dahinter eine jüdische Weltverschwörung wittern. Das Gegenteil sei richtig: 7 der 11 reichsten Familien Deutschlands seien auch deshalb so vermögend, weil sie zwischen 1933 und 1945 mit den Nazis paktierten.
Neben diesen Hauptteil der rund 30 Minuten langen Sendung, der sehr an John Olivers „Last Week Tonight“ erinnerte, gab es ein paar sehr hübsche Einfälle zum Start des „ZDF Magazin Royale“. So wünschten zum Beispiel am Anfang ausgewiesene Böhmermann-Fans wie „Schwiegertochter gesucht“-Moderatorin Vera Int-Veen, Österreichs Rechtsaußen Heinz-Christian Strache, Journalist Jan Fleischhauer und AfD-Sympathieträger Alexander Gauland dem Moderator alles Gute – oder auch nicht - zum Sendungsstart. Auch die Idee, Klappmaulpuppe Spencer aus der Kindersendung „Hallo Spencer“ zum Verschwörungstheoretiker aufzubauen, hatte Charme.
Der große Wurf blieb aus
Der ganz große Wurf blieb in dieser ersten Ausgabe allerdings aus. Die Stück über die ganz große Verschwörung war gut aufbereitet, hielten aber für Menschen, die das Weltgeschehen aufmerksam verfolgen, wenig Neues bereit. Zudem vermisste man Gäste, mit denen Böhmermann interagieren konnte und auch auf das anarchische Element, das sonst immer einen festen Platz in seinen Sendungen hat, wartete man vergeblich. Die Leichtigkeit aus ZDFneo-Tagen hatte sich noch nicht so recht eingestellt, da half auch die fehlende Krawatte nicht.
So blieb die Erkenntnis, dass die Show vor der Show, der liebevoll geplante und umgesetzte Wechsel zu Telegram vor rund einer Woche, die größere Überraschung war.
Das überraschend großartige Schlusswort bei der Premiere hatte aber ein anderer. Niemand Geringeres als Songpoet H.P. Baxxter von Scooter gab mit dem Rundfunktanzorchester Ehrenfeld - wie er selbst auch per Video zugeschaltet - ein Lied zum Besten, das es vermutlich sehr schnell zur Hymne des Jahres schaffen wird: „FCK 2020“. Schöner hätte man es nicht sagen können.