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Käthe-Kollwitz-MuseumEröffnung frühestens im Sommer, aber das Warten lohnt

Lesezeit 5 Minuten
Der Kopf eines Mädchens ist zwischen Tuschflecken zu sehen.

Käthe Kollwitz' Tuschzeichnung ihrer Schwester Lise im Bett (um 1890) ist eine Neuerwerbung des Kölner Kollwitz-Museums.

Das Käthe-Kollwitz-Museum in Köln wird saniert und deutlich später wiedereröffnet als geplant. 2025 soll es aber definitiv so weit sein.

Als junges Mädchen zog es Käthe Kollwitz (1867-1945) bereits fort von der eigenen Gesellschaft hin zu den Lastträgern und Hafenarbeitern. „Das ganze bürgerliche Leben erschien mir pedantisch“, erinnerte sie sich später, „einen großen Wurf hatte das Proletariat.“ Als Künstlerin zeichnete sie diesen „großen Wurf“ dann vor allem mit Druckgrafiken nach, mit düsteren Skizzen der Armut, des Leids und des Aufbegehrens gegen die menschenunwürdigen Verhältnisse ihrer Zeit.

Es erscheint heute wie vorherbestimmt, dass Kollwitz, eine der größten Grafikerinnen der Kunstgeschichte, die bürgerliche Malerei hinter sich ließ und gegen die Arbeiterwerkzeuge der Drucktechnik eintauschte. Aber die Frage, welche Malerin aus ihr geworden wäre, ist deswegen nicht belanglos, insbesondere dann nicht, wenn man vor Kollwitz‘ Ölporträt ihrer Cousine Else Rupp steht. Es entstand um 1890, zu der Zeit, als Kollwitz ihre akademische Ausbildung abschloss und ihren Weg als freie Künstlerin suchte.

Stilistisch erinnert einiges an ihren Lehrer, den Maler Ludwig Herterich, etwa die bewusste Beschränkung auf wenige, miteinander verwandte Farben, oder die Manier, die Porträtierte im Hintergrund versinken zu lassen, als wäre der ein weiches Kissen. Aber für Kollwitz war dieses Gemälde offenbar mehr als eine Fingerübung. Man spürt ihr Verständnis und ihre Zuneigung, das Bild wirkt, als wolle sie einen bösen Gedanken zurücknehmen, den sie später sogar aufschrieb: „Ohne Reiz waren mir Menschen aus dem bürgerlichen Leben.“

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Bei Schließung war noch von einer möglichen Wiedereröffnung im Sommer 2023 die Rede gewesen

Das „Bildnis Else Rupp“ ist eines von lediglich vier bekannten erhaltenen Ölbildern der weltberühmten Grafikerin. Alle vier befinden sich im Kölner Käthe-Kollwitz-Museum, das Porträt der Cousine seit kurzem als Dauerleihgabe. Allerdings konnte es in Köln noch nicht gezeigt werden – das von der Kreissparkasse Köln gegründete Museum am Neumarkt wird seit Herbst 2022 renoviert. Seine Premiere feierte „Else“ stattdessen letztes Jahr als eine von vielen Kölner Leihgaben der gefeierten Kollwitz-Ausstellung im Frankfurter Städel. Wann sie am Neumarkt zu sehen sein wird, ist weiterhin ungewiss.

Bei Schließung war noch von einer möglichen Wiedereröffnung im Sommer 2023 die Rede gewesen. Jetzt hofft Katharina Koselleck, die Direktorin des Kollwitz-Museums, auf den Sommer dieses Jahres. Sie führt über eine weiterhin aktive Baustelle, das Museum ist nur ein Bestandteil eines groß angelegten Bauvorhabens der Kreissparkasse. Das habe die Sache verkompliziert, so Koselleck, die Haustechnik hänge an einem Verbund. „Aber wir eröffnen definitiv im Jahr 2025.“ Und dann mit dem „Else“-Porträt und weiteren wichtigen Neuerwerbungen.

Auch wenn ein Museum geschlossen ist, geht die Museumsarbeit weiter. Das Kollwitz gab mehrere Gastspiele in Kölner Museen, etwa in der Domschatzkammer und im Wallraf, wo zwei frühe Ölskizzen von Kollwitz zu sehen waren. Dazu bietet das Museum weiterhin Kollwitz-Führungen durch die Stadt an, und seine Mitarbeiterinnen besuchen Schulklassen und Kindertagesstätten – gerade in den Kitas war die Nachfrage groß, so Koselleck. In den Schulen geht es dann beispielsweise um Wegwerfmode und die Arbeitsbedingungen, unter denen diese produziert wird. Letztere unterscheiden sich wohl nicht gravierend von den Bedingungen, die Kollwitz in ihrem berühmten „Weber“-Zyklus beklagte.

Eine junge Frau schaut ernst zum Bild heraus.

„Porträt Else Rupp“ (um 1890), eine Dauerleihgabe aus dem Nachlass der Familie Rautenberg

Dank der unerwartet langen Schließzeit konnte das Museum seine Bestände großzügig verleihen – die Kollwitz-Sammlung des 1985 mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln gegründeten Hauses ist mittlerweile die größte weltweit. Allein in Kopenhagen sind derzeit rund 90 Kölner Leihgaben zu sehen, darunter etliche „Heiligtümer“, die sonst einen festen Platz in der Sammlung beanspruchen. Auch im New Yorker Museum of Modern Art, das im Frühjahr 2024 eine Kollwitz-Werkschau zeigte, war Köln als wichtiger Leihgeber vertreten, wie man überhaupt sagen kann, dass 2024 ein großes Kollwitz-Jahr gewesen ist – leider nur mit indirekter Beteiligung ihres (neben Berlin) wichtigsten Museums.

Trotzdem hofft Koselleck auf einen Werbeeffekt für Köln. So vielfältig wie am Neumarkt ist das Kollwitz-Werk sonst nirgends präsent. Zum Bestand zählen neben Abgüssen sämtlicher Plastiken mehr als 300 Zeichnungen und über 550 druckgrafische Blätter, die großen Themen der Künstlerin lassen sich hier eindrucksvoll aufblättern: die forschenden Selbstporträts, das Engagement gegen den Krieg, die ergreifende Darstellung von Leid, Sterben und Tod. Ist die Zeit heute wieder reif für eine Künstlerin, die Politisches und Privates so radikal verschränkte wie Kollwitz?

Im Grunde war Käthe Kollwitz immer aktuell, so wie die Welt beschaffen ist

Im Grunde war Kollwitz immer aktuell, so wie die Welt beschaffen ist. Aber natürlich unterlag ihr Werk gewissen Moden. Nach ihrem Tod, der mit dem Kriegsende zusammenfiel, wurde die erklärte Antifaschistin von der DDR für sich reklamiert, und diese Vereinnahmung kam vielen im Westen Deutschlands vermutlich gar nicht ungelegen. Wenn man vor Kollwitz‘ Bildern etwas nicht kann, dann sich von Leid und Ungerechtigkeit nicht berühren zu lassen.

Ein wenig neidisch blickt Koselleck auf die Möglichkeiten, die man am New Yorker Museum der Moderne hat. Aber vor allem ist sie froh und dankbar, dass sich die Kreissparkasse mit der aktuellen Grundsanierung zur Zukunft des Museums bekennt. Vor 40 Jahren sprang das Bankhaus als Mäzenin ein, als das Wallraf-Richartz-Museum das Geld für eine private Kollwitz-Sammlung nicht zusammenbrachte und deren 60 Zeichnungen in alle Winde zerstreut zu werden drohten. Die Idee, auf diesen Ankauf ein Kollwitz gewidmetes Museum zu gründen, mutet bis heute verwegen an – zumal in Zeiten, in denen weitaus größere Unternehmen wie Bayer ihre Kunstsammlungen versilbern.

Am Neumarkt finanziert die Kreissparkasse nicht nur das Museum mitsamt seiner ehrgeizigen Ausstellungsprojekte, sondern steht auch für weitere Ankäufe ein. Bei Auktionen ist Koselleck konkurrenzfähig, was die wenigstens Museumsdirektoren von sich behaupten können. Ausnahmen wie das Selbstporträt, das den Katalog der New Yorker Ausstellung ziert, bestätigen diese Regel; es wechselte für eine Million Euro den Besitzer. Schlechter sind die Kölner Neuerwerbungen deswegen aber nicht. Man müsste sie nur langsam mal zu sehen bekommen.