Köln – Seit drei Monaten ist sie nun im neuen Amt: Als künstlerische Geschäftsführerin des Europäischen Zentrums für Jazz und Aktuelle Musik im Stadtgarten trat Kornelia Vossebein die Nachfolge von Reiner Michalke an und fand damit ihren Traumjob. „Zum einen wegen der Kunstform Jazz, die in all ihrer Vielfalt im Stadtgarten abgebildet wird“, schwärmt sie, „zum anderen wegen der nicht geringen, aber spannenden Herausforderungen, die damit verbunden sind.“ Ein wenig fühle sie sich als Außenministerin, die das musikalische Programm verantworte und darüber hinaus repräsentiere. „Ich bin verantwortlich für das nationale und internationale Netzwerk des Stadtgartens, für Kooperationsprojekte auf allen Ebenen, schlussendlich auch für finanzielle Fragen.“
Die Haupttätigkeit während ihrer ersten 100 Tage im Amt: Reden. „Ich habe seitdem viel gesprochen, mit den unterschiedlichsten Menschen, die Ideen wachsen ständig. Das ist ein organischer Prozess, gesteuert vom genauen Blick auf die Szene, ihre Player, die Musikerinnen und Musiker. Die Spielorte sind noch vielfältiger geworden, wobei es inzwischen thematische Überschneidungen gibt. Für Musiker ist es gut, wenn sie viel spielen, aber mit demselben Projekt mehrmals im Jahr in einer Stadt aufzutreten, ist kontraproduktiv. Wenigstens sollte man mit Projekten spielen, die sich genug voneinander unterscheiden, ansonsten funktioniert irgendwann die Publikumsbindung nicht mehr.“
Impulse aus der Europe Jazz Conference in Sofia
Eben erst ist sie aus Sofia von der Europe Jazz Conference zurückgekehrt. Noch voller vitaler Eindrücke, betont sie die europäischen Perspektiven des Jazz: „Hinter der Konferenz steht das Europe Jazz Network, eine unglaublich wichtige Vereinigung, auch für uns. Das Netzwerk besteht aus fast 180 Mitgliedsorganisationen aus 34 Ländern, und alle verfolgen gemeinsame Ziele, Aktivitäten, EU-Förderprojekte und Kooperationen.“ Der Stadtgarten gehört zu den Mitbegründern, auch Vossebein ist dem Netzwerk durch ihre früheren Tätigkeiten beim Bunker Ulmenwall in Bielefeld sowie beim Moers Festival schon lange verbunden.
Dabei ist sie sich bewusst, dass der Jazz eine ebenso komplexe wie fragile Kunstform ist, auf die man immer wieder neu aufmerksam machen muss, innerhalb, aber auch außerhalb der Stadt: „Ich verfolge das Ziel, Köln als Jazzstadt in Europa weiterzuentwickeln, und zwar im Zusammenspiel mit allen relevanten Akteuren. Ein erster Erfolg war es, die Verleihung des Deutschen Jazzpreises 2024 und 2025 nach Köln zu holen.
Köln soll europäisches Zentrum für Jazz werden
Ebenso arbeiten wir daran, in den Folgejahren Köln zum Austragungsort der Europe Jazz Conference zu machen. In diesem Zusammenhang ist die erfolgreiche Weiterentwicklung des Stadtgarten zum Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik eine wichtige Landmarke. Insgesamt verfügt Köln über eine einzigartig gute Ausgangslage mit der Hochschule für Musik und Tanz, der Offenen Jazzhaus Schule, dem Loft und dem Stadtgarten als Zentrum. Das ist die beste Basis, um innerhalb der nächsten Jahre tatsächlich eine Pole-Position in Europa einzunehmen.“
Der Spagat zwischen regionalen und europäischen Ambitionen ist für Vossebein von existenzieller Bedeutung, auch wenn sich vor Ort genügend Arbeitsfelder auftun. „Wir müssen Häuser, die nicht städtisch sind und deshalb traditionell eine fragilere Finanzierung erfahren, ausbauen und am Leben erhalten, damit wir weiterhin künstlerisch relevante Musikerinnen und Musiker auf die Bühne bringen können – gerade auch jene, die nicht genügend Tickets verkaufen, also auf öffentlich geförderte Veranstalter wie uns angewiesen sind.“
Kornelia Vossebein war vorher im Künstlerförderprogramm NICA artist development aktiv
Sehr zufrieden ist sie, dass die Amtsübergabe problemfrei und organisch verlief. Erfahrungen in und mit Köln konnte sie zuvor schon als Projektleiterin des Künstlerförderprogramms NICA artist development sammeln, noch aber kenne sie die 36-jährige Stadtgarten-Geschichte nicht auswendig. Auch werde es noch eine ganze Weile dauern, bis man ihre eigene Handschrift herauslesen könne. „Das, worüber wir heute sprechen und was jetzt an Ideen und Plänen im Raum steht, wird sich frühestens im Herbst 2023 niederschlagen. Es braucht halt alles Vorlauf, auch meine Idee von Residenzen für herausragende Musikerinnen und Musiker.“
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Begeistert ist Vossebein vom Oktober-Programm im Stadtgarten: „So hätte ich es gerne jeden Monat, das kann man aber gar nicht immer leisten.“ Das zweitätige Mini-Festival „Mingus 100“ ist für sie das Paradebeispiel einer geglückten Kooperation. „Die Ursprungsidee kam von Robert Landfermann und Denis Gäbel, daraus entwickelte sich dann ein spannendes Konzept der Kölner Szene, mit Charles McPherson als Gaststar sowie der Kooperation mit dem Filmhaus, das zwei Filme zu Mingus zeigt.“
Ebenso freut sie sich auf die Sängerin Efrat Alony, die sie sich auch als künftige Residenz-Künstlerin vorstellen kann, sowie auf Saxofonist James Brandon Lewis: „Ästhetisch oder stilistisch lässt er sich kaum einordnen, steht für eine Generation, die Traditionen auf aufregende Weise in die Gegenwart transferiert. Das führt zu einem ganz eigenen Ansatz, der sehr gut zu uns passt.“