Es gab ein Jahr, ich bin nicht stolz darauf, in dem ich an jedem verdammten Abend in Köln unterwegs war. Das wird so bald nicht wieder vorkommen. Geblieben ist der Möglichkeitssinn: Die beruhigende Gewissheit, dass man sich in Köln die Nächte um die Ohren schlagen kann, ohne am Stammtisch oder in einem anderen Godot’schen Wiederholungsrhythmus zu enden.
Vieles ist in der Stadt verloren gegangen während des großen Zugs nach Berlin, aber die Livemusik ist geblieben. Wegen Kölns günstiger Lage im Westen Europas, aber auch wegen der lokalpatriotischen Hartnäckigkeit seiner Clubbetreiber. Ich muss nicht jede Woche im Sonic Ballroom austesten, wie überraschend relevant linker Punk und räudiger Rock’n’Roll noch sein kann, aber ich weiß, dass ich es könnte und das macht die Welt schon sehr viel besser.
Im Moment ist die Welt ziemlich beschissen, und es ist schwer, sich die Bilder unseres Fotografen Csaba Peter Rakoczy anzuschauen, ohne weh-, wenn nicht gar schwermütig zu werden.
Hier, im Freitagnachtgesumms zwischen Blue Shell, Stereo Wonderland und Luxor (und, ach, es war einmal der Rose Club), gehört doch Leben hin, hier stand ich in der Schlange vorm E-Werk, kämpfte mich im Gebäude 9 in die vorderen Reihen vor (und wieder zurück: Bier vergessen), nahm eine Tochter auf ihr erstes Konzert mit, traf Menschen, die für einen Abend zu idealen Weggefährten wurden und deren Namen am nächsten Morgen verflogen waren.
Jetzt sind da nurmehr besprühte Mauern und verlassene Fabrikgebäude, deren Umwidmung zu sinnstiftenden Orten sich kaum erahnen lässt. Wie soll man jetzt noch einem Fremden erklären, dass es sich hier um verlassene Tempel handelt, wo es doch die Menschen waren – die Booker, die buchten, die Künstler, die kamen und die Nachtschwärmer, die hörten, schauten, tranken, tanzten und wussten, wozu sie lebten –, die diese Mauern heilig sprachen?