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Kölner MalerlegendeWas die neue Ausstellung im Arp Museum Rolandseck bietet

Lesezeit 3 Minuten

Antonius Höckelmanns Gemälde „Reiter und Wassertier in der Landschaft“ (1992)

So hatte sich der Jockey seinen Ausritt über die Rennbahn vermutlich nicht vorgestellt. In vollem Galopp verheddert sich sein Pferd in den Kurven einer Wasserschlange, die gerade mit einem Riesenvogel kämpft; der Regen peitscht, Äste wirbeln wie Lassos durch die Luft, und auch sonst ist alles in Bewegung und drauf und dran, miteinander zu verschmelzen. Selbst die Drachentöterlanze gibt dem Reiter keinen Halt; vielleicht weil sie in Wahrheit nur ein Ruder ist?

Antonius Höckelmann (1937-2000) hatte eine legendäre Leidenschaft für die Galopprennbahn, so wie der zugezogene Kölner Maler, Bildhauer und Zeichner mindestens ebenso legendäre Leidenschaften für halbseidene Kneipen, käufliche Damen und schmuddelige Hefte hatte. 20 Jahre nach seinem Tod lässt sich in Höckelmanns Wahlheimat kein Gespräch über ihn führen, ohne am Eigelstein, wo er sein kleines Atelier hatte, zu landen und gedanklich in die Kronenbraustuben einzukehren, jener Kneipe, in der er über Jahre hinweg einen stetig wachsenden Himmel aus bemalten Styroporwülsten schuf. Die Stuben waren sein zweites Heim und seine Sixtinische Kapelle – wenngleich es Höckelmann mehr mit dem Barock hielt. Man vergisst über die schlüpfrigen Außenseitergeschichten gerne, dass Höckelmann ein moderner Künstler auf der Höhe seiner Zeit war, der sein Erweckungserlebnis gleichwohl in neapolitanischen Kirchen hatte. Hier erwachte seine Liebe zu üppigen, schwingenden Formen und hier wurde seine ins Erotische überschießende Fantasie ordentlich gekitzelt. Gleichzeitig fand er im Barock eine Disziplin, die es in der abstrakten Kunst der 60er Jahre nicht mehr gab. Wie er die Gegensätze noch einmal zusammen zwang, ist jetzt im Arp Museum Bahnhof Rolandseck zu sehen.

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„Alles in allem“ heißt die Werkschau, die uns Höckelmann, den Künstler hinter den Anekdoten, nahe zu bringen versucht – 40 Jahre nach seinem großen Kölner Auftritt (in der Kunsthalle) und 20 Jahre nach seiner letzten musealen Einzelpräsentation überhaupt. Es ist eine überfällige Ausstellung, die zwar nicht in Köln stattfindet, sich aber zu einem wesentlichen Teil einer Kölner Sammlung verdankt. Die ehemalige Galeristin Ute Mronz schenkte dem Arp Museum ihre Höckelmänner, für die 85 Werke umfassende Retrospektive wurde die gute Tat um etliche Leihgaben ergänzt; von den frühen Zeichnungen bis zu den späten Acrylmalereien sind alle Werkgruppen vertreten.

Im Herzen war Höckelmann, obwohl gelernter Holzbildhauer, wohl eher Zeichner. Man sieht es daran, wie er einem genüsslichen Nasenbohrer mit wenigen kräftigen Strichen Leben einhauchte und wie er die Formen auf seinen großen Formaten wogen ließ. Höckelmann brauchte beim Malen die große Geste, den weit ausholenden Schwung, und so suchte er sich Themen, die seinem Naturell entgegenkamen: die Hetzjagden des Reitsports, die Triebkräfte der Natur und selbstredend der zügellose Eros. So wie er dabei die Maltechniken mischte (oft Tusche, Kohle und Acryl), so mischte Höckelmann Abstraktes und Gegenständliches, indem er, für diejenigen, die länger hinschauten, im wilden Gewusel beinahe klassische Figuren auftauchen ließ. In seinen Skulpturen versteckte er mitunter sogar eine Madonna mit Kind, auch wenn deren Inneres wie nach außen gekehrt erscheint.

Immerhin muss sich die groteske Muttergottes nicht lasziv vor unseren Blicken räkeln; seine leichten Damen aus Gegenwart und Antike waren schon zu Höckelmanns Lebzeiten so sehr Mythos wie Klischee. Daneben wirken die Sport- und Bewegungsstudien zeitlos, weniger triebhaft, was erstaunlicherweise auch für die lüstern-faunhaften Landschaftsbilder gilt. Unter dem Himmel – auf der Rennbahn und in der Natur – schien Höckelmann, der Kneipenhocker, erst wirklich frei zu sein.

„Antonius Höckelmann. Alles in allem“, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Di.-So. 11-18 Uhr, bis 24. Mai 2021. Katalog: 29,80 Euro