Das Kölner Kammerorchester widmete sein Adventskonzert Franz Xaver Ohnesorg, dem verstorbenen Gründungsintendanten der Philharmonie.
Kölner PhilharmonieChilly Gonzales überrascht beim Abschiedskonzert für Franz Xaver Ohnesorg
„Tempora mutantur“ – die Zeiten ändern sich. Unter dem lateinischen Motto firmiert auch Haydns 64. Sinfonie, die das Kölner Kammerorchester seit Helmut Müller-Brühls Zeiten begleitet und jetzt auch das Adventskonzert der philharmonischen Aboreihe mit Christoph Poppen am Pult eröffnete. Ja, tatsächlich, die Zeiten haben sich jüngst nicht nur allgemein-politisch, sondern speziell auch für das Ensemble sehr unvermutet und abrupt geändert: Völlig unerwartet starb vor kurzem 75-jährig sein Vorstandsvorsitzender Franz Xaver Ohnesorg, vielen Kölner Musikfreunden noch besser bekannt als Gründungsintendant der Philharmonie.
Wie die kurzen Traueransprachen des Dirigenten, weiterer Vorstandsmitglieder und Louwrens Langevoorts zeigten, Ohnesorgs Nach-Nachfolger an der Spitze des Konzerthauses, reißt dieser Tod nicht nur eine schmerzliche, sondern auch schwer wieder zu füllende Lücke. Für das Orchester kündigen sich harte Zeiten an, deren Herausforderungen gemeinsam zu bestehen die Redner eindringlich an das Publikum appellierten.
So wurde das – unter anderem auch von Ohnesorgs Familie und Kölns Oberbürgermeisterin besuchte – Adventskonzert zum Gedenkkonzert. Ohne dass man übrigens die Agenda verändert hätte: Die hätte halt, gab Poppen zu bedenken, auch unter den veränderten Rahmenbedingungen ausgezeichnet gepasst; mit ihrem Hell-Dunkel zwischen Humor und Düsternis, ihrer spirituellen Weiterung im mittleren Stück, Gerald Finzis Quasi-Kantate „Dies natalis“.
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Auch Ohnesorgs Familie und Oberbürgermeisterin Henriette Reker besuchten das Gedenkkonzert
Doch, es gab eine anlassgeprägte Erweiterung: Chilly Gonzales, ein alter Bekannter und Freund von Ohnesorg, errichtete, diesmal passenderweise nicht im Bademantel, vor der Pause am Flügel ein – offensichtlich improvisiertes – versonnen-melancholisches Klavier-Epitaph, mit starken Anlehnungen an Bachs C-Dur-Präludium aus dem ersten Wohltemperierten Klavier am Ende.
Zu Beginn also die Haydn-Sinfonie, mit ihren hinkenden Perioden und verstörenden Pausen ein hochinteressantes, experimentelles Stück, das Poppen mit dem (abgesehen von den Hörnern) gut disponierten Orchester auch wirkungsvoll in Szene setzte. Das kaum je gehörte Werk des britischen Nachromantikers Finzi für Tenor und Streicher ist ein interessantes Stück, dessen Text einen Blick auf die Welt zwar im Zeichen von Christi Geburt, aber aus mehr oder weniger pränataler Perspektive wirft. Seine schier endlos strömenden Melodien ertrinken freilich in einem etwas konturlosen Wohlklang, der die Aura einer gehobenen Wellness-Musik vermittelt. Wie auch immer, der Solist, Seil Kim aus Südkorea, kann zwar nicht mit der allergrößten Stimme aufwarten, versah seinen Part aber mit nobler, schlanker und doch expressiver Linienführung. Ein Hörgenuss der besonderen Art!
Krankheitshalber ausgefallen war – für das finale f-Moll-Klavierkonzert von Chopin – die ursprünglich vorgesehene Solistin Janina Fialkowska. Sie fand aber in Joseph Moog, dem von Ohnesorg noch intensiv geförderten Pianisten aus Neustadt/Weinstraße, einen in jeder Hinsicht satisfaktionsfähigen Ersatz. Moog verfügt nicht nur, bei gewinnend bescheidener Selbstdarstellung, über eine selbstverständlich souveräne Technik, sondern auch über jene poetische Grandezza im Anschlag, über jenes perfekte Rubato-Timing bei den Verzierungen und jenen ausgeprägten Sinn für das Verhältnis von festem Grundmetrum und frei-fantastischer Oberstimmengestaltung, derer eine inspirierte Chopin-Interpretation allerdings auch unbedingt bedarf.
Bewegend auch der Abschiedsgruß an Ohnesorg, Chopins Nocturne opus 15/2 mit seinen Effekten des Verdämmerns und Verklingens. Würdiger hätt der Verblichene kaum geehrt werden können.