Antonio Pappano dirigierte das London Symphony Orchestra in der Kölner Philharmonie. Unsere Kritik.
Kölner PhilharmonieDas kurze Leben der Komponistin Lili Boulanger
Ihr Leben war nicht auf lange Dauer angelegt. Von Kindheit an kränklich, starb die französische Komponistin Lili Boulanger 1918 mit nur 24 Jahren. Ihre künstlerische Individualität kam vielleicht nicht zu voller Entfaltung - aber da war so viel frühe Meisterschaft, ein solcher innerer Reichtum, dass jede Begegnung mit ihrer Musik zum Erlebnis wird.
Das London Symphony Orchestra eröffnete den zweiten Abend seines Kölner Gastspiels mit Lili Boulangers letztem Werk, dem Orchesterstück „D’un matin de printemps“. Sir Antonio Pappano dirigierte diesen „Frühlingsmorgen“ nicht als subtile impressionistische Klangfarbenstudie (die er zweifellos auch ist), sondern als Griff in eine vibrierende, geradezu ekstatische Lebensfülle. Der designierte Chefdirigent des Orchesters kann ja gar nicht anders musizieren als mit vollem Einsatz, mit ungebremster Vitalität - und damit ist er zweifellos der ideale Partner für die niederländische Geigerin Janine Jansen, die sich gleichfalls bei jedem Auftritt rückhaltlos verzehrt.
Das irre Lachen in Samuel Barbers Violinkonzert
Mit dem 1939 entstandenen Violinkonzert des Amerikaners Samuel Barber hatten sich die beiden ein Werk vorgenommen, das im Ruf einer etwas weichen, postromantischen Schönheit steht, das aber offenbar noch sehr viel mehr zu bieten hat. Janine Jansen spielte mit großer gestischer Freiheit, mit viel Bogen und verströmender Emotion; und ebenso intensiv, wie sie in den breiten melodischen Linien des langsamen Satzes schwelgte, spitzte sie das Perpetuum mobile des gedrängten Finales zu: Eine von allen Furien gehetzte Musik, die zwischendurch in irres Lachen ausbricht und irgendwann das gesamte Orchester in ihren manischen Strudel zieht. So hat man das auch noch nicht gehört.
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Diese verausgabende Tour de Force riss das Publikum erwartungsgemäß von den Sitzen; Janine Jansen bedankte sich aber nicht etwa mit irgendeiner virtuosen Pièce, sondern erwies ihrerseits Lili Boulanger die Reverenz: Mit einem seidig schimmernden Nocturne, dessen feine harmonische Rückungen der Maestro am Klavier auskostete.
Fast eine Stunde dauerte das große Schlussstück, die zweite Sinfonie von Sergej Rachmaninow, die Antonio Pappano indes so unter Strom setzte, dass man ihre Länge überhaupt nicht wahrnahm. Er scheute sich nicht, den Klang weit aufzureißen, die Musiker in immer neue, immer größere Steigerungen zu treiben, ohne ihnen je die Luft zum Atmen zu nehmen. Alles war in kontinuierlicher Bewegung, pulsierte, leuchtete in intensivsten Farben.
Angesichts dieser allgemeinen Euphorie durfte man sich wohl nicht wundern, dass die Zugabe, der Trepak aus Tschaikowskys „Nussknacker“, nicht mehr so recht auf einen federnd-schlanken Fuß kam.