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Benjamin Grosvenor in der PhilharmonieDieser Pianist holt verborgene Stimmen an die Oberfläche

Lesezeit 2 Minuten
Das schwarz-weiße Bild zeigt Benjamin Grosvenor in nachdenklicher Pose, das Kinn stützt er mit der Hand. Der Hintergrund wirkt rauchig-verworren.

Der Pianist Benjamin Grosvenor trat am 21.04.24 in Köln auf.

Der Pianist Benjamin Grosvenor spielte in der Kölner Philharmonie unter anderem Werke von Chopin und der sowjetischen Moderne.

Franz Liszts „Gnomenreigen“ ist eine unwiderstehliche Bravournummer aus dem Klavierkabinett der Romantik. Benjamin Grosvenor hat das irrlichternde, schwerelos huschende Stück bereits bei seinem letzten philharmonischen Klavierabend als Zugabe gespielt und sicherte sich damit auch diesmal wieder die Begeisterung des Publikums. Der 1992 geborene Pianist ist eine ausgesprochene Virtuosen-Natur, wie sie im britischen Inselreich - warum auch immer - ansonsten nicht so üppig gedeihen (in Deutschland übrigens auch nicht). Dabei kommt es weniger auf schnelle Finger an als auf sicheres Timing, Freiheit der Gestaltung und Wirkungsmacht.

Benjamin Grosvenor spielt in der Kölner Philharmonie Chopin-Bestseller

Diese Qualitäten standen dem Pianisten bei drei Bestsellern von Frédéric Chopin in reichem Maße zur Verfügung. In der Barcarolle Fis-Dur ließ er sich nirgends vom handschmeichelnden Spielgefühl auf den schwarzen Tasten leiten: Der sanft einlullende Wellenschlag der Musik schien eher seinen Widerspruchsgeist zu motivieren; überall gab es kleine Strudel und Eruptionen, die verborgene Stimmen und Gestalten an die Oberfläche holten.

Eher konventionell war dagegen Grosvenors Lesart der g-Moll-Ballade, die sich vom raunenden Beginn bis zum finalen Showdown zielstrebig entwickelte. Ein leicht asynchroner Anschlag gab dem Akkordspiel Raum und Weite; der großzügige Einsatz des rechten Pedals ließ im Bassregister einen Nährschlamm entstehen, aus dem markant modellierte Melodien emporwuchsen. Grosvenor nutzte auch ausgiebig den alten Horowitz-Trick, das der Klangdämpfung dienende linke Pedal zu treten und gleichzeitig Forte zu spielen, was in der Höhe einen leicht klirrenden Strahlenkranz entstehen ließ.

Pianist spielt Werke aus der sowjetischen Moderne

Man kennt all diese Mittel, aber Grosvenor beließ es keineswegs dabei. Die b-Moll-Sonate war in ihren disparaten, eigenwilligen Zügen gut erfasst; vor allem der berühmte Trauermarsch wurde immer wieder durch kleine Stauungen aus dem strengen Gleichschritt befreit und auf diese Weise poetisch individualisiert. Im rasant beschleunigten Finale waren keine Strukturen mehr wahrnehmbar, nur noch schweifende Bewegung und zerfallende harmonische Felder. Grosvenor ist ja nicht der einzige, der das heutzutage so macht - aber man fragt sich schon, ob der Komponist das anno 1839 wirklich so radikal gemeint hat.

Ein zweiter Schwerpunkt in Benjamin Grosvenors Klavierabend galt der sowjetischen Moderne. Sofia Gubaidulinas eindrucksvolle Chaconne aus dem Jahre 1962 ist dem barocken Erbe ebenso verpflichtet wie der Musik ihrer großen Landsleute - die Parallelen zu Sergej Prokofjews siebter Sonate waren deutlich wahrnehmbar. Grosvenor spielte dieses von vielen Kollegen eher rabiat angefasste Stück erstaunlich fragil, oft schwebend, ohne allerdings die mitreißende Triebkraft der Final-Toccata zu schmälern. Mit Robert Schumanns (ursprünglich vierhändig gesetztem) Abendlied op. 85/12 ließ Benjamin Grosvenor das ereignisreiche Konzert besinnlich enden.