Das Gürzenich-Orchester gab dem Solisten Benjamin Grosvenor in der Philharmonie ordentlich Kontra.
Elim Chan dirigiert das Gürzenich-OrchesterVoller Energie und Vitalität
Auf den Rausch folgt die Ernüchterung, so läuft das üblicherweise. Das Gürzenich-Orchester machte es diesmal umgekehrt: Am Anfang des achten Abo-Konzerts stand Sergej Prokofjews motorisch zugespitztes, dezidiert antiromantisches Klavierkonzert Nr. 3, danach erklangen Vorspiel und Liebestod aus Wagners „Tristan und Isolde“ und am Ende Alexander Skrjabins „Le Poème de l’Extase“. Man folgte dabei einem geläufigen, aber eher einfachen Prinzip der Konzertdramaturgie: Zuerst die kantige Moderne, dann die süffige Romantik.
Besser, weil aufschlussreicher, wäre es gewesen, das eigentlich sehr klug konzipierte Programm in chronologischer Reihung zu spielen. Wagners erotisch durchglühte Nacht-Fixierung wird bei Skrjabin an die Grenze zum Pathologischen getrieben. Anders als viele seiner Kollegen blieb der junge Sergej Prokofjew gegen die Verführungskraft dieses egozentrischen Mystikers immun - jedenfalls weitgehend.
Ein kraftvolles Virtuosenkonzert
Dass sein drittes Klavierkonzert (vor allem im Finale) durchaus entgrenzende, visionäre Seiten hat, nahm man bei Benjamin Grosvenor weniger wahr. Der Brite präsentierte das technisch enorm anspruchsvolle Werk vor allem als kraftvolles Virtuosenkonzert, markant in den Rhythmen, gestochen klar in den Skalen. Die beiden großen Unisono-Steigerungen im Kopfsatz waren perfekt mit dem Streichern koordiniert - das hört man keineswegs immer so.
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Unter Leitung der aus Hongkong stammenden Dirigentin Elim Chan gab das Gürzenich-Orchester dem Solisten ordentlich Kontra; das führte zu Schlagabtäuschen, deren Energie und Vitalität es durchaus in sich hatten. Für den großen Beifall dankte Grosvenor mit Chopins nachgelassenem cis-Moll-Nocturne - und gab damit zugleich einen Vorgeschmack auf seinen Klavierabend am kommenden Sonntag, wo er sowohl Prokofjew als auch Chopin spielen wird.
Elim Chan dirigierte flüssig und zielstrebig
Das Wagner-Tandem bestach bei der gut besuchten Matinee weniger durch die Einsatzpräzision der Bläser als durch den sonor strömenden Klang, die feine Legierung der Farben - da waren die Gürzenich-Musiker absolut in ihrem Element. Elim Chan dirigierte flüssig und zielstrebig, leitete die Musik auch an den Kulminationspunkten ohne große Stauungen durch.
Skrjabins „Poème de l’Extase“ hat das Orchester zuletzt 2018 unter Dmitrij Kitajenko in einer Fassung mit zukomponierten Chorstimmen gespielt. Von dieser Entgleisung wurde diesmal abgesehen; sie hätte auch keinen Sinn gehabt, weil Elim Chan das Stück nicht auf maximalen Oberflächenreiz, sondern auf klare Gliederung und durchsichtige Textur anlegte. Die überwältigenden Triebkräfte der Musik kamen trotzdem eindrucksvoll zur Geltung.