Köln – Als das neue Rautenstrauch-Joest-Museum vor elf Jahren eröffnet wurde, kam das Kölner Publikum in Strömen, um die ethnologischen Schätze der Stadt in nie gekannter Pracht zu sehen. Auch die Fachwelt war voll des Lobes über das innovative Ausstellungskonzept, das aus dem Besuch ein sinnliches, lehrreiches Erlebnis macht und zugleich die dunkle Rückseite der Ethnologie thematisiert. Eine eigene Abteilung in der Sammlungspräsentation ist den Vorurteilen gegenüber dem „Fremden“ vorbehalten, und auch die zweifelhafte Rolle der „völkerkundlichen“ Museen während der Kolonialherrschaft wird immer wieder benannt. Dafür erhielt das RJM 2012 den Museumspreis des Europarates, im folgenden Jahr wurde es in den Exzellenzclub „Best in Heritage“ aufgenommen.
Bei der Eröffnung sah es also danach aus, als wäre das RJM zukunftsfest und gewappnet für die schon damals heftig geführten Debatten um die blutige Kolonialzeit. Allerdings hatten die Architekten des neuen RJM offenbar nicht damit gerechnet, dass der Kolonialismus und die Rückgabe geraubter Kulturgüter binnen eines Jahrzehnts zur zentralen Frage der Ethnologie aufsteigen würden.
Im RJM steht das Thema Kolonialismus jetzt im Zentrum der Ausstellungspolitik
Für die seit 2019 amtierende RJM-Direktorin Nanette Snoep ist es jedenfalls nicht mehr damit getan, diese Themen in Abteilungen auszulagern und sporadisch aufzugreifen. Im Grunde dreht sich ihre gesamte Ausstellungspolitik um Fragen von kolonialer Ausbeutung und Restitution, weshalb es nur konsequent erscheint, dass Snoep jetzt auch die ständige Sammlung mit ihren fabelhaften Schätzen von externen Kuratoren umbauen lässt.
Dieses Projekt trägt den Titel „Gegenbilder“ und nimmt derzeit bei laufendem Betrieb Gestalt an. Wer die ständige Sammlung des RJM besucht, stößt jetzt auf hölzerne Stellwände, die schon durch ihre einfache Bauweise wie „Stolpersteine“ im exquisiten Museumsparcours erscheinen. So schuf die namibische Künstlerin Tuli Mekondjo mehrere großformatige Arbeiten, auf denen sie Postkarten- und Archivaufnahmen von „Eingeborenen“ nachträglich kolorierte, teilweise übermalte und mit pflanzenartigen Stickereien verzierte. Auf diese Weise will sie die Abgebildeten dem kolonialen Blick entziehen und symbolisch helfen, geschlagene Wunden zu heilen.
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Auch an anderer Stelle erweist sich die fotografische Sammlung des RJM als eine besonders dankbare Fundgrube für die „Gegenbilder“. Kiri Dalena fand dort drei historische Aufnahmen auf denen ein selbsternannter Völkerkundler die angebliche Zivilisierung eines „wilden Kopfjägers“ zum disziplinierten Unteroffizier der britischen Polizei dokumentiert. Diese Sequenz aus seitlich aufgenommenen Porträts gelangte in der Ethnologie zu einer gewissen Prominenz – Dalena kehrt ihre Beweiskraft um, indem sie die Reihenfolge ändert und sich den Polizisten zu einem „Wilden“ fortentwickeln lässt.
Im ersten Obergeschoss des Kölner Museums finden sich die „Gegenbilder“ schon in großer Zahl, im zweiten bislang eher vereinzelt. Aber es ist abzusehen, dass man bald überall über sie „stolpern“ wird. Andererseits sind sie nicht so omnipräsent, dass sie einen Generalverdacht gegen die hochgelobte ständige Sammlung formulieren. Sie klären vielmehr über die ethnologischen Schattenseiten auf und bedienen sich ästhetisch bei den Verfremdungseffekten des Brecht’schen Theaters. Jede Stellwand ermahnt uns: Glotzt nicht so romantisch.