- Summertime, and the living is easy? Das wird für diesen Sommer leider nicht gelten. Vielfach liegt Stille überm Land, wo man dieses Lied in anderen Jahren vorfreudig trällern konnte.
- Die Absage sämtlicher Sommerfestivals in diesem Jahr ist bitter, wenn auch notwendig. Nicht notwendig und vor allem nicht hilfreich ist hingegen die bisher fehlende Definitionen der Politik, was überhaupt eine Großveranstaltung ist.
- Deshalb müssen vom Clubbetreiber bis zum Literaturhaus nun alle Kulturveranstalter bangen. Das geht so nicht. Ein Kommentar.
In normalen Jahren steigt mit den Temperaturen in diesen Frühlingstagen die Vorfreude auf den Festivalsommer. Rock am Ring in der Eifel, Summerjam am Fühlinger See in Köln, Rock im Park, die Metal-Schlacht im schleswig-holsteinischen Wacken, aber auch das Klassik Open Air in Nürnberg oder die Bregenzer Festspiele auf der Freilichtbühne am Bodensee, das sind die heiligen Messen, die an warmen Tagen und in lauen Nächten von den Musikfans gefeiert werden.
Und mit ziemlicher Sicherheit fallen diese Ereignisse in die Kategorie Großveranstaltung, die Bundeskanzlerin Merkel gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder nun bis zum 31. August untersagt haben. Corona sorgt für einen traurigen Sommer.
Dass viele Veranstalter ihrerseits Mega-Events noch nicht abgesagt haben, macht die Sache nicht besser. Der Grund für das noch anhaltende Zaudern seien Versicherungsfragen, sagt der Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, Jens Michow. Bei den betroffenen Fans, die vielfach schon im Besitz von Tickets sind, sorgt das allenfalls für noch größere Frustration und Unsicherheit, denn dass die Festivals stattfinden, ist utopisch. Offenbar warten die Veranstalter das konkrete Verbot seitens der Behörden ab, denn erst dann zahlt die Versicherung für den Ausfall.
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Nicht besonders hilfreich sind aber darüberhinaus die Definitionen der Politik, was überhaupt eine Großveranstaltung sei. Konkrete Regelungen zur Absage von Großveranstaltungen sollen die einzelnen Bundesländer formulieren – auch was die Anzahl der Teilnehmer betrifft. Dies wird erst noch geschehen, und bis dahin wird man sich an vagen Größen orientieren müssen, die etwa das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen bereits in die Welt gesetzt hat: Ein Event nehme den Charakter einer Großveranstaltung an, wenn mindestens 100.000 Besucher erwartet würden, sich mehr als 5000 Besucher gleichzeitig auf dem Gelände befänden oder ein erhöhtes Gefahrenpotenzial zu befürchten sei.
Ordnungsrahmen mit wenig Stabilität
Da Letzteres auch von zehn Personen beim Nachbarschaftskonzert in der Eckkneipe ausgehen kann, hingegen eine Zahl von 100.000 Besuchern zumindest in Deutschland selbst von den größten Festivals wohl kaum erreicht wird, bietet dieser Ordnungsrahmen wenig Stabilität.Am verlässlichsten dürfte wohl die mittlere Angabe sein, nach der eine Veranstaltung als „groß“ gilt, wenn ihr mehr als 5000 Besucher gleichzeitig beiwohnen. Dies steht im Einklang mit den Empfehlungen der Wissenschaftsakademie Leopoldina, die nicht allein Fußballspiele mit Publikum für längere Sicht ausschließt, sondern auch Konzerte in größeren Arenen – wie in Köln in der Lanxess Arena.
Allerdings dürfte auch die Ratschläge des Robert-Koch-Instituts hinsichtlich „risikogeneigter Arten der Veranstaltung“ eine Rolle spielen, und zwar unabhängig von der Besucherzahl – hier werden Kriterien wie Nähe („z.B. Tanzen“) oder die Frage einbezogen, ob es in der Region der betreffenden Veranstaltung bereits zu Infektionen gekommen ist. Auch für den Kino- oder Theaterbesuch spielen Politik und Verwaltungen Modelle durch, ob die Wiederaufnahme des Betriebs durch limitierten Eintritt und strenge Abstandsregeln in Betracht gezogen werden kann.
Fest steht jedenfalls schon jetzt, dass dem Sommer 2020 die für diese Jahreszeit gewohnte Leichtigkeit fehlen wird. Summertime, and the living is easy. Vielfach liegt Stille überm Land, wo man derlei in anderen Jahren trällern konnte.