Ab dem 22. Januar finden mit der Poetica wieder einige Veranstaltungen mit internationalen Autorinnen und Autoren in Köln statt.
Kölner Literaturfest mit „Enter Shikari“-FrontmannDas sind die Highlights der Poetica 2024
Als Romeo und Julia im Schutz der Nacht beieinander sind, hören sie einen Vogel singen. Romeo glaubt, es sei die Lerche, die den Tag verkündet. Heißt: Schnell aufbrechen, bevor sie noch jemand erwischt. Julia dagegen beharrt: Es war die Nachtigall. Er soll ruhig noch etwas bleiben.
Doch einmal Hand aufs Herz: Wer kann den Ruf der beiden Vögel eigentlich noch unterscheiden? In der Großstadt dürfte man die Vögel ohnehin selten hören, das Artensterben ist aber auch längst im ländlichen Raum angekommen. Begegnen wir Nachtigallen und Lerchen also bald nur noch bei Shakespeare? Und kann ein Wiederentdecken der Natur in der Poesie vielleicht ein Startpunkt sein, um der Umwelt mit etwas mehr Liebe begegnen zu lernen?
Das Literaturfestival Poetica nimmt die Natur in den Blick
Diese und weitere Fragen sind Thema in der diesjährigen Poetica, dem Festival für Weltliteratur. Vom 22. bis zum 27. Januar treten Autorinnen und Autoren aus aller Welt in Köln auf, um über die Natur in der Dichtkunst zu sprechen. Sie stammen aus Deutschland, Japan, den USA, Nordmazedonien, Kolumbien, der Schweiz, Griechenland, Großbritannien und dem karibischen Inselstaat St. Lucia. Die Perspektiven auf das Thema sind also vielfältig und reichen von einer literarischen Verarbeitung des Reaktorunglücks in Fukushima bis hin zum Versuch, der Natur der Karibik durch Poesie eine Stimme zu geben.
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Laut Daniela Danz, der Kuratorin des Festivals, ergänzt die Poesie das Reden über die Natur um eine sinnliche Komponente. „Wissenschaft ist natürlich nicht zu ersetzen. Aber bei dem, was wir durch die Wissenschaft und die Medien hören, schwanken wir ja zwischen totaler Hoffnungslosigkeit und dem Versuch, das alles wegzuschieben.“ Die Autorin findet, dass Dichtung dabei hilft, einen neuen Bezug zur Natur zu finden. „Dadurch kann man sich überhaupt wieder zu dem ganzen Klimathema verhalten, weil es dann weder erschreckend groß noch verschwindend klein ist. Das führt zu einem Naturbegriff, der wieder greifbar ist.“
Lyrik als persönlicher Zugang zur Natur
Hilfreich sei dabei, dass man mit Lyrik einen ganz persönlichen Zugang zum Thema finden kann. „Jeder Mensch hat ja irgendeine Verbindung zu Natur, und bei fast allen von uns sind darin auch Punkte, über die wir kritisch nachdenken müssen und wo wir offenkundig etwas ändern müssen.“ Diese Problematisierung hält sie für wichtig. „Nur verschüttet sie natürlich auch für viele ihren unreflektierten, persönlichen Zugang zur Natur. Aber alles, was wir schützen wollen, muss man ja erstmal lieben und schätzen. Hier kann Dichtung helfen, als eine Art sinnlicher Experimentierraum für veränderte Haltungen.“
Auch denjenigen, die vom Klimawandel nur noch frustriert sind und das alles nicht mehr hören wollen, empfiehlt Daniela Danz sich auf das Festival einzulassen. „Natur durch die Augen der Dichtung ist etwas völlig Neues. Mit Lyrik können Dinge auf ganz andere Art gesagt werden.“
Rou Reynolds von „Enter Shikari“ ist auch bei der Poetica dabei
Die Poetica beginnt mit einer Eröffnungsveranstaltung am 22. Januar in der Aula der Universität zu Köln (19:00 Uhr), in der alle Autorinnen und Autoren gemeinsam mit Daniela Danz ihre poetischen Standpunkte vermitteln. Im Verlauf der Woche finden dann Veranstaltungen statt, die das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.
Wie im letzten Jahr, in dem Patti Smith in der Poetica auftrat, gibt es mit Rou Reynolds eine Veranstaltung mit einem Musiker (23.1., 19 Uhr, Kulturkirche Köln Nippes). Das war den Veranstaltern laut Daniela Danz wichtig: „Das Lied als der Lyrik verwandte Gattung ist für ein Poesiefestival ja recht naheliegend. Und wenn man nach einem Songtexter sucht, dem das Klima am Herzen liegt, kommt man quasi zwangsläufig auf Rou Reynolds von Enter Shikari. Der Abend ist ein Experiment, da wir über Texte reden, die erst mit der Musik der Band ein Gesamtkunstwerk bilden.“
Die Autoren kommen aus Kolumbien, Japan, den USA und vielen weiteren Ländern
Die Gedichte der Autorinnen Maria Paz Guerreiro, Esther Kinsky und Camille T. Dungy beschreiben das Thema aus feministischer Sicht („Gestörtes Gelände / Disturbed Lands“, 24.01., 19 Uhr, FORUM Volkshochschule im Museum am Neumarkt). Einen spirituellen Zugang zum Thema findet man mit Texten von Takako Array und Kendel Hippolyte, die gemeinsam mit dem iranischen Dichter Ali Abdollahi auftreten („Earth will erupt in a Conspiracy of Poetry and Nature“, 26.1., 19 Uhr, Filmforum im Museum Ludwig). Abdollahi steht dabei in der Tradition persischer Naturlyrik.
Am letzten Abend kommen alle Autorinnen und Autoren nochmal zu einer Abschlussveranstaltung im Schauspiel Köln zusammen (27.1, 20 Uhr: „Die Unruhe der Welt wird mit uns sein. Poetry meets Scenery.“). Diese lässt aus den internationalen Perspektiven ein Gemeinsames entstehen, das szenisch verarbeitet wird.
Zur Veranstaltung
Die Poetica (22. bis 27. Januar) ist ein internationales Literaturfestival mit dem Fokus auf Lyrik. Sie findet seit 2015 jährlich in Köln statt. Die Universität zu Köln veranstaltet die Poetica in Kooperation mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Das ganze Programm gibt es hier.
Zur Person
Daniela Danz (geboren 1976 in Eisenach) ist eine deutsche Schriftstellerin und Kuratorin des neunten Festivals für Weltliteratur Poetica. Sie lehrt seit 2009 an der Universität Hildesheim und ist seit 2021 Vizepräsidentin der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Für ihren Gedichtband „Wildniß“ gewann sie 2019 den Deutschen Preis für Nature Writing.