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Louwrens Langevoort„Ich habe ein offenes Ohr für die Kritik der Besucher“

Lesezeit 5 Minuten

Die Kölner Philharmonie in Corona-Zeiten, aber noch vor dem neuen Belegungskonzept.

  1. Nach Kritik des Publikums stellt Louwrens Langevoort den Belegungsplan der Philharmonie auf Schachbrettmuster um.
  2. Doch nicht nur den Sitzplan, auch das Programm musste der Philharmonie-Chef der Krise anpassen.
  3. Das hat auch Vorteile: Husten hört man derzeit kaum im Kölner Konzertsaal.

Herr Langevoort, Sie haben den Belegungsplan der Kölner Philharmonie auf Schachbrettmuster umgestellt. Ihre ersten Erfahrungen?

Der Richtlinie des Ministeriums zufolge dürfen wir die Leute nebeneinandersetzen. Weil wir zunächst eine größere Resonanz des Publikums erwartet hatten, haben wir auf dieser Basis unsere kleineren Abos – Kammermusik usw. – verkauft. Jetzt haben wir feststellen müssen, dass das für einen Teil des Publikums keine gute Lösung ist – es bevorzugt separiert zu sitzen. Das ist für uns glücklicherweise kein Problem: Wir haben die Besucherzahl sowieso bereits auf 1000 beschränkt, es gibt deswegen Spielraum nachzujustieren.

Beim Klavierabend am Montagabend war das Schachbrettmuster noch nicht hundertprozentig vollzogen...

Nein, das kann man nur peu à peu machen. Ein Teil der Karten war schließlich schon verkauft. Alle künftigen Konzerte, die noch nicht im Verkauf waren, sind auf Schachbrettmuster umgestellt. Man sitzt also auf Abstand und das Foyerteam wird beim Herein- und Herausgehen darauf achten, dass der Mindestabstand von anderthalb Metern gewährleistet ist. Als zusätzliche Sicherheit gilt nach wie vor die – vom Ministerium dringend empfohlene – Maskenpflicht während des kompletten Aufenthalts in der Philharmonie.

Die Maske wird nun doch von vielen als lästig empfunden. Ist es nicht möglich, die Leute so weit auseinander zu setzen, dass sie keine Maske tragen müssen?

Wenn wir dann nur noch 400 Leute in der Philharmonie haben, kann man noch Kammermusik machen, aber bei größeren Orchesterkonzerten komme ich dann auf eine Subventionsrate, die die Stadt Köln kaum absegnen wird. Im übrigen sollte man das Maskentragen nicht dramatisieren, in Paris zum Beispiel müssen Sie derzeit in der Stadt dauernd eine Maske tragen.

Die Kritik richtete sich aber vor allem gegen zu geringe Abstände. Können Sie die nachvollziehen?

Ich habe ein offenes Ohr für Kritik: Wir müssen uns an Richtlinien halten, und die haben wir auch so umgesetzt. Wir sitzen im Flugzeug oder im Zug auch nebeneinander und darüber beschwert sich kein Mensch. Insoweit können wir uns vergleichen mit dem, was in anderen Branchen üblich ist.

Sie sagen: Wer ins Geschäft oder ins Restaurant geht oder in den Flieger oder den ICE steigt, der kann auch in die Philharmonie gehen...

Richtig. Und wer nach Ausbruch der Pandemie noch nicht bei uns war und irgendetwas über mögliche Gefährdungen gehört hat, dem kann ich nur raten: Kommen Sie und machen Sie sich selbst ein Bild, statt auf Hörensagen zu vertrauen. Wir tun alles, um sicherzustellen, dass unsere Gäste glücklich und zufrieden sind.

Ist die Umstellung auf Schachbrett dezidiert eine Reaktion auf die geäußerte Kritik?

Ja, die Kritik hat mich davon überzeugt, dass ich mit dem Schachbrettmuster mehr Gästen in der Philharmonie einen schönen Abend bieten kann als ohne.

Kaum noch Husten

Es wird bemerkenswerterweise kaum mehr gehustet...

Stimmt – es mag an der Jahreszeit liegen. Ich habe von Apothekern gehört, dass auch sie derzeit noch wenig zu tun haben. Unsere Gäste sind sehr konzentriert. Ich genieße die Stille im Saal sehr.

Hat Corona einen disziplinierenden Effekt?

Auf das Husten sicherlich. Ich höre auch kaum Handygeklingel.

Warum ist die Inzidenzzahl im Fall der Philharmonie kein Kriterium für die Durchführung der Veranstaltungen?

Wir richten uns nach der Corona-Schutzverordnung der Landesregierung. Wir sind kein Stadion, haben keine Großveranstaltungen. Für tausend Besucher gelten andere Regeln als für 15 000.

Große Chöre fallen vorerst aus

Wie lange kann die Philharmonie unter den gegebenen Bedingungen durchhalten?

Wir haben das Programm bis Jahresende angepasst. Das eine oder andere Repertoire mussten wir ändern, einige Programme in die nächste Spielzeit verschieben. Wir wissen noch nicht, wie wir mit einem magistralen Chorwerk wie „Messiah“ im Dezember umgehen: Ein großer Chor auf der Bühne ist aktuell kaum möglich. Wir passen jetzt unser Programm für die Monate Januar bis Juni an – natürlich in der Hoffnung, dass irgendwann der Impfstoff kommt und sich die Situation entspannt.

Das kann dauern.

Ja, keiner kann wissen, was die Zukunft bringt. Wir geben jetzt – mit dem Schachbrettmuster und den gewechselten Programmen – unsere Abonnements für die Orchesterkonzerte wieder zum Verkauf frei und hoffen, dass viele Gäste wieder zum festen Publikumsstamm gehören werden, damit wir auch finanziell weiterarbeiten können. Jedes eingeladene Orchester wird letztendlich aus Besuchereinnahmen bezahlt, sonst kann ich nicht so viele Gastorchester einladen. Glücklicherweise ist Kammermusik davon nicht betroffen. Ein gravierendes Problem bleibt, dass ich nicht weiß, ob Künstler aus Risikogebieten rechtzeitig eintreffen können, weil sie sich testen lassen müssen. Es bleibt schwierig, aber ich bin Optimist.

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Rein juristisch schon, aber die Stadt Köln hat als Gesellschafterin eine große Verantwortung, so wie sie diese auch trägt für beispielsweise unseren Flughafen und die Koelnmesse. Das wären keine Perspektiven für eine Metropole wie Köln. Ich bin sehr gespannt, was die nächste Aufsichtsratssitzung am kommenden Freitag ergibt. Wir haben schließlich große Einbußen beim Vermietungsgeschäft.

Krise setzt Kreativität frei

Stellen Sie sich vor: Corona ist vorbei und Sie können ihren normalen Konzertbetrieb wieder aufnehmen. Was wird sich dann verändert haben? Wird Corona Spuren hinterlassen?

Corona hat bestimmte Dinge beschleunigt, die man immer schon im Hinterkopf hatte. Nehmen Sie die Frage: Wie erreichen wir unsere Gäste? Vor Corona kauften unsere Besucher ihre Karten „anonym“. Damit wir nun schneller reagieren können, freuen wir uns über alle digitalen Kontaktmöglichkeiten. Wir hoffen auch, dass das bargeldlose Bezahlen durch Corona einen Schub bekommt.

Und wie sieht es mit den Programmen aus? Man konnte jüngst den Eindruck gewinnen, dass die Krise da ein erstaunliches Kreativitätspotenzial freisetzt.

Durch die Personenbegrenzung auch auf der Bühne wurde ein völlig neues Repertoire erschlossen. Früher war der Kanon der Konzertprogramme viel reichhaltiger als heutzutage. Jetzt kommt vieles davon zurück. Da hat sich in der Programmgestaltung tatsächlich ein erstaunlicher Einfallsreichtum entwickelt. Und ich hoffe, dass die Impulse fortwirken, wenn die Pandemie einmal vorbei ist.