Beim ZDF-Talk mit Markus Lanz ging es am Dienstagabend um das Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung und die Maskenaffäre der Union. Es war also bereits beim Blick auf die Gästeliste abzusehen, dass es kein besonders guter Abend für Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus werden würde. In den vergangenen Wochen hat Berlin insbesondere bei den Themen Impfen und Schnelltests kein gutes Bild abgegeben, und der Unmut in der Bevölkerung über die mutmaßliche persönliche Bereicherung mehrerer Unionsabgeordneter an der Pandemie drückte die Stimmung in der Bevölkerung zuletzt Richtung Nullpunkt.
Diesem allgemeinen Unbehagen hatte „Spiegel“-Blogger Sascha Lobo einige Tage zuvor in seiner Kolumne Ausdruck verliehen und nicht an drastischen Worten gespart. Unter dem Titel „Sätze zum Ausflippen“ wirft er der Politik Versagen beim Management der Pandemie vor. Er selber, eigentlich ein Verteidiger von EU und deutschem Föderalismus, würde angesichts der verfehlten Entscheidungen und der bräsigen verbalen Rechtfertigungen von Politikern wie Angela Merkel, Helge Braun oder des Stiko-Chefs allmählich zum „Grollbürger“. Lobo spricht in seinem Text von „fortgesetztem Staatsversagen“. Seine markigen Worte hatten viel Beachtung gefunden und führten Lobo nun auch ins Lanz-Studio.
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Zunächst geht es am Dienstagabend um die Maskenaffäre. Brinkhaus grenzt sich gegen das Verhalten von Georg Nüßlein und Nikolas Löbel klar ab. Er fordert Nüßlein auf, sein Mandat abzugeben. Für seine Fraktion sei klar: „Geldverdienen an der Krise, das geht nicht“. Das sei „einfach unmoralisch“. Dementsprechend sei die Wut in der Fraktion „sehr, sehr groß“. Mit Hinweis auf die in Rede stehenden Summen an Provisionen von mehreren hunderttausend Euro stellt Brinkhaus fest: „Das ist irre. Das ist mehr, als die Bundeskanzlerin verdient.“
Brinkhaus verspricht Reformen und sagt, dass es manchmal eine Krise brauche, um Veränderungen zu bewirken, sei es bei Transparenzregeln für Abgeordnete oder auch bei der Umstrukturierung des Gesundheitswesens. An diesem Punkt steigt Lobo ein und wirft Brinkhaus eine „lustige Unverschämtheit“ vor, da genau seine Partei immer wieder Reformen verhindert habe. Auch Armin Laschet habe in Nordrhein-Westfalen seine eigene „Masken-Merkwürdigkeit“ mit der Firma van Laack und sei als CDU-Chef daher vielleicht auch nicht der geeignetste Kandidat, um hart durchzugreifen.
Markus Lanz hat einen guten Abend
Lobo ist im Angriffsmodus und kritisiert die Trägheit der Union, nach 16 Jahren endlich ein Transparenzgesetz auf den Weg zu bringen. Dann fällt das Stichwort Amthor. Lobo glaubt, dass sich jeder mündige Bürger, der auch nur ein wenig von Aktien verstehe, in der Causa Amthor veralbert fühlen müsse. Brinkhaus' Partei habe absichtlich über viele Jahre Transparenz verhindert. Lanz hakt nach, warum Philipp Amthor nach seiner Lobbyismus-Affäre aktuell wieder als Spitzenkandidat für den Bundestag in seinem Wahlkreis aufgestellt wurde. Der ehemalige CDU-Jungstar habe sich entschuldigt, er sei „unter 30“und habe eine zweite Chance verdient, glaubt Brinkhaus.
Die Diskussion ist lebhaft, und auch Lanz hat einen guten Abend. Brinkhaus fühlt sich zwischen Lobo und auch dem Moderator „in der Zange“, wie der Unionsfraktionschef etwas mühsam witzelt. „Das sind sie auch sonst“ kontert Lanz schlagfertig, er könne ja schon mal üben. Lobo spricht von der „Schmierlappigkeit“ Amthors, „Merkwürdigkeit“ bei Laschet und „absurden Geldern“, die Gesundheitsminister Jens Spahn für schlechte Masken gezahlt habe. Außerdem ploppe jetzt in Bayern auch noch eine Affäre um dubiose Masken-Bestellungen bei der Firma Emix auf. Lobos Verdacht: Mit Nüßlein und Löbel würden zwei Bauernopfer gebracht, bei den großen Namen schaue man aber nicht so genau hin.
Lobo lockt Brinkhaus aus der Reserve
Damit ist Brinkhaus vollends aus der Reserve gelockt. „Es ist ja ihr Job zu provozieren“, hält er Lobo entgegen. Sein eigener Job sei es, für andere Leute „den Kopf hinzuhalten“. Die Dimensionen der Fälle seien unterschiedlich. „Es sind schlimme Sachen falsch gemacht worden“, man sei aber in der Fraktion dabei, diese Dinge zu ändern. Und dann steigt er auf Lobos Vorwurf des „Versagens“ ein. Die Kritik sei aus der Perspektive eines Zuschauers ja „sehr einfach“. Es habe zu Beginn der Pandemie in vielen Bereichen keine Blaupause fürs Handeln gegeben. Es müsse eine Fehlerkultur geben, Lobo versuche dagegen, jeden „einfach fertig zu machen“.
Das lässt dieser wiederum nicht auf sich sitzen, es kommt zu einem hitzigen Wortgefecht. „Sie können ganz gut jemanden gebrauchen, der ihnen sagt, was sie falsch machen“, kontert der Autor und Blogger. Die politisch Verantwortlichen sollten endlich auf Experten hören, die seit Jahren oder noch länger auf Mängel bei der digitalen Bildung oder Infrastruktur hinwiesen oder die Eindämmung des Föderalismus forderten. Die Kultusministerkonferenz, so Lobo, sei das „bräsigste Gremium des Universums“. Es gebe ein Jahr nach der Pandemie nur das Konzept des Lüftens in den Schulen, bei Virenfiltern oder digitalen Plattformen herrsche Fehlanzeige.
Lobo meint, in vielen Bereichen sei unter Führung der Union Infrastruktur kaputtgespart und bewusst verkommen lassen worden. Die sei eine der „größten Versagensgeschichten“. Der Unionsfraktionschef versucht es wieder mit Humor und sagt „unter 'Versagen' tun Sie es nicht“. Nö, meint Lobo spaßfrei, „nicht bei 70.000 Toten und bei einem quer durch die Bevölkerung spürbaren Groll“. Er sei nicht hier, um Brinkhaus zu loben, das tue dieser ja schon selber. Brinkhaus unterschätze den Unmut der Bevölkerung, die langsam aber sicher die Schnauze voll habe. Ihm gehe es nicht um objektive Kritik, sondern um die Vermittlung eines Stimmungsbildes.
Dann bringt Brinkhaus auch noch Lanz gegen sich auf, als er meint, Lobo sei allein in die Sendung eingeladen worden, „um zu provozieren“. Das sei nicht das Konzept des Talks, kontert Lanz. Am Ende tröstet der Moderator den CDU-Fraktionschef, der einen schweren Stand hatte, mit der Aussicht, in der folgenden Sendung einen SPD-Vertreter zu Gast zu haben.