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Medien und die Klimakrise„Der Journalismus muss auch Lösungen aufzeigen“

Lesezeit 5 Minuten
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Eine Luftaufnahme zeigt die Zerstörungen an der Ahr nach der Flut 2021. Solche Wetterereignisse treten durch den Klimawandel häufiger auf.

  1. Der Klimakrise verschärft sich zunehmend, wird aktuell aber vom Krieg in der Ukraine überschattet. Wie kann der Journalismus beim Thema Klimawandel seiner Verantwortung gerecht werden?
  2. Prof. Dr. Beatrice Dernbach ist Professorin für Nachhaltigkeits- und Wissenschaftskommunikation an der TH Nürnberg und arbeitete selbst lange als Journalistin.
  3. Im Interview spricht sie darüber, welche Expertise Journalisten brauchen, was durch die Corona-Pandemie besser geworden ist und das Potenzial des Lokaljournalismus.

Frau Dernbach, der Klimawandel schreitet voran. Wetterexperten der Vereinten Nationen halten es mittlerweile für möglich, dass die weltweite Erwärmung schon in vier Jahren über der Marke von 1,5 Grad liegen wird. Macht der Journalismus genug, um die Dringlichkeit des Klimawandels zu vermitteln?Beatrice Dernbach: Es könnte besser sein. Der Journalismus hätte vor allem in der Vergangenheit hellhöriger sein müssen, denn die Fakten über den Klimawandel liegen schon lange auf dem Tisch. Vor allem die klassischen Massenmedien haben auf diese Fakten sehr spät und langsam reagiert. Erst als mit den Grünen in den 70ern alternative Zeitungen wie die „Taz“ entstanden sind, hat sich das Thema etabliert. In den letzten Jahren hat der Klimawandel aber in fast allen Redaktionen einen festen Platz in der Berichterstattung gefunden. Bis zu dem Punkt, dass der Branche von außerhalb vorgeworfen wird: Ihr betreibt Alarmismus.

Muss der Journalismus denn aktivistischer werden? Kontrovers wurde eine Ausgabe des „Sterns“ im Jahr 2020 diskutiert, die das Magazin in Kooperation mit Klimaaktivisten von Fridays for Future produzierte. Was halten Sie von solchen Kooperationen?

Ein heikles Thema. Klimaaktivisten können und sollten für Journalisten Quellen und Gesprächspartner sein, denen man auch eine Bühne für ihre Anliegen geben kann. Aber man sollte als Redaktion seine Souveränität über die eigene Ausgabe nicht aufgeben. Ich hätte es nicht gemacht.

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Beatrice Dernbach ist Professorin für Nachhaltigkeits- und Wissenschaftskommunikation an der TH Nürnberg.

Was kann der Journalismus besser machen im Umgang mit dem Klimawandel?

Das Thema ist sehr negativ konnotiert, in den Medien sehen wir vor allem eine Reaktualisierung von Unglück, Desaster und Schreckensmeldungen. Ich glaube, da müssen Journalisten eine neue Perspektive finden. Der Journalismus hat nicht nur eine Chronisten- und Informationspflicht, sondern sollte auch Lösungen aufzeigen. Um etwas gegen den Klimawandel zu tun, sind nicht nur Politik und Wirtschaft gefordert, sondern jeder einzelne. Insbesondere der Lokaljournalismus kann aufzeigen was die Menschen vor der eigenen Haustür für mehr Nachhaltigkeit tun können.

25. Forum für Lokaljournalismus

Vom 18. bis zum 20. Mai kommen rund 150 Chefredakteure von Lokal- und Regionalzeitungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beim 25. Forum Lokaljournalismus zusammen. Auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist dabei. Unter dem Motto „Wandel, Werte, Wirklichkeit – Lokaljournalismus gestalten“ diskutieren sie über die Herausforderungen des Journalismus zwischen Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Klimakrise. Beatrice Dernbach ist vor Ort und moderiert eine Diskussion über Konzepte des Klimajournalismus.

Können Sie Beispiele nennen, wie dieser Art von Journalismus aussehen könnte?

Als Redaktion könnte man sich zum Beispiel an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen orientieren und schauen: Wie sind wir hier vor Ort aufgestellt in Sachen nachhaltiger Konsum, in Sachen Gesundheit? Und dann Best-Practice-Beispiele geben, wie man diese Ziele besser umsetzen kann. Dabei sollte man immer klar machen: Nachhaltigkeit ist kein grünes Nischenthema, es betrifft politische Entscheidungen genauso wie Wirtschaft und Soziales.

Welche Expertise brauchen Journalisten dazu?

Aus Studien wissen wir, dass die meisten Journalisten einen sozial- oder geisteswissenschaftlichen Hintergrund haben. Es gibt nur ganz wenige Naturwissenschaftler und Ingenieure in den Redaktionen. Dadurch fehlt das Know-How und die naturwissenschaftlich-technische Perspektive auf die Dinge.

Nichtdestotrotz haben auch Geisteswissenschaftler die Fähigkeiten, um sich diese Themenfelder anzueignen. Gerade dann, wenn sie auf Wissenschaftler treffen, die diese komplexen Themen gut erklären können. Seit der Corona-Pandemie hat sich da auch einiges verbessert. Wissenschaftler sind medial viel sichtbarer geworden und haben sich mit Journalisten vernetzt. Es gibt Einrichtungen wie das „Science Media Center“, das wissenschaftliche Beiträge für Journalisten aufbereitet und Medienhäusern ihre Expertise bereitstellen. Das ist schonmal ein gutes Fundament.

KStA Green

In Köln und der Region leben viele Menschen, die Nachhaltigkeit und Klimaschutz bereits vorantreiben oder sich dafür interessieren, wie sie Teil der Lösung werden können. Für all diejenigen gibt es den Schwerpunkt KStA Green des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Dort berichten wir über Nachhaltigkeit und Klimaschutz, auf lokaler wie internationaler Ebene. Zur besseren Auffindbarkeit bündeln wir die Themen: Dreimal pro Woche, immer montags, mittwochs und freitags, finden Sie in der gedruckten Ausgabe eine „Green“-Seite. Digital erscheinen alle Themen unter ksta.de/green. Zudem starten wir unseren „Green“-Newsletter, den Sie kostenfrei abonnieren können.

Wie sieht es da auf lokaler Ebene aus?

Auf lokaler Ebene könnte diese Vernetzung besser laufen. Auch dort gibt es unglaublich viel Wissen: in Vereinen, in Unternehmen und auch in lokalen Bildungseinrichtungen und Universitäten. Gerade regionale- oder Nachwuchswissenschaftler kommen in den Medien aber selten zu Wort. Stattdessen werden immer wieder die gleichen, prominenteren Wissenschaftler angefragt. Als würde Prominenz den Wert der Berichterstattung erhöhen. Dabei gibt es auf lokaler Ebene oft sehr spannende Forschungsprojekte, die es wert wären, sichtbarer zu sein. Da müssen Wissenschaft und Journalismus gemeinsame Strategien entwickeln, um sich besser zu vernetzen.

Was kann der Lokaljournalismus beim Thema Klimawandel leisten, was der überregionale Journalismus nicht kann?

Ein Vorteil ist, dass es im Lokalteil keine starren Ressortgrenzen zwischen Politik, Wirtschaft oder Sozialem gibt. Klima und Nachhaltigkeit sind Themen, die sich auf all diese Bereiche auswirken. Das kann der Lokaljournalismus besser abbilden. Außerdem kann er näher an den Menschen und ihren Lebenswelten dran sein und das Thema Nachhaltigkeit so konkreter machen. Die Redaktionen müssen aber aufpassen, dass die Nachwirkungen von Corona nicht dauerhaft bleiben. Noch arbeiten viele Journalisten im Home-Office, aber guten Journalismus kann man nicht von zuhause aus machen. Journalisten müssen vor Tür.