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Kölner Opern-Intendantin„Es hat persönliche Verletzungen gegeben“

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Birgit Meyer hat zehn Jahre lang die Oper Köln geleitet.  

Birgit Meyer, Sie sind nach zehn Jahren an der Spitze der Kölner Oper im Begriff, Ihre Zelte in Köln abzubrechen und nach Wien umzuziehen. Freuen Sie sich drauf?

Birgit Meyer: Ja, ich freue mich darauf, wieder in Wien zu leben. Wien wurde jetzt gerade wieder zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität weltweit gekürt. Nicht von ungefähr.

Sie haben dort ja einen Wohnsitz, den Sie – seit Ihrer Zeit an der Volksoper – nicht aufgegeben haben.

Ja, im schönen Stadtteil Döbling. Mein Mann lebt und arbeitet dort seit langem.

Was werden Sie in Wien machen?

Das werde ich in aller Ruhe überlegen – und dann meine Entscheidungen treffen. Denkbar wäre zum Beispiel eine Wiederaufnahme meiner Lehrtätigkeit an der Wiener Universität.

Sie könnten, wie Ihr Vorgänger, ein Buch der Abrechnung über die Kölner Zeit schreiben...

Das liegt mir nicht, und das wissen Sie auch. Trotzdem wird es ja ein Buch über meine zehnjährige Intendantenzeit geben – eine dreiteilige Publikation, die sich jetzt im Druck befindet.

Zur Person

Birgit Meyer, 1960 in Köln geboren, ist promovierte Medizinerin und arbeitete also solche auch am Münchner Klinikum, profilierte sich aber beruflich in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern an Theatern, unter anderem am Tiroler Landestheater in Innsbruck und an der Wiener Volksoper. Unter der Intendanz von Uwe Eric Laufenberg war sie Operndirektorin in Köln, seit der Spielzeit 2012/13 ist sie selbst Intendantin.

Im Herbst 2020 teilte Oberbürgermeisterin Henriette Reker Meyer in einem persönlichen Gespräch ihre Entscheidung mit, den Vertrag der Intendantin nicht mehr zu verlängern. Als Grund dafür wurde, jedenfalls offiziell, nicht Unzufriedenheit mit Meyers aktueller Arbeit in der Interimsspielstätte Staatenhaus geltend gemacht, sondern im Wesentlichen ihre Amtsdauer: Zehn Jahre seien genug. Meyers Nachfolger ist der frühere Essener Intendant Hein Mulders – er tritt sein Amt am 1. September an. (Mas)

Gehen Sie im Zorn aus Köln weg oder eher versöhnt?

Meine Gefühlslage ist, trotz allem, heiter. Ich blicke auf eine erfüllte und erfolgreiche Zeit zurück, in der ich – etwa in der Spielplangestaltung – viel von dem umsetzen konnte, was mir wichtig war. Etwa mit der Schwerpunktbildung bei moderner und zeitgenössischer Oper. Es ist uns gelungen, unheimlich viele Leute für die Oper neu zu begeistern. Zuletzt hatten wir 30 Prozent junge Leute unter den Besuchern – ein wirklich spektakulärer Anteil in diesen Zeiten. Und wir sind im Team mit der Gleichberechtigung von Frauen auf allen Ebenen deutlich vorangekommen.

Aber so richtig schön sind die Umstände Ihres Ausscheidens ja nicht. Sie hätten ja gerne weitergemacht und auch den Umzug an den Offenbachplatz erlebt. Daraus wird nun nichts, die Stadtspitze hat Ihnen den Stuhl vor die Tür gesetzt...

Ja, sicher hat es da persönliche Verletzungen gegeben. Klar hätte ich gerne weiter gemacht. Aber es ist dann ja immer auch die Frage, wie man damit umgeht. Für mich hat sich in diesen Jahren – das ist das Wichtigste – etwas erfüllt.

Das Problem mit François-Xavier Roth

Ihr Zerwürfnis mit GMD François-Xavier Roth konnte ja wohl bis zum Schluss nicht gekittet werden...

Ich weiß nicht, ob Zerwürfnis das richtige Wort ist. Ein Problem war und ist: Es bedarf dringend eines sorgfältig ausgearbeiteten Geschäftsbesorgungsvertrags, der die Zuständigkeiten zwischen Oper und Gürzenich-Orchester in allen Belangen definitiv regelt. Aus der Tatsache, dass das Gürzenich-Orchester nicht nur Opern-, sondern eben auch Konzertorchester ist, ergeben sich, wenn man das nicht klärt, viele Konflikte. Ich habe das übrigens schon lange angemerkt, aber es tut sich wenig. Das müsste die Stadt meines Erachtens dringend umsetzen. Was die Probleme mit Roth anbelangt: Es ist halt immer eine Frage, ob und inwieweit jemand im Team arbeiten möchte. Ich möchte das, aber andere möchten es vielleicht nicht.

Sie haben gerade „die Stadt“ kritisiert. Könnten Sie das weiter konkretisieren?

Es geht mir nicht darum, die Stadt zu kritisieren, die übrigens meine Geburtsstadt ist. Ich beobachte lediglich, dass es in Köln manchmal an Disziplin fehlt, Pläne, Vorhaben, Projekte durchzuziehen und umzusetzen. Es wird vieles angefangen, aber dann gibt es so ein Laissez faire, das manches versanden lässt.

Stichwort Staatenhaus (und kein Ende): Mit dieser Situation waren Sie konfrontiert nach den drei Jahren, die Sie im blauen Zelt hatten zubringen müssen. Andere Intendanten bekämen darüber Alpträume.

Also, ich fand das nicht schön, habe es aber auch nicht als Katastrophe empfunden. Und es half ja auch nichts: Wir konnten nicht lamentieren, sondern mussten schauen, wie wir unter diesen Bedingungen attraktive Oper machen. Krise als Chance!

Tatsächlich wäre eine Produktion wie „Die Soldaten“ unter normalen Bedingungen so nicht möglich gewesen.

Nein, hätten wir nicht hinbekommen. Und wir haben ja auch nie so getan, als sei im Staatenhaus normale Oper möglich. Wir wollten von Anfang an die schwierigen Produktionsbedingungen nutzen, diese experimentelle Situation explizit herausstellen. Wir konnten uns natürlich dabei nie auf etwas ausruhen, es ging immer wieder von vorne los – und sei es mit Stühle einbauen, Wände einziehen, akustischen Prüfungen usw..

Blaues Zelt und Staatenhaus als Herausforderung

Was war denn die größere Herausforderung: das blaue Zelt oder das Staatenhaus?

Das blaue Zelt. Die Akustik da war ja, weil das eine Musical Location war, total trocken. Um den Raum für die Oper spieltauglich zu machen, musste sie extrem hochgerüstet werden. Das war schwer. Und dann haben Sie immer noch die Züge im Hauptbahnhof und das Klappern aus dem Foyer gehört. Und die Atmosphäre war für die Oper auch nicht gut – obwohl die Auslastung bei vielen Produktionen über 90 Prozent lag. Aber öffentlich schimpfen konnte ich auch nicht, sonst wäre am Ende niemand gekommen.

Wie steht die Kölner Oper nach jetzt sieben Jahren Staatenhaus da?

Die Kölner Oper hat sich europaweit einen Namen gemacht. Wir sind ein sehr angesehenes Haus.

Aber „Opernhaus des Jahres“ sind Sie nicht mehr geworden...

Das stimmt, aber das ist ja auch nicht der einzige Maßstab, den es gibt. Wir haben ein sehr gutes Ensemble, wir haben international arrivierte Gäste, wir gehören zu den am besten ausgelasteten Häusern. Und das trotz der Tatsache, dass wir kontinuierlich die Moderne gepflegt haben. 19 „Carmen“-Vorstellungen in fünf Wochen und die zu 99 Prozent ausgelastet – das ist schon was, trotz der natürlich verringerten Platzzahl im Staatenhaus.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Darauf, wie sich das Ensemble entwickelt hat. Eine „Carmen“-Vorstellung als „Fest der schönen Stimmen“ ausschließlich aus dem Ensemble oder dem Opernstudio besetzt – das spricht schon für sich. Schließlich die Gewinnung so großartiger wie diverser Regisseure – Tatjana Gürbaca, Nadja Loschky, Lydia Steier, auch Michael Hampe. Stolz bin ich darauf, dass es uns gelungen ist, durch die Bank ein breites Publikum anzusprechen. Und dass wir die Kölner Komponisten von Braunfels bis Zimmermann, Kagel und Höller in den Fokus gestellt haben.

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Was war nicht so toll?

Es ist Aufgabe des Publikums, das zu beurteilen. Was zählt, das ist der Gesamteindruck über die Jahre, und der war ja wohl doch sehr kraftvoll und überzeugend.

Zum Staatenhaus kam dann vor drei Jahren noch Corona – alles ein bisschen viel...

Das stimmt – wobei von Corona ja alle betroffen waren, während ich im Sommer 2015 mit der Absage der Wiedereröffnung am Offenbachplatz ganz alleine dastand. Mit Corona professionell umzugehen, dabei hat mir meine medizinische Ausbildung geholfen. Für mich war zum Beispiel von Anfang an völlig klar, dass im Staatenhaus Maskenpflicht bestehen würde.

Was würden Sie Ihrem Nachfolger Hein Mulders als Ratschlag hinterlassen wollen?

Ratschläge gebe ich nicht. Ich wünsche mir Respekt gegenüber dem Haus und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die über die Jahre wirklich Großes geleistet haben. Die Oper Köln ist ein tolles Haus, und es war mir eine Ehre, dieses Haus zehn Jahre leiten zu dürfen.