Die Staatskapelle Dresden musste für ihren Auftritt in Köln auf ihren scheidenden Chefdirigenten Christian Thielemann verzichten.
Staatskapelle Dresden in der Kölner PhilharmonieAuftritt ohne Chefdirigenten Christian Thielemann
Es sollte die letzte Tournee der Staatskapelle Dresden unter ihrem scheidenden Chefdirigenten werden - aber leider musste Christian Thielemann krankheitsbedingt alle Konzerte der aktuellen Gastspielreise absagen. Die meisten davon übernimmt Marie Jacquot für ihn, eine Nachricht, die man vermutlich auch beim WDR Sinfonieorchester nicht ungern vernommen hat: Die Französin tritt hier 2026 die Chefposition an; ihre hohe Wertschätzung in der internationalen Musikszene spricht ja durchaus dafür, dass man im Sender die richtige Entscheidung getroffen hat.
Staatskapelle Dresden in der Kölner Philharmonie
Beim Tournee-Termin der Staatskapelle in der Kölner Philharmonie dirigierte Marie Jacquot zwar nicht Christian Thielemanns Programm, behielt aber seine Repertoire-Linie bei: Musik der deutschen Hochromantik, dicht gewoben, generös orchestriert und klanglustbezogen. Genau die richtige Agenda also für ein Orchester wie die sächsische „Wunderharfe“, die sich vor allem bei Richard Strauss in denkbar bester Form präsentierte. Thielemann hätte den „Zarathustra“ dirigiert; Marie Jacquot eröffnete den Abend stattdessen mit den tönenden Testosteron-Eruptionen des „Don Juan“.
Bei aller jugendlichen Verve zeigt sich der 24-jährige Komponist schon hier als gewiefter Kontrapunktiker; aber er denkt dabei weniger in einzelnen Linien als in Schichten, die sich übereinander legen und den Klang immer weiter expandieren lassen. Orchestern geringeren Schlages geht da schnell die Luft aus, aber die Dresdner sind natürlich gerade bei solchen Partituren in ihrem ureigenen Element: Je mehr orchestraler Traffic aufgeboten wurde, desto breiter schien die Klang-Autobahn, auf der er sich bewegte. Marie Jacquot konnte da unbesorgt die Lautstärke aufziehen, um Balance musste sie sich kaum kümmern - es war immer genug Platz für alle da.
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Aufführung von „Till Eulenspiegel“ überzeugt nicht vollends
Das war beim nachfolgenden „Till Eulenspiegel“ im Grunde nicht anders; trotzdem überzeugte die Aufführung des quirligen Schelmenstücks um eine Nuance weniger: Marie Jacquot spannte die Buffo-Gesten der Musik fest ins Taktraster ein; das allseitige Kichern und Sticheln, Necken und Foppen hätte aber ein wenig mehr erzählerische Freiheit durchaus vertragen. Dies auch im Interesse der starken Charaktere, die das Orchester vor allem bei den Holzbläsern aufbot - zwischen gellender D-Klarinette und knarzendem Kontrafagott.
Deutlich gemäßigter ist die Farbpalette in Johannes Brahms’ vierter Sinfonie, mit der die Staatskapelle Dresden den Abend beschloss. Das war eine weitgehend entspannt fließende, klanglich ausgewogene und großflächig pulsierende Interpretation, die eher durch ihre orchestrale Qualität bestach als durch den Ideenreichtum des Musizierens. Marie Jacquot hatte das Stück sicher in der Hand; abgesehen von einigen minimalen Unschärfen bei den Bläsern waren die Abläufe tadellos koordiniert. Das Publikum feierte sowohl das Orchester als auch die Dirigentin überschwänglich und wurde mit Brahms’ Ungarischem Tanz Nr. 5 in die Abendkühle entlassen.