Bei Frank Plasbergs letzter Sendung „hart aber fair“ ging es um die Fußball-WM 2022 in Katar. Bedeutet das Turnier den totalen Ausverkauf des Fußballs? Oder siegt am Ende doch die große Leidenschaft für das Spiel?
Letzte Sendung „hart aber fair“Frank Plasberg wagt etwas, das er „nicht kann“
Als die Ausrichtung der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft vor zwölf Jahren nach Katar vergeben worden war, war die Verwunderung durchaus da, ein Aufschrei blieb aber aus. Je näher das am Sonntag beginnende Turnier rückt, desto größer wird jedoch die Diskussion über die Umstände dieser WM. Bestechung, der Umgang mit Arbeitsmigranten, die Rechte von Frauen oder Homosexuellen sind nur drei von vielen Themen.
Auf der anderen Seite bleibt dieses Turnier sportlich gesehen der wichtigste Vergleich zwischen den Nationen dieser Welt, in der beliebtesten Sportart. Wie soll man umgehen mit dieser Weltmeisterschaft? Diese Frage diskutierte Moderator Frank Plasberg in seiner letzten Sendung „hart aber fair“ am Montagabend mit seinen Gästen. Der „totale Ausverkauf des Fußballs“ oder „siegt am Ende doch die große Leidenschaft für das Spiel?“
Die Gäste des Abends
- Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin
- Thomas Hitzlsperger, ehemaliger Fußball-Nationalspieler
- Tuğba Tekkal, ehemalige Fußball-Bundesligaspielerin
- Steffen Simon, Mediendirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB)
- Willi Lemke, ehemaliger Manager von Fußball-Bundesligist Werder Bremen und ehemaliger UN-Sonderbotschafter Sport
Der Beginn der Sendung ist flüssig. Schließlich strahlte die ARD vor „hart aber fair“ eine Dokumentation über das Gastgeberland der Weltmeisterschaft aus. Darin reiste der ehemalige Nationalspieler Thomas Hitzlsperger unter anderem nach Katar, wo er selbst seine Sexualität nicht ohne Konsequenzen ausleben könnte. Hitzlsperger hatte nach seiner aktiven Fußball-Karriere erstmals öffentlich darüber gesprochen, dass er homosexuell ist. In Katar ist Homosexualität strafbar.
Jetzt sitzt Hitzlsperger, Fußball-Experte der ARD, in der Runde von Frank Plasberg. Und wiederholt, was er zuvor bereits in der Doku sagte. „Die Freude über eine WM, die ich in den Jahren als Kind und als Fußballer empfunden habe, die ist nicht vorhanden.“ Das Turnier boykottieren werde er aber nicht. Sondern hinfahren, seine Arbeit als Experte machen, „und meine Erfahrungen weitergeben.“
Willi Lemke bedient sich dem Narrativ der Fifa
Damit widerspricht er dem ehemaligen Fußball-Manager Willi Lemke, der die Sendung zu Beginn als „Abschluss des ‚Bashings‘ gegen Katar“ bezeichnet. Ab morgen werde man nur über Fußball reden. Mit dieser nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Art und Weise des Vortrags sehr plumpen Aussage steht er aber alleine da. Nicht nur Hitzlsperger, auch Innenministerin Faeser, DFB-Mediendirektor Simon und Ex-Fußballerin Tekkal betonen, wie wichtig Kritik auch während des und nach dem Fußballturnier ist.
Plasberg lässt Lemke seinen Punkt später noch einmal ausführen. Besser wird dieser dadurch nicht. Der ehemalige Fußball-Funktionär betont, man hab mit der Corona-Pandemie in Deutschland schlechte Jahre hinter sich, nun solle der Sport „etwas Positives bringen. Keine Gräben reißen, sondern Brücken bauen.“ Damit bedient er sich zum Teil dem Narrativ der Fifa, die Kritik durch den Fokus auf den Sport zu überstrahlen versucht.
Deutsche Doppelmoral zwischen WM und Gas? Faeser weicht aus
Das Potenzial, die Kritik an Katar zu überstrahlen, hat auch die Energiekrise. Als Nancy Faeser Ende Oktober darauf hinwies, dass die Bundesregierung Turniervergaben von Sportgroßereignissen an Menschenrechte und Nachhaltigkeitsprinzipien geknüpft werden sollten, kritisierte der katarische Außenminister Al Thani diese Aussage als Doppelmoral. Denn wenn es um Gaslieferungen aus Katar gehe, sei dies plötzlich kein Thema mehr. Hintergrund: Vor einigen Monaten war Bundeswirtschaftsminister nach Katar gereist, um einen möglichen Gas-Deal mit dem Wüstenstaat zu verhandeln.
Plasberg hofft, diese vorgeworfene Doppelmoral als Anstoß für eine Diskussion nehmen zu können, konfrontiert Faeser direkt mit Al Thanis Worten. Die aber sagt nur, dass sie als Innenministerin für Sportgroßereignisse verantwortlich sei und nach wie vor zu ihren Aussagen stehe. Eine Sackgasse mit Ansage für den Moderator.
Katar: Wird es nach der WM weiter in die richtige Richtung gehen?
Dass der Weg in Katar in die richtige Richtung angetreten wurde, wird wohl kaum jemand verneinen. Die Frage ist nur, wie weit dieser Weg gegangen wurde. Die Skala zwischen einem und den nötigen Schritten ist schließlich groß. Und: Wird der Weg nach der Weltmeisterschaft weitergegangen? Willi Lemke ist „optimistisch“, Hitzlsperger nicht und holt etwas weiter aus. „Wer soll sich denn noch darum kümmern nach der WM? Nach der WM 2018 hat sich keiner mehr für die Situation in Russland interessiert, in Brasilien und Südafrika genau dasselbe. Und genau das wird wieder passieren“, sagt er.
Damit hat er handfeste Beispiele auf seiner Seite. Gründe, dass es diesmal anders laufen wird, nennt niemand. Wenngleich die Kritik im Vorlauf der Katar-WM auch deutlich größer war als bei Hitzlspergers Beispielen. Die Chance, dass etwas von dieser Kritik hängen bleibt, ist also schon etwas größer. Nancy Faeser verspricht, dass sie sich auch nach der WM für zum Beispiel die Rechte der Arbeitsmigranten einsetzen werde. Das Ergebnis wird erst nach Abpfiff der WM zu sehen sein.
„Hart aber fair“ kritisiert die ARD
Diesen Abpfiff wird Tuğba Tekkal wohl nicht live sehen. Sie will diese Weltmeisterschaft nicht schauen. „Auch nicht, wenn Deutschland im Endspiel ist?“, hakt Plasberg nach. Tekkal: „Auf keinen Fall!“ Steffen Simon positioniert sich als Sprecher des DFB für den einen oder anderen vielleicht etwas überraschend neutral: „Es ist völlig in Ordnung, das muss jeder für sich entscheiden. Da halten wir uns raus.“
Hitzlsperger wird nicht boykottieren. „Wenn ich da konsequent bin, muss ich ganz aufhören, Fußball zu schauen. Paris Saint-Germain gehört zu Katar, der FC Bayern wird von Qatar Airways gesponsert, Saudi-Arabien ist in der Premier League aktiv. Dafür ist meine Leidenschaft für den Sport zu hoch.“ Und: Er arbeitet ja auch vor Ort, als Experte für die ARD. Tekkal macht ihm dafür keine Vorwürfe, auch niemand anderem. Wichtig ist ihr, dass Fans „nicht die Augen verschließen, sondern sich mit dem Thema auseinandersetzen.“ Egal, ob sie die Spiele schauen oder nicht.
Und dann tut „hart aber fair“ etwas durchaus respektables. Ein Einspieler übt Kritik an der ARD, die eben diese Sendung ausstrahlt. Es geht darum, wie die WM angepriesen wird, vor allem beim Thema Werbeminuten durch die ARD Media. Hitzlsperger, als WM-Experte der ARD natürlich nicht ganz neutral, findet es gut, dass die ARD die WM zeigt, sie aber trotzdem auch kritisch begleitet. Bei der Stimme bleibt es dann allerdings auch zu diesem Thema.
Plasberg verabschiedet sich nach 22 Jahren
Die Meinung der Zusehenden zu diesem Thema ist sehr gespalten. Die einen freuen sich auf die Spiele, die anderen lehnen dieses Turnier ab und wollen keine Minute schauen. Und dann gibt es auch noch Stimmen zu einem anderen Thema. Schließlich ist es die letzte Sendung von Moderator Frank Plasberg.
Es gibt viel Lob für die Leistung Plasbergs in den vielen Jahren „hart aber fair“, der Blick richtet sich am Ende aber auch vorne. Nachfolger Louis Klamroth betritt das Studio und lässt einen Abschieds-Einspieler laufen. Das wirkt alles ein bisschen arg inszeniert, nach 22 Jahren Plasberg bei „hart aber fair“ vielleicht aber auch zurecht. Und sowieso passend zum Thema Fußball-Weltmeisterschaft. Zwischendurch wirft Plasberg ein, seine Redaktion schwitze „Blut und Wasser, weil Fußball kann ich eigentlich nicht. Und das in meiner letzten Sendung.“ Dafür schlägt er sich bei seinem Abschied aber gut.