Riccardo Muti und das Chicago Symphony Orchestra huldigen in der Kölner Philharmonie dem Traumland Italien.
Riccardo Muti in der PhilharmonieDer Dirigent hatte so viel Spaß wie das Publikum
Als sie im Finale aus dem orchestralen Getümmel trat, die berühmte kleine Melodie, da wandte sich Riccardo Muti zur Seite und zuckte bedauernd mit den Schultern, als wolle er sagen: Ich kann ja auch nichts dafür. Klar, in einer ausladenden sinfonischen Dichtung aus der deutschen Gründerzeit hat „Funiculì, funiculà“ auf den ersten Blick nicht viel zu suchen. Trotzdem war die distanzierende Geste natürlich reine Koketterie.
Der große Dirigent hatte an diesem unvermittelten Zusammenprall der musikalischen Welten offenkundig ebenso viel Vergnügen wie das Publikum in der restlos ausverkauften Philharmonie. Der einzige, der das verwegene Zitat im Nachhinein vermutlich bedauert hat, war der Komponist selbst: Richard Strauss hatte den populären Schlager bei seiner Italienreise anno 1886 auf der Straße gehört und für ein gemeinfreies Volkslied gehalten — ein Irrtum, den er am Ende mit harten Tantiemen bezahlen musste.
Um Wirkung zu erzielen, brauchte Muti kaum mehr als einen Fingerzeig
Die sinfonische Fantasie „Aus Italien“ gilt heute allgemein als ein eher schwächeres Jugendwerk, das man im Konzert entsprechend selten hört. Mag sein, dass die musikalische Substanz hier und da noch ein bisschen dünn fließt; an kraftvollem Farbauftrag indes mangelt es keineswegs — ganz gleich, ob Strauss eine Wanderung durch die Campagna beschreibt, die Ruinen des alten Roms, den Strand von Sorrent oder ein lärmendes Volksfest in Neapel.
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Das Chicago Symphony Orchestra ließ das üppig instrumentierte Stück denn auch vor allem zum Klangereignis werden. Man sah, wie die Streicher ihre Bögen fast beiläufig, ohne Druck und Schwere aufsetzten — und in den Saal trat ein Sound von machtvoller, generös einhüllender Räumlichkeit. In Verbindung mit dem edlen Goldbronze-Ton des Blechs und der scharf gerandeten Präzision der Holzbläser ergaben sich Klangmischungen von ausgesprochen kulinarischer Qualität. Und all das zu erwirken, kostete Muti, den das Orchester jüngst zum emeritierten Musikdirektor auf Lebenszeit ernannte, kaum mehr als einen kleinen Fingerzeig.
Auch bei Felix Mendelssohn Bartholdys „Italienischer“ Sinfonie Nr. 4 war das Niveau superb
Mit Felix Mendelssohn Bartholdys „Italienischer“ Sinfonie Nr. 4 war ein weiteres Dokument deutscher Italien-Begeisterung vorangegangen. Auch hier war das Spielniveau erwartungsgemäß superb; so traut man sich kaum, sanfte Einwände gegen die trittfeste und gewichtige Darstellung zu erheben, die zwar das romantische Melos der Musik zelebrierte, darüber aber ihre Vitalität und Sonnenhelle fast zu vergessen schien.
Begonnen hatte der Abend mit „The Triumph of the Octagon“, einem neuen Orchesterstück von Philip Glass, das kaum zehn Minuten dauerte, sich in seiner repetitiven Öde aber ins schier Endlose dehnte. Von ganz anderem Kaliber war da schon die Zugabe, das Intermezzo aus Giacomo Puccinis „Manon Lescaut“, das Muti und seine famose Truppe zu extremer Breite und emotionaler Dichte aufzogen.