Lutz Fritsch versucht, seine Skulptur „Standortmitte“ mit einem eigenen Entwurf für die Stadtbahntrasse am Kölner Verteilerkreis zu retten. Warum ist bei der Stadt niemand darauf gekommen?
Lutz Fritschs „Standortmitte“Ist das die Lösung für den Kölner Verteilerkreis?
Auf dem Bild sieht alles ganz einfach aus. Alle Probleme sind gelöst und können buchstäblich in einer sanften Kurve umfahren werden. Das Bild zeigt den Kölner Verteilerkreis mit der „Standortmitte“, einer 50 Meter hohen leuchtend roten Stele des Künstlers Lutz Fritsch – und eine Stadtbahntrasse, die den Verteilerkreis nicht wie von der Stadt Köln geplant brutal durchschneidet, sondern elegant ausschwenkt und sich seitlich an den Straßenverkehr schmiegt. Auf der anderen Seite nimmt die Trasse die gedachte Linie wieder auf.
Möglich wird diese neue Lösung für eines der städtebaulichen Probleme Kölns durch einen schlichten Handgriff. Lutz Fritsch hat die Trasse, die Rondorf und Meschenich ans Kölner Straßenbahnnetz anschließen soll, in das ohnehin geplante Parkhaus der neuen Haltestelle Arnoldshöhe verlegt. Dadurch gewinnt die Stadtbahntrasse den nötigen Schwung, um den Verteilerkreis und die „Standortmitte“ zu umfahren. Und sie würde, so Fritsch, das Umsteigen vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr an dieser Stelle zudem sicherer und bequemer machen.
Ascan Egerer sieht etliche Probleme im „Switch“ genannten Entwurf
Allerdings ist nichts so einfach, wie es auf einem Bild erscheint. Ascan Egerer, der zuständige Kölner Dezernent für Mobilität, nennt in einem Schreiben an Fritsch etliche Probleme in „Switch“, dem Entwurf, den Fritsch nach eigenen Angaben gemeinsam mit Experten der Technischen Hochschule entwickelt hat. Aber Egerer schreibt zu diesen Problemen auch: „Planerische Lösungen sind vorstellbar.“ Das Knockout-Argument gegen „Switch“ lautet anders: Das Bauvorhaben am Verteilerkreis müsste komplett neu geplant und genehmigt werden. Das würde viel Geld und Zeit kosten – zwei Dinge, die das Dezernat und die Kölner Stadtpolitik in Fritschs Entwurf offenbar nicht investieren wollen. Der Ausbau der Südtrasse dauert schon viel zu lange, hört man in der Debatte oft heraus. Weitere Verzögerungen könne sich die Stadt nicht leisten.
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Im Grunde sieht Fritschs Bild ein bisschen zu schön aus, um wahr zu sein. Es gibt auf ihm mehr Grün als am Amazonas, die Verkehrswege sind blütenweiß und werden lediglich von einem einsamen Autofahrer genutzt. Im Hintergrund ist sogar das Bonner Gegenstück zur Kölner Stele zu sehen. Am anderen Ende der A 555, der ältesten deutschen Autobahn, steht ein identischer Zwilling. Beide gehören zusammen, sie machen die „Standortmitte“ erst komplett. Dank Fritschs monumentalen Stecknadeln werden die beiden Städte nicht nur durch den Asphalt verbunden, sondern auch durch ein unsichtbares Band der Kunst.
Für Fritsch ist „Switch“ jedoch keine künstlerische Vision, sondern ein konkreter, für die Probleme des Orts geschaffener Entwurf. Bei seiner Trassenführung werde der Verteilerkreis nicht berührt und bleibe als „grünes Entree“ der Stadt erhalten. Zugleich biete die Verlegung der Haltestelle ins Parkhaus eine komfortable Alternative zum bestehenden Entwurf; die Lärmbelästigung für die Anwohner sei sogar geringer. „Das alles ist kein Hexenwerk“, sagt Fritsch, „es gibt internationale Vorbilder für diesen Bau.“ Auch Egerers zentrales Argument, die nötigen Umplanungen bräuchten zu viel Zeit, sieht er entkräftet. Schließlich verzögere sich der Trassenausbau wegen der Bombensondierungen an der Bonner Straße ohnehin um mindestens zwei Jahre.
Die Politik hat die Pläne der Verwaltung weitgehend ohne Diskussionen durchgewunken. Dabei geht es nicht nur um eines der wenigen ikonischen Kunstwerke im Kölner Stadtraum, sondern auch um eine städtebaulich bedeutende Lage. Der Verteilerkreis ist das automobile Tor der Stadt, die rote Stecknadel die südliche Visitenkarte der Kunstmetropole Köln. Die aktuelle Brückenlösung würde den Verteilerkreis wenige Meter von der Stahlskulptur entfernt queren und den Charakter des gesamten Areals zerstören. Die Stele müsste zwar nicht gefällt werden. Aber ihre Wirkung wäre gekappt. Wegen ihrer Dimensionen ist sie nicht für die Nahsicht geschaffen. Sie entfaltet ihre Wirkung aus der Ferne und zieht diese nicht zuletzt aus der begrünten Leere, die sie umgibt. Der unbebaute Verteilerkreis ist zugleich Schutzraum und Bühne der Skulptur.
Dieser sehr spezielle Konflikt zwischen Kunst und Klima, Fritsch und dem Ausbau des KVB-Angebots, ist seit November 2022 akut. Laut Auskunft der Stadt Köln favorisierte die Verwaltung – wie auch Fritsch – bis dahin eine Unterfahrung des Kreisverkehrs. Allerdings liegt der Baubereich in einem Wasserschutzgebiet. „Im Zuge der Gefährdungsbeurteilung für das Trinkwasser mussten unterirdisch verlaufende Alternativen grundsätzlich ausgeschlossen werden“, heißt es vonseiten der Stadt. Als einzige genehmigungsfähige Alternative bliebe daher eine Brücke.
Eine Brücke plant nun auch Fritsch. Sein Entwurf ist nicht nur durchdacht, er wäre, ließe er sich verwirklichen, die in jeder Hinsicht bessere Alternative. Kulturell und städtebaulich sowieso. Aber „Switch“ wäre auch für den Nahverkehr ein Gewinn. Man fragt sich, warum erst ein Künstler darauf kommen musste und weder Stadtplaner noch Architekten diese Möglichkeit gesehen haben. Die Antwort lautet wohl: Weil die Belange der Kunst und des Stadtbilds in den Planungen bislang keine Rolle spielten.