Köln – Seine Inszenierung von Bernd Alois Zimmermanns „Die Soldaten“ an den Opernhäusern von Zürich, Berlin und Madrid war sensationell und wurde weithin gefeiert. Für die geplante konzertante Wiedergabe des eindringlichen Werks in der Kölner Philharmonie hatte Calixto Bieito eine halbszenische Raum- und Lichtinstallation entwickelt. Wegen Corona musste das Programm kurzfristig geändert werden. Der spanische Regisseur verbindet nun vier Orchesterwerke Zimmermanns mit zwei aus dem Gürzenich-Orchester hervortretenden Darstellern zur Gesamtaufführung „Canto di Speranza“, einem Gesang der Hoffnung.
„Schon als Student“, erzählt Calixto Bieito, „faszinierte mich Jakob Michael Reinhold Lenz, dessen Tragödie ,Die Soldatenʻ ich auf die Bühne bringen wollte, was dann aber nie geschah. Damals trat auch Zimmermanns Vertonung in mein Leben. Seine Musik hat mich tief berührt, weil sie so realistisch und authentisch ist. Zimmermann Werke gehören der Menschheit und sind die Musik meines Lebens.“ Bevor der 1963 geborene Regisseur Opern inszenierte, entwarf er für verschiedene Museen Installationen unter Beteiligung verschiedener Räume, Materialien, Bilder, Filme, Akteuren und auch Parfüm. Nun verbindet er Zimmermanns frühe martialische „Sinfonie in einem Satz“ mit den sehr unterschiedlichen Spätwerken „Musique pour les soupers du Roi Ubu“, „Photoptosis“ und „Stille und Umkehr“.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die brutalen Marschgesten der Sinfonie sind ein unverkennbares Echo des Weltkriegs. Doch Calixto Bieito will dazu nicht wiederholen, was er schon bei den „Soldaten“ in Filmsequenzen gezeigt hat. „Ich will etwas völlig anderes machen. Alle Werke Zimmermanns haben, selbst wenn sie schroff sind, auch mit Liebe und Hoffnung zu tun. Sie schauen nicht nur auf die kriegerische Vergangenheit zurück, sondern eröffnen auch eine neue Zukunft.“ Bieito lässt zwischen den Stücken ein schauspielerndes und Gedichte rezitierendes Paar auftreten, die Mezzosopranistin Alexandra Ionis und den Bariton Leigh Melrose. „Ich sehe diese tollen Künstler, freundlich und voll Hoffnung, mal wie im Märchen, mal wie in einer Parodie, immer sehr menschlich. Zimmermanns Musik drückt nicht immer Hoffnung aus, aber er schrieb ein Cellokonzert mit dem Titel ,Canto di Speranzaʻ.“
Die beiden letzten Orchesterwerke Zimmermanns sind völlig konträr: „Photoptosis“ flutet den vollen Orchesterklang bis zu dichtesten, flirrenden Clustern; „Stille und Umkehr“ ist auf einen einzelnen Liegeton reduziert, der durch wechselnde Instrumente wandert und von kurzen schnellen Gesten überlagert wird. „Ich möchte keine Konkurrenz zur Musik schaffen, sondern etwas möglichst Einfaches zeigen. Ich schaffe abstrakte und für Assoziationen offene Skulpturen, Zeichen einer Auferstehung, schlicht um zu leben.“ Statt Deutungen vorzugeben, will der Regisseur das Publikum die Musik erleben lassen, damit man durch die Musik auch in sich selbst hören kann, auf eigene Gedanken, Abgründe, Gefühle. Der Untertitel des Programms lautet daher: „Human Sculptures of Absurdity, Melancholy and Violence“.
„Nicht Brutalität, sondern Hoffnung“
Und was hofft Calixto Bieito selbst? „Ich sehe unglückliche und leidende Menschen. Doch Leiden, Zerstörungen und die Apokalypse sind auch in uns selbst. Wir müssen uns daher von unseren Ängsten lösen. Denn dann sind wir frei, unsere Zweifel zu äußern, Ideen zu teilen, und Menschen zu helfen, kreativ zu sein.“ In Zimmermanns wuchtig stampfender Sinfonie erkennt der Regisseur einen großen Panzer, dessen alles zermalmendes Schreckensbild die Sehnsucht nach Frieden umso dringlicher weckt. „Was wir heute brauchen, ist nicht Brutalität, sondern Hoffnung.“
Kölner Philharmonie, Samstag 12. Februar, 20 Uhr, Hommage an Bernd Alois Zimmermann: “Canto di Speranza„ – Human Sculptures of Absurdity, Melancholy and Violence mit dem Gürzenich-Orchester Köln unter Leitung von François-Xavier Roth in der Regie von Calixto Bieito